#03 - Contact Center: Vom Kosten- zum Wertschöpfungs Zentrum. CX, EX und ROX | Stefan Kolle bei Better Call Service

#03 - Contact Center: Vom Kosten- zum Wertschöpfungs Zentrum. CX, EX und ROX | Stefan Kolle bei Better Call Service

Von Wertlos zu unbezahlbar
44 Minuten
Podcast
Podcaster
Wenn du deinen Kundenservice verbessern und deine jetzigen Kunden behalten willst, hör dir den Better Call Service Podcast an!

Beschreibung

vor 3 Jahren

Was ist notwendig, um aus einem Contact Center als Kostenfaktor
ein Wertschöpfungszentrum für deine Kunden zu machen? Und warum
ist die Antwort auf diese Frage, den Menschen in den Mittelpunkt
zu stellen? Um das zu besprechen, habe ich heute Stefan Kolle zu
Gast. Stefan ist Kundenstratege, CX Spezialist,
Kundenstimme-Zuhörer und NPS-Praktiker. Wir sprechen heute
darüber wie wir im Contact Center durch die Gestaltung eines
besseren Kundenerlebnisses (CX) und Mitarbeitererlebnisses (EX)
messbare Ergebnisse erzielen können (ROX).


 



Du erfährst...


 



1) …Den Teufelskreis der Kunden und Mitarbeiter unglücklich
macht.


 



2) …Den Fehler, den selbst die größten Unternehmen im
Kundenstimmen Programm übersehen.


 



3) …Was notwendig ist, um alle im Unternehmen von
Kundenzentriertheit zu überzeugen.


 



4) …Welche Umstellung bei der Kundenbefragung den Rücklauf von
0,6% auf 20% erhöht hat.


 



5) …Wie falsch eingesetzte KPIs zu unzufriedenen Kunden und
Mitarbeitern führen.


 



6) …Den ersten Schritt um den ROX eines Contact Centers zu
messen.


„Better Call Service“ ist ein Podcast der DuMont Process GmbH:
Unsere Mission ist es, Unternehmern und Customer Service
Führungskräften zu helfen, den Kundenservice zu verbessern, damit
Kunden zu loyalen Fans werden, mehr Geld ausgeben, länger bleiben
und so, den Customer Lifetime Value zu erhöhen.




Wenn du deinen Kundenservice verbessern und deine Kunden
nicht verlieren willst, hör dir den Better Call Service Podcast
an!




Lerne die besten Taktiken, Tipps und Tricks von führenden
Customer Service Experten und wie du sie in deinem Unternehmen
anwendest.


Die DuMont Process GmbH ist ein Call- und Contact Center aus
Berlin Mitte, das verschiedene Projekte im Customer Service und
Vertrieb im In- und Outbound abbildet. Wir helfen Unternehmen die
Customer Experience zu verbessern, indem wir die Qualität im
Kundenservice überprüfen, Verbesserungsvorschläge machen,
Softwarelösungen entwickeln und Weiterbildungen für Mitarbeiter
anbieten oder den kompletten Kundenservice als Outsourcing
Dienstleister übernehmen. 


 



Website: https://dumont-process.de/




__________________________


 



PERSONEN



 


Moderation: Michael Kästner, Marketing & Sales, DuMont
Process GmbH — 


https://www.linkedin.com/in/michael-k%C3%A4stner-42437b194/


 



Gast: Stefan Kolle, Geschäftsführer, FutureLab — 


https://www.linkedin.com/in/stefankolle/



 


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WICHTIGE LINKS


 



Zu Stefans Website:


https://www.futurelab-deutschland.de/


 



Whitepaper: Von wertlos zu unbezahlbar: Umgestaltung Ihres
Contactcenters in ein Customer Value Centre:


https://www.linkedin.com/smart-links/AQG_ev-x1R4NhQ/b6bdf2d6-fe9b-418d-b127-30753909b82d


 



25 Fragen Kundenstimmen Audit:


https://www.futurelabresearch.com/calibrate


 
Messaging im Kundenservice:
https://www.infinit.cx/




__________________________



 


KAPITEL


 



[00:02:28] Die beste Art, um als Unternehmen langfristig zu
wachsen.




[00:04:38] 2 grundlegende Fragen um Effektivität und Effizienz zu
verbessern.




[00:05:55] Wie unzufriedene Kunden zu unzufriedenen Mitarbeitern
führen.




[00:07:04] Der Teufelskreis der Kunden und Mitarbeiter
unglücklich macht.




[00:09:47] Woran das Kundenstimmen Programm der meisten
Unternehmen scheitert.




[00:11:34] Selbst die größten Unternehmen übersehen das im
Kundenstimmen Programm.




[00:12:55] Das ist notwendig, um alle im Unternehmen von
Kundenzentriertheit zu überzeugen.




[00:15:17] Die Ursache für den Verlust der Kundenstimme. 




[00:17:15] Niemand beantwortet diese Fragen jeden Tag




[00:20:35] Durch diese Umstellung von 0,6% auf 20% Rücklauf bei
der Kundenbefragung.




[00:22:17] Hier steckt der wirkliche Wert in Kundenstimmen
Programmen




[00:23:16] Die 5 menschlichen Treiber der
Mitarbeiterzufriedenheit




[00:27:50] Die Durchschnitts-"Lebensdauer" der Agenten in diesem
Contact Center beträgt 30 Jahre. 




[00:29:36] Wie falsch eingesetzte KPIs zu unzufriedenen Kunden
und Mitarbeitern führen.




[00:36:07] Der erste Schritt um den ROX eines Contact Centers zu
messen.




[00:37:20] Dieser Wert des Contact Centers, wird meistens
ignoriert.






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TRANSKRIPT


 



Stefan Kolle: Unfug KPIs, wie Average Handling
Time. Ich weiß, die Hälfte der Zuhörer fällt jetzt vom Stuhl, ich
sehe immer noch, dass alle Berater sagen: "Average Handling Time,
das ist etwas, worauf wir zielen müssen." Nein, sorry, das ist
überhaupt nichts, worauf wir zielen müssen. Average Handling Time
macht alle unglücklich.






