Beschreibung

vor 12 Jahren
Aus den Erfahrungen in der Schwindelambulanz des
Universitätsklinikums München, Campus Großhadern, und
vorangegangener Publikationen [46, 62] hatten sich Hinweise auf
einen möglichen pathophysiologischen Zusammenhang zwischen dem
Bestehen einer (idopathischen) bilateralen Vestibulopathie (BV) und
dem Auftreten cerebellärer Symptome ergeben. Nach Zingler et. al
2007 wiesen 25% aller Patienten mit BV ebenfalls cerebelläre
Symptome auf und von diesen weiterhin 32% zusätzliche Anzeichen
einer peripheren Polyneuropathie (PNP). Dabei waren vor allem die
Patienten mit idiopathischer BV von diesem Syndrom betroffen. Ziel
dieser Studie war es, das sog. CABV (cerebelläre Ataxie und
bilaterale Vestibulopathie)- Syndrom durch klinische,
elektrophysiologische und zusätzliche apparative Untersuchungen
näher zu untersuchen und zu beschreiben, damit darauf aufbauend
ggf. neue Diagnose- und Therapiemöglichkeiten entwickelt werden
können. Dazu wurden aus dem Patientenkollektiv der
Schwindelambulanz der vergangenen Jahre 31 Patienten ausgewählt,
die an einem klinisch diagnostizierten CABV-Syndrom erkrankt waren,
welches definiert war als das gleichzeitige Vorhandensein eines
bds. pathologischen Kopfimpulstests als Ausdruck eines bilateralen,
vestibulären Defizits und cerebellärer Symptomatik (Gang-, Stand-,
Extremitätenataxie, cerebellärer Okulomotorikstörung und/oder
Dysarthrie). Alle 31 Patienten erhielten eine kalorische Testung
mittels Elektronystagmographie (ENG) oder Videookulographie (VOG),
und wurden abhängig davon in zwei Gruppen eingeteilt: CACR- (=
Cerebellar Ataxia; Caloric Responsiveness - : Patienten mit bds.
pathologischem Kopfimpulstest und pathologischer Kalorik) und CACR+
(Cerebellar Ataxia; Caloric Responsiveness + : Patienten mit bds.
pathologischem Kopfimpulstest ohne pathologische Kalorik). Alle
Patienten erhielten eine ausführliche klinisch-neurologische und
neuroophthalmologische Untersuchung, sowie weiterführende
apparative Untersuchungen (EMG/NLG, cVEMP, Audiometrie, VBM,
Search-Coil). Die Untersuchungsergebnisse der beiden Gruppen wurden
dabei jeweils miteinander verglichen. Folgende Kernaussagen können
basierend auf diesen Studien getroffen werden: 1. Aus den Messungen
mittels Search-Coil-Technik ergab sich, dass einige der Patienten
mit pathologischem Kopfimpulstest in der klinischen Untersuchung
bei der apparativen Untersuchung des Kopfimpulstests einen normalen
Gain aufwiesen. Da sich der Kopfimpulstest als Bedside-Test zur
Diagnose einer BV bisher als geeignetes Verfahren durchgesetzt
hatte, gehen wir davon aus, dass der falsch pathologische
Kopfimpulstest möglicherweise durch das cerebelläre Syndrom
beeinflusst worden sein könnte. 2. Beim Vergleich beider
Studiengruppen zeigte sich in der Search-Coil-Untersuchung des
Kopfimpulstests (horizontal head impulses, hHIT) ein signifikanter
Unterschied im hHIT-Gain nach 80 und 100 ms, nicht aber bei 40 und
nur teilweise bei 60 ms. Während in der Anfangsphase der VOR bei
beiden Gruppen noch funktionierte, kam es in der CACR- Gruppe nach
ca. 80 ms zu einem Zusammenbruch des Systems und zur Auslösung von
Ausgleichssakkaden, während die CACR+ Patienten ihren hohen Gain
aufrecht erhalten konnten. 3. Bei den CACR+ Patienten kam es
signifikant später (nach ca. 200 ms) als bei den CACR- Patienten
zur Generierung einer der Kopfbewegung entgegen gesetzten
Augenbewegung. Diese könnte Ausdruck eines Blickhaltedefizits bei
cerebellären bzw. flokkulären Läsionen sein und eine
Korrektursakkade im Bedside-Kopfimpulstest vortäuschen und somit zu
einem falsch-pathologischen Kopfimpulstest nach Halmagyi und
Curthoys führen. 4. Zudem ist aufgrund zahlreicher anatomischer
Verbindungen zwischen Vestibulocerebellum und der am VOR
beteiligten Neuronen vorstellbar, dass der VOR durch das Cerebellum
moduliert wird und sich auch cerebelläre Störungen in VOR-Defiziten
bemerkbar machen können. 5. Bei cerebellären Patienten ist der
Kopfimpulstest nach Halmagyi und Curthoys nicht ausreichend
aussagekräftig und kann zu falsch-pathologischen Ergebnissen
führen. Eine zusätzliche Diagnostik (Kalorik) ist zur Diagnose
eines CABV-Syndroms notwendig. 6. Die cVEMP können bei cerebellären
Patienten einen weiteren Hinweis auf das Vorliegen eines „echten“
CABV-Syndroms liefern, sind aber vor allem bei älteren Patienten
(> 60 Jahre) nur eingeschränkt beurteilbar. 7. Die Beiteilung
peripherer Nerven in Form einer Polyneuropathie ist regelmäßig bei
CABV-Patienten nachzuweisen. Eine ausführliche PNP-Diagnostik
sollte demnach Bestandteil der CABV-Diagnostik sein. 8. Die
Hörnerven können ebenfalls im Rahmen eines CABV-Syndrom betroffen
sein, weshalb die Durchführung einer Audiometrie sinnvoll
erscheint. 9. Im Vergleich mit einem Normalkollektiv weisen
CABV-Patienten wie zu erwarten eine bilaterale Kleinhirnatrophie
auf, welche sowohl die Vermis als auch die Kleinhirnhemisphären
betrifft.

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