Nutzerkomfort

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Modellansatz 198
1 Stunde 5 Minuten
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Beschreibung

vor 5 Jahren

Gudrun unterhält sich in dieser Episode mit Marcel Schweiker.
Marcel arbeitet in der KIT-Fakultät für Architektur im Fachgebiet
Bauphysik & Technischer Ausbau. Die Gruppe schlägt in ihren
Themen Brücken zum Bauingenieurwesen, dem Maschinenbau und der
Psychologie. Sie interessieren sich für Lösungen im Neubau und
Bestand, die langfristig hohen Nutzungskomfort mit niedriger
Umwelt- und Ressourcenbelastung verbinden.


Marcel hat Architektur in Kassel studiert und sich dabei mehr und
mehr für die Rolle des Menschen im umbauten Raum interessiert.
Deshalb hat er das Architekturstudium durch ein Ergänzungsstudium
Technik-, Wirkungs- und Innovationsmanagement abgerundet.
Parallel hat er noch ein Zusatzstudium Energie und Umwelt
absolviert und ist zertifizierter Gebäudeenergieberater. Im
Anschluss hat er sich für eine Promotion in Japan entschieden. An
der Tokyo City University (Laboratory for Built Environmental
Research) wurde er 2010 in Umweltinformationswissenschaften
promoviert. Seitdem ist er am KIT tätig und hat sich inzwischen
auch hier habilitiert.


Ein schönes Anschauungsobjekt für die Themen des Gespräches ist
das 2015 bezogene Kollegiengebäude Mathematik. Der erste Sommer
im Haus begann nämlich schon mit dem Einzug im April 2015. Damals
hatte man sich erhofft, mit den nötigen Beschattungsmaßnahmen für
das Atrium noch etwas Zeit zu haben und das Gebäude bezogen,
obwohl die Technik noch nicht funktionierte. In mehreren
Schritten sind inzwischen die geplanten Maßnahmen für die Lüftung
und Beschattung des Gebäudes im Wesentlichen in Betrieb gegangen
und zeigen sich als durchaus geeignet, einen Komfort auch im
Sommer zu ermöglichen.


Trotzdem hat an dem sehr sonnigen Februartag des Gespräches, die
niedrig stehende Sonne das Büro sehr aufgeheizt. Im Sommer sorgt
die Regelung der Außenbeschattung rechtzeitig für Verdunklung -
im Winter hätte Gudrun selbst vor der Mittagspause für
Beschattung sorgen müssen, um das zu vermeiden. Schon sind Marcel
und Gudrun mitten im Gespräch über das für und wider von
Kontrolle durch zentrale Modelle oder durch die Personen im Raum.


Ein Forschungsergebnis ist dass, die empfundene Kontrolle sich
auf das thermische Empfinden der Personen auswirkt. Ob man ein
Fenster prinzipiell öffnen kann oder nicht hat Einfluss auf
thermische Zufriedenheit. Solche Experimente werden z.B. im
Raumklimateststand LOBSTER der Arbeitsgruppe durchgeführt. Dort
werden experimentelle Studien durchgeführt, während derer die
Studienteilnehmer*innen unter unterschiedlichen Temperatur- und
Lichtbedingungen arbeiten. Es werden dabei auch physiologische
Reaktionen des Körpers gemessen. Der Teststand hat eine etwa
10mx10m große Grundfläche und enthält zwei Büroräume. Es ist eine
Temperaturregelung über alle Wände (inkl. Decke und Boden)
möglich. So ist es auch möglich, Bedingungen außerhalb der Norm
zu untersuchen.


Man weiß, dass sich der menschliche Körper an warme Temperaturen
anpassen kann. Überhaupt ist die Wahrnehmung der Temperatur
relativ und nicht absolut. Meist unbemerkt wird die
Körperkerntemperatur durch Veränderung des Blutflusses vom
Körperkern zur Peripherie des Körpers konstant gehalten. Zusammen
mit Physiologen und Psychologen hat Marcel eine Metastudie
abgeschlossen, welche Einflussgrößen zu individuellen
Unterschieden in der Temperaturwahrnehmung führen. Ein Aspekt war
hierbei auch, inwieweit sich das Wärmeempfinden von Frauen und
Männern unterscheidet. Frauen tendieren zwar dazu sich etwas
kühler zu fühlen, aber in einem Bereich von etwa 75% zeigen
Frauen und Männern keinen großen Unterschied.


Die Untersuchungen der Arbeitsgruppe können helfen, auch ohne
aktive Kühlung Gebäude thermisch komfortabel zu gestalten. Auch
für die Zukunft, wenn die Temperaturen in Deutschland weiter
steigen werden. Prinzipiell sind Großraumbüros zwar schwierig für
alle Nutzer gleichzeitig komfortabel thermisch zu beherrschen,
gleichzeitig wird untersucht, inwieweit neueste Technik es
ermöglicht eine lokale Steuerung der Temperaturen über die Stühle
oder Luftauslässe am Schreibtisch zu realisieren, um den
individuellen Bedürfnissen von Personen gerecht zu werden.


In den Modellen, die Marcel und seine Kolleginnen benutzen,
werden Gleichungen für Blutfluss vom Körperkern zur Peripherie
benutzt. Außerdem wird sowohl die Strahlungswärme als auch die
Konvektion vom Körper betrachtet. Sie werden in
Computerprogrammen gelöst, die typischerweise auch
Rückwirkungsschleifen enthalten. Zusätzlich braucht es
statistische Modelle, die helfen, die experimentellen Daten zu
ordnen und zu interpretieren.


In naher Zukunft soll auch die Kopplung von thermischen,
akustischen und visuellen Anteilen an der Gesamtzufriedenheit
gleichzeitig betrachtet werden können.


Literatur und weiterführende Informationen

M. Schweiker e.a.: Drivers of diversity in human thermal
perception – A review for holistic comfort models Temperature,
1–35, 2018. doi:10.1080/23328940.2018.1534490

M. Schweiker e.a.: comf: Functions for Thermal Comfort
Research Programme, 2017.

M. Schweiker & A. Wagner: The effect of occupancy on
perceived control, neutral temperature, and behavioral patterns
Energy and buildings 117, 246-259, 2016. doi:
10.1016/j.enbuild.2015.10.051

M. Schweiker & A. Wagner: A framework for an adaptive
thermal heat balance model (ATHB) Building and environment 94,
252-262, 2015. doi: 10.1016/j.buildenv.2015.08.018



Podcasts

M. Rösler, G. Thäter: Raumklima, Gespräch im Modellansatz
Podcast, Folge 143, Fakultät für Mathematik, Karlsruher Institut
für Technologie (KIT), 2017.

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