Michael Kästner: Mein Name ist Michael Kästner.
Ich hoste den Podcast für die DuMont Process GmbH, einem Call-
und Contact Center aus Berlin-Mitte, das verschiedene Projekte im
Customer Service und Vertrieb im In- Und Outbound abbildet. Wir
helfen Unternehmen, die Customer Experience zu verbessern, indem
wir die Qualität im Kundenservice überprüfen,
Verbesserungsvorschläge machen, Softwarelösungen entwickeln und
Weiterbildungen für Mitarbeiter anbieten oder den kompletten
Kundenservice als Outsourcing-Dienstleister übernehmen. In
unserem Podcast "Better Call Service" helfen wir Unternehmern und
Customer Service Führungskräften dabei, den Kundenservice zu
verbessern, damit Kunden länger bleiben und zu loyalen Fans
werden, um so den Customer Lifetime Value zu erhöhen. In 20- bis
30-minütigen Interviews lernst du die besten Denkweisen,
Strategien, Taktiken und Tipps von erfolgreichen Costumer Service
Führungskräften und wie du sie in deinem Unternehmen anwendest.






Michael Kästner: Was ist notwendig, um aus einem
Contact Center als Kostenfaktor ein Wertschöpfungszentrum für
deine Kunden zu machen? Und warum ist die Antwort auf diese
Frage, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen? Um das zu
besprechen, habe ich heute Stefan Kolle zu Gast. Ich bin auf ihn
durch sein Whitepaper zu genau diesem Thema aufmerksam geworden.
Mehr dazu, was Stefan macht, erfährst du gleich persönlich von
ihm. Los geht's.






Michael Kästner: Herzlich willkommen, Stefan.
Schön, dass du heute da bist.






Stefan Kolle: Ja, danke für die Einladung,
Michael. Freut mich sehr.






Michael Kästner: Wunderbar. Vielleicht stellst
du dich einmal kurz vor, wer du bist, was du machst und wie du zu
dem gekommen bist, was du aktuell machst.






Stefan Kolle: Mein Name Stefan Kolle, ich bin
einer der Gründer und jetzt der CEO von Futurelab. Wir sind seit
inzwischen 17 Jahren dabei, Firmen zu den Themen Kundenstrategie,
Customer Experience und Costumer Centricity zu beraten. Ganz
wichtig ist dabei, dass wir zugleich den Bereich Kundenstimme
(Voice of Customer) selber bearbeiten, also wir machen auch
selber die Kundenbefragungen. Wir sind dazu gekommen, weil wir
eigentlich schon vor vielen Jahren festgestellt haben: Wenn man
als Firma so gewinnbringend wie möglich unterwegs sein will, wenn
man seine Kunden effektiv und effizient behandeln will, auch im
Marketing und in der Produktentwicklung, dann muss man einfach
kundenorientiert sein. Den Kunden in die Mitte zu stellen, ist
die beste Art, langfristiges Wachstum für eine Firma zu
organisieren. So einfach ist es. Da gibt es inzwischen tausende
von Beweisen. Wir waren recht früh dabei und haben dadurch auch
für viele große Firmen international tolle Projekte machen
können. Zum Beispiel ein NPS Rollout in 54 Ländern für Toyota.
Wir haben für Volkswagen viel gemacht, für Mercedes und für
Vodafone in vielen Ländern. Und so habe ich im Laufe der Jahre
gelernt, was Best Practice und was Worst Practice ist. Auf meinen
Folien stelle ich mich immer vor mit einer Bandage um meinen
Kopf, denn ich habe mir oft genug den Kopf gestoßen. Ich glaube,
dass man auch aus den Worst Practices bzw. den Fehlern, die man
macht, oft viel mehr lernt als aus den Best Practices und den
wunderschönen Cases. Das ist auch etwas, was ich gerne mache:
Diese Geschichten, diese Anekdoten, diese Erfahrungen zu teilen.
Deswegen freut es mich auch, dass wir heute dieses Gespräch haben
können.






Michael Kästner: Wunderbar, da habe ich ja genau
den Richtigen eingeladen, um darüber zu sprechen. Heute sprechen
wir einmal darüber, wie wir die Sichtweise ändern, um das Contact
Center von einem Kosten-Center wirklich zu einem Costumer
Value-Center zu entwickeln. Dort gibt es die Schwierigkeit, dass
auf der einen Seite die Kosten im Kundenservice niedrig gehalten
werden sollen und auf der anderen Seite eine immer bessere
Qualität abgeliefert werden soll. Die Kunden sollen zufriedener
sein, wie von dir bereits angesprochen, weil den Unternehmen
bewusst wird, dass es immer wichtiger ist, den Kunden in den
Mittelpunkt zu stellen. Du hast da eine ganz tolle These
aufgestellt: Es geht nicht nur darum, den Kunden in den
Mittelpunkt zu stellen, sondern den Menschen in den Mittelpunkt
zu stellen. Möchtest du einmal kurz erklären, was du damit genau
meinst?






Stefan Kolle: Ja, eigentlich ist es eine
unglaubliche Plattitüde: Wir sind alle Menschen. Aber das wird
leider so oft vergessen. Wenn wir versuchen, Effektivität oder
Effizienz zu verbessern, dann denken wir in KPIs, dann denken wir
in Prozessen, während unter dem allen Menschen sind. Menschen,
die miteinander Probleme lösen. Diese Menschen sind Agenten und
diese Menschen sind Kunden. In dem Moment, wo wir das vergessen
und uns nur auf diese KPIs richten, das kann ich sowieso noch
ganz groß ausweiten, aber wenn wir nur in KPIs denken, dann
vergessen wir das, was die Agenten gut macht. Agenten wollen den
Kunden etwas Gutes tun, sie wollen den Kunden helfen. Dafür
müssen wir aber verstehen: Was bewegt den Kunden wirklich? Was
ist emotional und rational wichtig für den Kunden? Aber auch: Was
ist emotional und rational wichtig für die Mitarbeiter? Ein ganz
einfaches Beispiel, das wir immer wieder geben und auch in der
Praxis gesehen haben: Wenn die Prozesse so sind, dass die Kunden
schon zu Gesprächsbeginn unzufrieden sind, z.B. weil sie zu lange
in der Warteschleife gehangen haben oder weil sie fünfmal erneut
haben anrufen müssen und der Agent nimmt diesen Anruf entgegen
und wird angemotzt, wenn das einmal, zweimal, dreimal, viermal,
fünfmal passiert, wird auch der beste Agent der Welt beim
sechsten Anruf, wo er wieder angemotzt wird, zurückmotzen, weil
er irgendwann auch die Schnauze voll hat. So einfach ist es
eigentlich. Wie können wir verhindern, dass die Agenten sich auf
dem menschlichen Niveau sich nicht gut fühlen und keine Chance
bekommen, das zu tun, was sie gerne machen wollen und worin sie
gut sind? Und wie können wir auf der anderen Seite dafür sorgen,
dass die Kunden als Menschen verstanden werden und nicht einfach
nur als Störfaktor in irgendeinem Prozess?






