Beschreibung

vor 12 Jahren
Um sich selbst und sein Leben zu gestalten, bedarf es der Askese im
antiken Sinne des Wortes - die Übung, mit deren Hilfe der Mensch
sich und sein eigenes Leben gestaltet. Der in der ethischen Debatte
weithin vernachlässigte ethisch-philosophische Grundbegriff der
Askese, oder der selbstpraktischen Einübung von Handlungs- und
Verhaltensweisen, wird in der vorliegenden Arbeit ins Auge gefaßt.
Anhand zweier Philosophien wie sie unterschiedlicher kaum sein
könnten, wird der Begriff und die Praxis der Askese systematisch
untersucht und zur Darstellung gebracht. Die beiden herangezogenen
Philosophien sind die praktische Philosophie des Aristoteles in den
Ethiken und der Politik, sowie Michel Foucaults Vorlesungen, die er
am Collège de France seit 1972 gehalten hat, unter Hinzuziehung
einiger seiner Schriften, in denen Askese und Selbstgestaltung des
»sujet moral« eine zentrale Rolle spielen. Einleitend werden
Begriff, hauptsächliche Spielarten und Bestandteile der Askese
eingeführt und unterschieden. Es geht um die Askese der auf sich
selbst achtenden Zuwendung des Subjekts zur Welt und um Ausbildung
einer Möglichkeit, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und zu
gestalten - im Unterschied zum gängigen Bild der Askese als
Verneinung, Enthaltung und Abkehr. Dabei werden sowohl bei
Aristoteles als auch Foucault fünf Thesen über Askese erarbeitet
und festgehalten: (1) Askese ist nicht lustverneinend, sondern als
ein Weg zur Freude und Lust an der persönlichen Lebensführung zu
verstehen. (2) Dennoch ist Askese kein Selbstzweck, sondern immer
Mittel zum Zweck, da sie nur eine Wegbreitung zu adoptierten Zielen
und Gütern zu befestigen vermag, aber diese nicht ersetzt. (3)
Askese ist keine Technik, wofür sie oft gehalten wird, sondern
wesentlich Praxis, denn sie hat es mit Übungen zu tun, die durch
ihre Wirkung auf den Übenden selbst gekennzeichnet sind. (4) Auch
wird der Asket bei beiden Philosophen in der Gemeinschaft verortet.
Wer sich asketisch formt, bedarf der anderen: zur Verständigung
über das Gute, um am anderen tätig zu werden sowie als Spiegel
seiner selbst. Denn beiden Denkern ist gemein, daß es keinen
epistemologischen Zugang zur praktischen Wahrheit gibt, der einmal
erkannt und verstanden, wahrhaft gutes Handeln garantieren könne.
(5) Entsprechend ist keine Askese möglich ohne fortwährend
reflektierte, begleitende Selbstbeobachtung und -korrektur und
verlangt steuernde Aufmerksamkeit und klare Vernunft. Deshalb hat
sie sowohl bei Aristoteles als auch bei Foucault mit Freiheit zu
tun und erhöht, wenn sie gelingt, entscheidend das Freiheitsmoment
persönlichen Handelns. Asketisch gestaltet sich der Mensch als
Urheber seiner Handlungs- und Seinsweise, seiner Lebensweise.

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