Michael Kästner: Das heißt, es ist wirklich ein
Teufelskreis, der ineinander spielt. Wenn erst einmal
unzufriedene Kunden da sind, führt es zu unzufriedenen
Mitarbeitern und unzufriedene, meckernde Mitarbeiter machen die
Kunden natürlich auch nicht zufriedener, sondern da steigert sich
der Kunde natürlich noch mehr rein und wird noch unzufriedener.






Stefan Kolle: Diesen Teufelskreis wollen wir
umdrehen in einen positiven, ich weiß nie, was das Wort dafür
ist: Ein positiver Teufelskreis. Wenn wir ein gutes Customer
Experience Programm haben, führt das zu glücklicheren Kunden,
aber es führt auch zu glücklicheren Mitarbeitern. Wir brauchen
glückliche Mitarbeiter, um imstande zu sein, eine gute Customer
Experience zu machen. Aber andersherum auch: Wenn wir glückliche
Kunden haben, weil sie nicht von anderen, außerhalb des Contact
Centers angesiedelten, Prozessen unglücklich gemacht werden,
führt das auch zu glücklichen Mitarbeitern. Die zwei zahlen immer
wieder aufeinander ein und das bringt im Endeffekt den ROE -
Return on Experience, weil wir loyalere, zufriedenere und dadurch
länger bleibende und mehr Geld bei uns lassende Kunden haben.
Aber auch, weil wir glücklichere Mitarbeiter haben, die weniger
schnell abwandern und die auch viel produktiver sind, wenn sie
glücklich sind. Wir brauchen weniger Recruitment und weniger
Ausbildung, das ist der Punkt: Es geht um diesen holistischen
Blick und das ist eigentlich mein Steckenpferd, worauf ich immer
wieder aus verschiedenen Perspektiven zurückkomme. Während die
meisten Contact Center sehr Silo-mäßig angesehen werden und nur
als Kostenposten, sind sie, wenn sie richtig eingesetzt werden,
unglaubliche Gewinnbringer.






Michael Kästner: Da gehen wir jetzt noch tiefer
rein, wie wir das konkret umsetzen können. Du hattest ja ganz am
Anfang schon das Voice of Customer-Programm angesprochen. Dazu
möchte ich kurz fragen: Warum ist es wichtig? Du setzt es auch
selber mit deinem Unternehmen um und du hattest auch geschrieben,
dass viele Unternehmen unglücklich sind mit ihrem Voice of
Costumer Programm. Was kann man da besser machen? Welche Fehler
siehst du immer wieder und wie macht ihr das besser?






Stefan Kolle: Im Endeffekt geht es ja darum, zu
verstehen, was für die Kunden wichtig oder unwichtig ist. Wenn
wir das richtig angehen wollen, dann brauchen wir diesen
holistischen, diesen ganzheitlichen Ansatzpunkt. Denn: Oft sind
das NPS-Programm oder andere Metriken, die dabei eingesetzt
werden, entweder nur ein Alibi: "Oh schau mal, wir haben auch ein
NPS-Programm", oder der Fokus geht ausschließlich auf die Zahl.
"Wir haben einen NPS von 20, nächstes Jahr müssen wir bei 25
sein", ohne darauf zu achten, was wir eigentlich damit wollen.
Wir müssen uns ganz am Anfang eines Kundenstimmen-Programms immer
fragen: Warum machen wir das eigentlich? Was wollen wir managen?
Welche Erfolge wollen wir erzielen? Wenn wir das nicht richtig
beantworten, dann ist es nur eine lose Übung. Wir müssen uns
fragen: Was wollen wir managen? Wen müssen wir fragen, um das
managen zu können? Ist das der Kunde selber oder ist das ein
anderer Influencer? Sind es die Agenten, die wir vielleicht
befragen müssen über den Kunden? Das kann auch eine Antwort sein.
Wann fragen wir sie? An welchen Touchpoints? Wo in der
Wertschöpfungskette? Was fragen wir genau? NPS ist manchmal das
richtige Tool, das ist ein Schraubenzieher, aber manchmal
brauchen wir auch einen Hammer, dann müssen wir eine ganz andere
Frage stellen. Alle diese Elemente: Wollen wir Pop-ups auf der
Website? Wollen wir automatisierte Abfragen im Kontakt Center?
Schicken wir eine E-Mail? Das alles müssen wir gut durchdenken,
bevor wir anfangen. Aber das ist nur der erste Schritt. Dabei
geht es darum, ob wir richtige Informationen, Insights aus diesem
Prozess bekommen. Wenn wir diese Insights haben, müssen wir dafür
sorgen, dass die Organisation auch etwas damit macht. Das ist
schon der erste Punkt, wo es bei den meisten Firmen schiefgeht.
Wir sind gerade mit einem der größten Supermarktketten weltweit
im Gespräch, die genau das machen: "Ja, wir haben ein NPS,
wunderbar. Das ist ein IT-Prozess, NPS wird abgefragt, wir können
das abhaken, aber wir machen gar nichts damit." Und irgendwann,
nach ein paar Jahren, sagt jemand: "Ja, wir zahlen dafür
Millionen, und was bekommen wir da raus? Gar nichts. Wenn wir es
richtig machen würden, wäre der nächste Schritt, denn jetzt
nutzen wir das Gelernte aus diesem Kundenstimmen-Projekt für eine
tatsächliche Verbesserung der Kundenerfahrung und für eine
Änderung von Prozessen, auch zu schauen, was ist nicht wichtig
für die Kunden. Und deswegen können wir das abschaffen." Das wird
oft völlig übersehen, wenn wir die Kundenstimmen abholen, dass
wir auch lernen, was nicht wichtig ist für die Kunden, wir
lernen, welche Prozesse nicht gut laufen und wir lernen, was
richtig gut läuft, was wir also behalten müssen. Wenn wir die
Organisationen dazu bringen können, dass sie Aktionen ableiten
aus diesen Insights, dann kommen wir auf den nächsten Punkt: Was
bringt das der Organisation? Was ist der Business Case? Können
wir den ROI oder den ROX - Return on Experience berechnen? Das
müssen wir machen, um den Rest der Organisation zu überzeugen.
Denn das ist ein nächster großer Punkt, der immer wieder
zurückkommt, wenn wir mit Leuten reden: "Ja, ich glaube ja dran.
Aber wie überzeuge ich denn die anderen? Wie überzeuge ich meinen
Chef oder meine Kollegen oder meine Mitarbeiter, dass das alles
was bringt?" Wir müssen es halt knallhart beweisen, aber das kann
man ja. Man kann ja sehen, dass Kunden, die zufrieden sind, eher
bereit sind, uns zu empfehlen und dass diejenigen, die bereit
sind, uns zu empfehlen, im Schnitt einen höheren Umsatz machen
oder einen höheren Lifetime Value haben oder uns tatsächlich
empfehlen. Im Automotive-Bereich z.B. haben wir das häufig
gesehen, dass die zufriedenen Kunden für jedes Auto, welches sie
selber kaufen, auch einen Neukunden mitbringen. Das ist ein
unglaublicher Multiplikator des Kundenwertes. Wenn wir das jetzt
alles bewiesen und berechnet haben und auch unsere KPIs auf diese
Business Cases angepasst haben, dann können wir den Rest der
Organisation überzeugen und anfangen, Ambassadeure zu schaffen
und ein tolles internes Kommunikationsprogramm installieren, um
dafür zu sorgen, dass der Rest der Organisation auch will, kann
und darf. Das ist natürlich dann das das nächste Thema und da
stellt sich die Frage, wie man das erreicht. Aber das ist erstmal
dieser positive Kreis, Positive Feedback Loop nennen die
Amerikaner das, sozusagen der umgekehrte Teufelskreis. Das sorgt
dafür, dass wir die richtigen Sachen fragen und observieren, dass
wir Aktionen daraus ableiten, dass wir die Business Cases
beweisen und dass wir damit den Rest der Organisation überzeugen.
Wir haben ein kleines Gratis-Audit mit 25 Fragen, das können wir
den Zuhörern gerne zur Verfügung stellen. Es ist auf unserer
Website hinterlegt: Machen wir alles richtig? Holen wir alles aus
diesem Kundenstimmen-Programm, was wir können? Auch im Contact
Center ist das unglaublich wichtig. Soweit wir wissen, haben
immer noch etwa 40 Prozent der Contact Center überhaupt keine
Kundenstimmen-Funktion. Sie können überhaupt nicht feststellen,
welchen positiven Einfluss sie auf die Kunden haben und sie
können dem Rest des Unternehmens die Daten, die sie erheben, gar
nicht weiterleiten. Und die, die ein Kundenstimmen-Programm
haben, erheben einen NPS oder einen Customer Effort Score oder
ähnliches, aber sie leiten es häufig nicht weiter an den Rest der
Organisation. Das ist ja auch wieder ein Problem, dass viele
Contact Center etwas isoliert leben in der Gesamt-Organisation.






Michael Kästner: Ich fand jetzt besonders
interessant, dass du gesagt hast: Es geht darum, die richtigen
Fragen zu stellen, um die richtigen Informationen an den
richtigen Stellen herauszufinden. Welche Fehler siehst du dort
häufig? Der Klassiker ist ja, dass der Kunde nach jedem Kontakt
z.B. per Mail eine Information zugeschickt bekommt mit ein paar
Smilies, wo man danach fragt, ob der Kontakt dem Kunden gut
gefallen hat und daraus wird dann z.B. der CSAT berechnet. Was
sind für dich die effektivsten Maßnahmen, welche Maßnahmen
funktionieren besonders gut und welche Maßnahmen sollte man nicht
verwenden?






Stefan Kolle: Ich benutze im Augenblick ein
wunderbares Beispiel: Wir sitzen alle viel zu Hause und haben
angefangen, viel mehr online zu bestellen. Das heißt, auch bei
uns wird fast jeden Tag irgendetwas geliefert. Ich wohne in
Belgien und den größten Teil liefert bei uns die die belgische
Post. Es gibt auch DPD und DHL usw., aber bei uns werden ca. 80
Prozent der Pakete von der belgischen Post geliefert. Das heißt,
dass ich tatsächlich jeden Tag eine E-Mail bekomme: "Wir haben
gestern ein Päckchen geliefert. Würden Sie uns empfehlen auf
Basis dieser Lieferung?" Das ist eine völlig, entschuldigen Sie,
schwachsinnige Herangehensweise. Erstens, weil es täglich ist.
Das ist sowieso schon ein absolutes Verbot, niemand beantwortet
diese Frage jeden Tag. Dadurch habe ich überhaupt keinen Einblick
mehr in meine echten Rücklaufzahlen. Zweitens ist die Frage an
mich, ob ich die belgische Post auf Basis der Lieferung des
Päckchens empfehlen würde, eine unsinnige Frage. Da bin ich nicht
der, den man das fragen sollte. Das muss man den Logistikmanager
von Amazon fragen: "Würden Sie einem Logistiker-Kollegen die
belgische Post empfehlen?" Der zweite Klassiker, inzwischen wird
er viel gefragt, ist der Costumer Effort Score: "Wie einfach war
es, das zu tun, was Sie machen mussten?" Das wäre auch wieder die
falsche Frage an mich, denn für mich ist es ja einfach. Ich mache
einfach nur die Tür auf und da ist das Päckchen. Wunderbar. Das
ist also eine Frage z.B. an den Fulfillment Manager: "Sie haben
heute 12.000 Päckchen abgeliefert. Wie einfach war das?" In
dieser Situation könnte eine relevante Frage an mich sein: "Haben
wir Ihre Erwartungen erfüllt?" Und da sage ich: "Ja. Ihr hattet
versprochen, dass ihr zwischen 12 und 1 Uhr liefert und um 5 nach
1 war das Päckchen da. Das ist schon okay. Das Päckchen war nicht
kaputt und war nicht schmutzig. Ja, ihr habt meine Erwartungen
erfüllt, ich bin zufrieden. Das ist dann auch wieder ein
Lernmoment, wo erstens die belgische Post für sich selber lernen
kann, wenn ich z.B. ein negatives Feedback gebe: "Ihr seid immer
zu spät. Ihr gebt mir falsche Zeit-Voraussagen.", "Okay, dann
müssen wir den Prozess anpassen und dafür sorgen, dass wir eine
bessere Zeitansage machen." Aber sie kann dieses Ergebnis auch
weiterleiten an ihre Kunden, an Amazon oder wer auch immer etwas
liefert. Das ist einfach mal eine Illustration, wie wichtig es
ist, die richtige Frage zum richtigen Moment an die richtige
Person zu stellen. Und zum NPS. Ich liebe NPS und wir waren die
ersten, die für NPS große Implementationen in Europa gemacht
haben, aber es ist ein Schraubenzieher und manchmal brauche ich
etwas anderes. Wenn ich keine Schraube zum Eindrehen habe,
brauche ich ein anderes Werkzeug. In diesem Fall ist die
NPS-Frage völlig irrelevant. Was die Post mich einmal im Jahr
fragen kann, ist: "Würden Sie als Privatnutzer die Post als
Ganzes empfehlen und wenn ja, warum? Und wenn nicht, warum
nicht?" Aber das ist eine Frage, die ich einmal im Jahr stelle.
An individuellen Touchpoints muss ich ganz andere Fragen stellen,
aber zugleich muss ich, wie du auch schon sagst, nicht nach jedem
Touchpoint die Frage stellen. Wir haben als Basisregel:
Touchpoint-Befragung vielleicht alle drei Monate. Wenn ich zu oft
frage, führt das zu einem Rückgang der Rückläufe und damit fällt
mein ganzes Programm ins Wasser. Mal ganz doof gesagt: Irgendwann
komme ich dahin, dass nur noch die Leute, die zu viel Zeit haben
oder zu viel Meinung haben, mir Feedback geben. Wir hatten das
bei einem unserer Automotive Kunden, die hatten nur noch 0,6
Prozent Rücklauf auf ihre Umfrage, weil das eine Umfrage mit 30
Fragen war. "Ja, aber mit diesen 30 Fragen bekommen wir doch viel
tiefere Einblicke in das, was die Kunden wichtig finden." Nein,
das bekommst du gar nicht, weil diese 0,6 Prozent, die noch
bereit sind, diese 30 Fragen zu beantworten, einer ganz
spezifische Nischengruppe angehören, die zu viel Zeit hat und die
bereit ist, diese Zeit hierfür aufzuwenden. Als wir dann
umgestiegen sind, in diesem Fall in erster Instanz auf einen NPS
für eine Erstbefragung, der NPS ist halt ganz kurz: "Würden Sie
uns empfehlen? Warum? Was können wir besser machen?", nur diese
drei Fragen, sind wir auf 20 Prozent Rücklauf gekommen. Einfach
nur als Illustration, wie wichtig es ist, richtig zu verstehen:
Was will ich erreichen und wie kann ich da die richtigen Fragen
stellen?






Michael Kästner: Und wir Menschen sind ja auch
so, wie man es auch bei Werbung erlebt: Wenn man irgendetwas
wiederholt sieht, blendet das Gehirn es einfach irgendwann aus.
Man drückt auf Löschen, bevor man sich das überhaupt durchgelesen
hat. 






Stefan Kolle: Gerade in Contact Centern sehen
wir häufig, dass am Ende gesagt wird: "Bleiben Sie noch kurz dran
für eine Befragung." Und dann wird nur eine Zahl abgefragt,
eventuell kommt noch die Frage: "Können Sie sagen, welche dieser
5 Elemente für Sie am wichtigsten sind?" Während es in einem
Kundenstimmen-Progamm offene Kommentare gibt, wo wirklich Wert
dahinter ist, denn da erzählt der Kunde. Wir sehen immer wieder,
dass Firmen denken, selbst zu wissen, was für Kunden wichtig ist.
Aber wenn wir den Kunden die Möglichkeit geben, offenes Feedback
zu geben, kommt etwas ganz anderes dabei raus. Einfach nur die
Zahlen abzufragen, ist fast schlimmer, als gar nichts zu fragen.






Michael Kästner: Da möchte ich zu den
Mitarbeitern übergehen, zu der Employer Experience. Das ist ja
der zweite Mensch abseits vom Kunden, der sich in unserem Gefüge
befindet und über den wir sprechen müssen. Da ist meine Frage:
Welche Bedürfnisse haben denn die Mitarbeiter? Wie verbessere ich
mein Mitarbeiter-Erlebnis, indem ich weiß, was den Mitarbeitern
überhaupt wichtig ist? Gibt es da Zahlen oder Fakten, wo du
sagst, dass man darauf besonders achten muss, was den
Mitarbeitern besonders wichtig ist?






Stefan Kolle: Also erstmal gibt es den berühmten
Spruch von Richard Branson: Nicht der Kunde kommt zuerst, sondern
der Mitarbeiter. Kümmern Sie sich um Ihre Mitarbeiter, dann
kümmern die sich um Ihre Kunden. So einfach ist es zum Teil
wirklich. Agenten sind fast wie richtige Menschen. Ich weiß, das
kommt als große Überraschung für viele Contact Center Manager.
Die finden Sachen wichtig, die sie selber auch wichtig finden.
Sie sind einfach ganz normale Menschen. Natürlich, Lohn- und
Arbeitsplatzsicherheit sind für viele der wichtigste Punkt, es
gibt dazu einen schönen Research von McKinsey. 15 Prozent sagt:
Das Wichtigste ist Lohn- und Arbeitsplatzsicherheit. Aber fünf
andere Kernthemen sind rein menschliche Faktoren: Kann ich mich
entwickeln? Habe ich Aufstiegsmöglichkeiten? Was ist mit der
Mission oder dem Inhalt, den ich mache? Das ist Punkt 3 und
darauf werde ich gleich nochmal zurückkommen. Und dann: Sind
meine Kollegen und ich eine Gemeinschaft? Habe ich da Freunde?
Dann ist auch noch ganz wichtig: Wie viel Stress bringt mir das
Ganze? Es gibt noch einige andere, ganz klassische Punkte: Die
Vorteile, die Büros, ist mein Vorgesetzter nett zu mir usw., aber
das sind Sachen, die wir etwas weniger steuern können. Aber diese
Top 5 Treiber der Zufriedenheit der Mitarbeiter, das ist ja ganz
normal. Z.B. Mission und Inhalt: Jetzt kommen wir wieder auf
genau den Punkt zurück, den wir schon angesprochen haben. Wenn
wir den Mitarbeitern KPIs mitgeben, wovon sie wissen, dass es zu
einer schlechten Costumer Experience führt, werden davon auch die
Mitarbeiter unglücklich. Niemand steht ja morgens auf und sagt:
"Ich freue mich darauf, heute wieder alle Kunden unglücklich zu
machen." Niemand. Es sollte so sein, dass man morgens aufsteht
und zur Arbeit geht mit dem Gefühl: "Ich liefere heute meinen
kleinen Beitrag, um die Welt wieder ein bisschen besser zu machen
oder die Firma besser zu machen oder es für mich selber besser zu
machen." Aber irgendetwas muss besser werden. Wenn wir eine
Umgebung schaffen, wo nur auf Akkord gearbeitet wird: Wo Unfug
KPIs wie Average Handling Time. Ich weiß, die Hälfte der Zuhörer
fällt jetzt vom Stuhl, ich sehe immer noch, dass alle Berater
sagen: "Average Handling Time, das ist etwas, worauf wir zielen
müssen." Nein, sorry, das ist überhaupt nichts, worauf wir zielen
müssen. Average Handling Time macht alle unglücklich und es führt
auch dazu, dass Agenten unerwünschte Handlungen tätigen. Entweder
weil sie nicht motiviert sind und versuchen, trotzdem irgendwie
durch den Tag zu kommen, oder, ich weiß nicht ob das schlimmer
oder besser ist, weil gerade in den besseren Contact Centern oft
mindestens die Hälfte der Agenten motiviert sind. Die wollen
etwas Gutes machen für den Kunden und die bekommen ein gutes
Gefühl und eine Mitarbeiterzufriedenheit daraus, dass sie ihre
Mission, ihren Inhalt gut haben liefern können. Wenn wir also im
Umkehrschluss Agenten zwingen, etwas Schlechtes zu tun, werden
sie unglücklich. Wir müssen ihnen auch den Freiraum geben, um
eine Gemeinschaft zu bilden. Ich kenne ein wunderbares Beispiel
von einem Contact Center, ich weiß nicht, ob leider das richtige
Wort ist, aber sie wurden inzwischen von Amerikanern übernommen,
dort bin ich schon vor 10 Jahren immer wieder sehr bewundernd
herumgelaufen. Sie hatten die zufriedensten Agenten von ganz
Deutschland, glaube ich, und sie hatten auch nur einen Verlauf
von 3 Prozent. Die Durchschnitts-"Lebensdauer" der Agenten in
diesem Contact Center betrug 30 Jahre. Am Eingang lagen gelbe,
grüne und rote Bälle. Jeder Agent, wenn er morgens reinkam, wurde
gebeten: "Leg doch einen Ball, der angibt, wie gut du dich heute
fühlst, auf deinen Schreibtisch." Damit der Teamleiter sehen
kann, wie die Allgemeinstimmung ist. Und wenn es zu viele gelbe
oder, noch schlimmer, rote Bälle gab, hat er gesagt: "Stopp,
Timeout, kommt mal alle zusammen. Was ist los? Warum fühlt ihr
euch nicht gut?" Sie wussten: Wir können nur eine gute
Kundenerfahrung bieten, wenn die Agenten sich gut fühlen. Auch
wenn es dazugehört, dass wir vielleicht mal eine halbe Stunde
keine Telefonate machen, damit wir hier ein bisschen
"Gruppentherapie" machen können, ich sage das mit einem
Schmunzeln", dann muss das so sein. Dieses Contact Center hatte
immer die höchsten NPS-Werte für ihre Endkunden. Da gehörten
große Telekom-Anbieter und große Banken dazu.






Michael Kästner: Du hast ja vorhin unsere
Zuhörer vermutlich in Mark und Bein erschüttert, als du gesagt
hast, dass es kein sinnvoller KPI ist. Da müssen wir noch ganz
kurz erklären, warum es kein sinnvoller KPI ist. Du hast dazu ja
einen sehr guten Use Case, wo dieser KPI entfernt wurde. Ich
würde sehr gerne hören, wie sich das entwickelt hat, um das
nochmal genauer zu erklären.






Stefan Kolle: Es ging um die KPIs dieses
Automotive Contact Centers. Das erste, was wir gesehen haben, ist
der Klassiker: Average Handling Time dreieinhalb Minuten. Was
passiert in der Praxis? Es kommt ein Anruf, und was haben die
guten Agenten gemacht? Wenn ein Anruf kam, haben sie erst einmal
nach einer Sekunde wieder aufgelegt: "Hallo? Hallo? Hallo? Ich
höre nichts." Dann haben sie wieder aufgelegt, auch wenn sie
etwas gehört haben. Dadurch hatten sie dann für den nächsten
Anruf 7 Minuten Zeit, denn sie wussten, dass sie im Schnitt
sieben Minuten brauchten, um einen Kunden gut bedienen zu können.
Da sehen wir schon diese unbeabsichtigten Folgeerscheinungen,
dass Agenten eine Art Guerilla führen, um sich selber zu
ermöglichen, den Kunden gut zu behandeln. Das ist die erste
Schicht, dass KPIs oft eingestellt werden, ohne die Folgen zu
sehen. Im gleichen Contact Center war mit den besten Intentionen
festgelegt: Die Kundenbeschwerden sollten innerhalb von acht
Tagen abgewickelt sein. Wozu führt das? Die schlechten Agenten
sagen am siebten Tag: "Der Fall ist abgeschlossen." Der Kunde
erhält eine E-Mail: "Ihre Beschwerde ist erfolgreich
abgeschlossen", aber der Kunde sagt, dass das nicht stimmt und
kommt am nächsten Tag mit einer neuen Beschwerde. Jetzt ist es
eine neue Beschwerde und wir haben wieder 7 Tage. Das ist alles
ein Wildwuchs von KPIs, die im Laufe der Jahre entstanden sind,
die alle zu einer schlechten Erfahrung sowohl für Agenten als
auch für Kunden geführt haben. Wir haben dann mal einen Probelauf
gemacht, ein "Contact Lab", wo gesagt haben: "Wir setzen hier mal
sechs Agenten zusammen, die alle schon seit zehn Jahren dabei
sind und die wirklich ihr Metier verstehen. Wir geben ihnen
völligen Freiraum." Sie haben sich daraufhin eigentlich nur noch
auf einen KPI fokussiert, nämlich: First Contact Resolution. Denn
ein guter Agent, der seit zehn Jahren dabei ist, kann eine
Beschwerde oder eine Anfrage selber vollständig abwickeln. Das
erste Ergebnis war: Super zufriedene Kunden, super zufriedene
Mitarbeiter und die Average Handling Time ist von dreieinhalb
Minuten auf 35 Minuten raufgegangen. Schon wieder verschlucken
sich alle an ihrem Kaffee, auch da im Contact Center haben alle
sich an ihrem Kaffee verschluckt. Dann haben wir unseren kleinen
Trick gemacht, nämlich das holistische Angehen dieser Geschichte.
Zwar ist die Average Handling Time des ersten Telefonats von
dreieinhalb auf fünfunddreißig oder siebenunddreißig Minuten
gestiegen, aber es sind keine Handoffs mehr dabei, es musste kein
Backoffice eingesetzt werden für die Beantwortung von
Extra-Fragen usw. Die Total Handling Time einer Case für die
Organisation ist von über einer Stunde heruntergegangen auf
siebenunddreißig Minuten, und darum betone ich immer wieder
dieses holistische Nachdenken und das Finden von ganzheitlichen
Ansätzen. Es wird so oft übersehen, dass diese dreieinhalb
Minuten Average Handling Time zu vielleicht 30 Minuten in anderen
Bereichen der Organisation führen. Das war das große und
sensationelle Learning in dieser Organisation, dass wir, indem
wir den Agenten den vollen Freiraum geben, eine Handling Time
Reduction haben durchführen können. Das war das Ergebnis mit
diesen sechs, dann haben wir gesagt: "Gut, jetzt schauen wir uns
das mal für ein ganzes Land oder in erster Instanz für ein halbes
Land an, um den Vergleich machen zu können." Es gab weiterhin
gute Erfolge. Ich muss das auch qualifizieren, es hat sich dann
auch herausgestellt, dass diese Lösung für unerfahrene Agenten
oder für Agenten mit falschem Mindset nicht die ideale Lösung
ist, aber das kann man dann herausfinden, indem man diese
Agenten, die diesen extremen Freiraum gar nicht so angenehm
finden, in die Marketinganfragen-Abteilung versetzt und die, die
es mögen, in der Beschwerden-Behandlung belässt. Wir haben
wirklich gesehen, dass die Kundenzufriedenheit wie eine Rakete in
die Luft gestiegen ist, aber auch die Mitarbeiterzufriedenheit
hat sich verdoppelt oder verdreifacht, das ist hier nicht der
richtige Messwert hier, aber sie ist unglaublich gestiegen. Für
mich ist das eine wunderbare Case, wir müssen breiter schauen als
nur auf diesen einen KPI, denn er erzählt uns im Endeffekt gar
nichts. Die Average Handling Time als solches ist kein schlechter
KPI, es ist keine schlechte Metrik. Wir müssen sie aber im
gesamten Kontext sehen: Wozu führt das und warum führt es dazu?
Wenn die Average Handling Time hoch ist, weil unser
Computersystem schlecht ist und die Agenten nicht gut unterstützt
und sie für Fragen, wofür sie eigentlich nur eine Minute
bräuchten, dreieinhalb oder fünf Minuten brauchen, um die Antwort
zu finden, dann ist der KPI nicht schlecht. Es ist ein KPI, der
uns beibringt, dass wir woanders etwas ändern müssen. Insofern
will ich das wirklich qualifizieren, es gibt keine schlechten
KPIs, wahrscheinlich gibt es sie, aber jeden KPI kann man positiv
auswerten. Erstens Kontext, zweitens ganzheitlich, drittens
unerwartete Konsequenzen (unintended Consequences) sind Dinge,
worauf wir schauen müssen.






Michael Kästner: Ich möchte zu unserem letzten
Punkt gehen, dem Return on Experience. Wenn man diese Punkte
richtig umsetzt, man verändert seine Prozesse, man stellt den
Menschen in den Mittelpunkt, man geht das Voice of
Customer-Programm richtig an, was sind dann KPIs bzw.
Berechnungsmöglichkeiten für den Return on Experience? An welchen
Punkten kann man das wirklich messen?






Stefan Kolle: Ganz wichtig ist hierbei auch
wieder der holistische Ansatz, denn ein Teil des ROE, des ROX,
den das Contact Center schafft, landet ja sonst wo in der
Organisation. Zurück zum Automotive-Beispiel. Wir haben
feststellen können, dass die Kunden, die in diesem neuen Setup
gut behandelt wurden, eine 3 bis 4 Prozent höhere
Wiederkauf-Bereitschaft. Das heißt also, dass irgendwo ein
Autohändler ein Auto mehr verkauft, als er es sonst tun würde.
Aber dieser Gewinn, der ja enorm ist für eine solche
Organisation, wird dem Contact Center nicht zugerechnet. Also
Schritt eins ist, schon mal dafür zu sorgen, dass wir
identifizieren, wo denn die verschiedenen Elemente des ROX
herkommen. Ein anderes Beispiel: Für einen großen deutschen
Versicherer haben wir mal eine große Vergleichsstudie gemacht, wo
wir festgestellt haben, dass die Kunden, die irgendeine
Interaktion mit dem Kundenservice gehabt haben, einen um zwischen
20 und 30 Punkte höheren NPS hatten als die, die keinen Kontakt
mit dem Contact Center hatten. Also null Prozent gegen 25
Prozent, 28 Prozent, 31 Prozent. Diese Organisation glaubt, dass
der NPS ein guter KPI ist, um die allgemeinen Möglichkeiten zur
Kundengewinnung festzustellen. Das ist ja ein unglaubliches
Gütesiegel für das Contact Center: "Schaut mal her, einfach nur
dadurch, dass wir da sind, schaffen wir glückliche Kunden für
euch, die loyaler sind usw." Sogar ein Kunde, der eine Beschwerde
hat, ist im Nachhinein ein loyalerer Kunde als der, der nie eine
Beschwerde hatte, wenn die Beschwerde gut gelöst ist. Das ist
schon mal so ein Grundrauschen, was aber bei den meisten
Organisationen völlig ignoriert wird. Daneben schauen wir
einerseits: Was ist der Grundwert eines Kunden, der Customer
Lifetime Value? Wie oft kauft er? Was gibt er aus pro Stück? Wie
viele Jahre bleibt er bei uns Kunde? Das ist eine
Basisberechnung, die die meisten Organisationen ja schon mal
gemacht haben. Um bei Automotive zu bleiben. der
Durchschnittskunde kauft alle vier oder fünf Jahre ein Auto, das
liefert dem Hersteller 5000 Euro Gewinn und er bleibt 20 Jahre
Kunde. Damit haben wir einen Basiswert. Zweitens können wir z.B.
daraus mitnehmen, das berechnen wir gerne, denn das ist auch gar
nicht so schwierig (da kommt der NPS wieder): Wie viele Kunden
haben wir gewonnen oder verloren dadurch, dass wir sehr
zufriedene oder unzufriedene Kunden hatten? Im Automotive haben
wir gesehen, dass ich typischerweise für jedes Auto, welches ich
selber kaufe, einen anderen beeinflusse. Wenn ich einen
Volkswagen habe, beeinflusse ich alle vier Jahre eine andere
Person, indem ich sage, dass es ein super Auto ist. Oder ich bin
so unzufrieden und habe nur Kopfschmerzen gehabt mit diesem Auto,
dann gibt es auch eine andere Person, deren Kaufentscheidung
darauf basiert und das ist ein Multiplikator. So kann ich schon
wieder sehen: Ein unzufriedener Kunde kostet mich richtig Geld
und ein zufriedener Automotive-Kunde bringt mir vier Neukunden,
das ist Wahnsinn. Wenn ich Waschmittel verkaufe oder wenn ich
Mobilfunk verkaufe, sind das ganz andere Zahlen, aber wir haben
das z.B. für Vodafone mal in einigen Ländern feststellen können,
dass wir fast zwei Neukunden in einem Jahr verhindern oder
anwerben, weil es da eine ganz hohe Rotation gibt. Dann müssen
wir noch andere Elemente mit hineinnehmen. Wenn wir jetzt z.B.
über zufriedene Mitarbeiter reden, dann heißt das, dass die
Mitarbeitermoral besser ist, dass wir weniger Abwanderung haben,
dass wir weniger Recruitment- und Ausbildungskosten haben. Wir
können schauen auf Sachen wie Servicekosten und Effizienz. Wenn
wir wissen, was wichtig ist für unsere Kunden, können wir uns
viel besser fokussieren, auch manche Sachen nicht mehr zu machen.
Wir können uns auch fokussieren auf das, was wirklich wichtig
ist. Für jede Firma gibt es eine Menge verschiedener Hebel, ich
habe eine Folie vor mir, wo ich alles zusammengefasst habe, am
Beispiel Mobile Operator TelKo-Praxis, also Mitarbeiterkosten,
Krankheit, Verlauf, Rekrutierung, Ausbildung, Kosten,
Servicekosten. Wir haben für Vodafone Irland mal berechnet, dass
der durchschnittliche zufriedene Kunde Servicekosten von vier
Euro im Jahr generiert. Der durchschnittliche unzufriedene Kunde
kostet dreizehn Euro pro Jahr. Wenn die Grundzufriedenheit nicht
da ist, rufe ich viel schneller an und beschwere mich. Bei den
Millionen von Kunden, die Vodafone hat, machen diese 9 Euro pro
Jahr einen riesigen Unterschied. Die Kundengewinnungskosten, die
Churn Reduction, die Möglichkeit, dem zufriedenen Kunden direkt
etwas zu verkaufen, Up- und Crossselling im Contact Center, und
so gibt es noch zehn verschiedene Hebel, die unterscheiden sich
natürlich je nach Branche, aber man kann da unglaublich viele
Faktoren in die Berechnung hinein nehmen. Da gibt es einen ganz
wichtigen Tipp, was wir auch immer zuerst einmal machen: Keep it
simple. Fang mal an mit den Zahlen, die du hast. Daraus kannst du
oft schon ein ganz gutes Modell bauen, statt zu versuchen, ein
perfektes Modell zu bauen, wo du dann hörst: "Die Zahlen haben
wir gar nicht zur Verfügung. Die können wir nicht rausfinden
usw." Fang an mit einem einfachen Modell mit den Zahlen, die du
hast, geh damit zur Finanzabteilung und sag: "Helft mir doch,
dieses Modell weiter auszuarbeiten."






Michael Kästner: Das ist, finde ich, ein sehr
guter Ansatz. Eins ist besser als null, das bringt einem generell
sehr viel in seinem Leben, also die Dinge erst einmal besser zu
machen, auch wenn man sie noch nicht perfekt machen kann und
darauf aufzubauen. Nachdem du jetzt diese ganzen Punkte
aufgeführt hast, in welchen Bereichen man seinen Return on
Experience überall messen kann, egal ob es die
Kundenzufriedenheit ist oder ob es die ganzen Effekte und
Zusammenhänge sind, die du eben aufgezählt hast, ist es
eigentlich ein Witz, dass man Contact Center oder generell den
Kundenkontakt als Kostenfaktor betrachtet. Das macht man ja nur,
weil man diesen ganzheitlichen Blick nicht hat. Das ist ja genau
die Sache, um das zusammenzufassen, die wir ändern müssen. Vielen
Dank, Stefan.






Stefan Kolle: Contact Center ist Cost Center ist
einer der bescheuertsten Sprüche, die es gibt.






Michael Kästner: Ich hoffe, dir hat unser
Podcast gefallen. Das Whitepaper mit vielen spannenden Zahlen,
Fakten und Beispielen sowie alles weitere zu Stefan findest du
auch unter futurelab-deutschland.de. Den Link findest du auch in
den Shownotes. Hinterlass uns gerne eine Bewertung, wenn dir der
Podcast gefallen hat, auf einem Streaming-Dienst deiner Wahl. Bis
zum nächsten Mal bei "Better Call Service".

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