Etablierung und Validierung eines Tiermodells für Hämophilie-assoziierten Gelenkschmerz

Etablierung und Validierung eines Tiermodells für Hämophilie-assoziierten Gelenkschmerz

Beschreibung

vor 13 Jahren
Die Hämophilie stellt die häufigste, schwerwiegende hereditäre
Hämostasestörung bei Mensch und Tier dar. In Zeiten moderner
Therapiemöglichkeiten in der Humanmedizin, in denen
lebensbedrohliche Blutungskomplikationen an Bedeutung verlieren und
die Lebenserwartung stark ansteigt, rücken die sekundären
klinischen Komplikationen in den Vordergrund. Trotz Substitution
der fehlenden Gerinnungsfaktoren können spontane Blutungen, die am
häufigsten in synovialen Gelenken auftreten, nicht vollständig
verhindert werden. Daher stellen degenerative Gelenkveränderungen,
die sich infolge wiederholter intraartikulärer Blutungen entwickeln
können, die häufigste Morbiditätsursache bei Menschen mit
Hämophilie dar. Wie andere degenerative Arthropathien bringt auch
die sogenannte hämophile Arthropathie (HA) Schmerzen und
Bewegungseinschränkungen mit sich, die zu einer Beeinträchtigung
der Lebensqualität führen können. Aber nicht nur chronische
Schmerzen, sondern auch akute Schmerzen, die im Rahmen einer akuten
intraartikulären Blutung auftreten, spielen eine große Rolle im
Leben eines Hämophilen. Trotz dieser enormen Bedeutung von
Gelenkschmerzen ist dieser Aspekt bisher nur wenig wissenschaftlich
untersucht worden. Etablierte in vivo-Modelle beschränken sich in
erster Linie auf die Untersuchung entzündlicher und degenerativer
Gelenkveränderungen. Ziel dieser Arbeit war es daher, den Einfluss
von intraartikulärem Blut auf das schmerz-assoziierte Verhalten zu
untersuchen. Hierfür wurde das bereits etablierte Modell der
intraartikulären autologen Vollblut-Injektion ins Kniegelenk der
Ratte zugrunde gelegt und die injizierten Tiere hinsichtlich des
schmerz-assoziierten sowie des motorischen Verhaltens untersucht.
Zudem erfolgte am Versuchsende eine histopathologische Befundung
der Kniegelenke. Als Kontrolle dienten Ratten, denen ein
äquivalentes Volumen physiologischer Kochsalzlösung intraartikulär
injiziert wurde. Um der HA des Menschen sehr nahekommende
Veränderungen hervorzurufen, erfolgte die intraartikuläre
Blut-Injektion mehrmals hintereinander. Zur Abgrenzung dieser
Ergebnisse von einmaligen Blutungsereignissen, wie sie auch bei
nicht-hämophilen Menschen im Zuge eines Traumas vorkommen können,
erfolgten auch einmalige Vollblut-Injektionen. Des Weiteren wurde
der intraartikuläre Effekt einzelner Blutbestandteile untersucht.
Im Zuge der wiederholten autologen Vollblut-Injektion konnten am
Versuchstier Veränderungen des schmerz-assoziierten Verhaltens
beobachtet werden, die der klinischen Manifestation von
Gelenkblutungen beim Hämophilen ähneln. Hervorzuheben sind hierbei
die Ausbildung einer primären Hyperalgesie, das Auftreten von
Lahmheiten sowie die Entwicklung von klinischen
Entzündungsanzeichen an der injizierten Extremität. Eine einmalige
Injektion führte dagegen zu keinen signifikanten Veränderungen bei
diesen Untersuchungsparametern. Die mehrmalige Injektion von
Vollblut hatte sowohl auf das schmerz-assoziierte Verhalten als
auch auf die histopathologischen Befunde den deutlichsten Effekt.
Blutplasma und zelluläre Blutbestandteile waren in ihrer
Teilwirkung quantitativ ähnlich, erreichten aber einzeln den Effekt
von Vollblut nicht, sondern zeigten etwa halbmaximale Effekte.
Offensichtlich sind beide Bestandteile in Vollblut an deren
Pathogenese wesentlich beteiligt. Mit dem Versuchsschema der
mehrmaligen, intraartikulären autologen Vollblut-Injektion an der
Ratte ist es gelungen, erstmalig ein Tiermodell für den
Gelenkschmerz bei Hämophilie zu etablieren, das auch der Erprobung
neuer Therapieansätze dienen könnte. Zudem können die Ergebnisse
dieser Arbeit sowie nachfolgender Arbeiten an diesem Modell
möglicherweise einen Beitrag zur weiteren Aufklärung der
Pathogenese der HA liefern. Die bisher gewonnenen Erkenntnisse
beruhen in erster Linie auf in ihrer Aussage sehr eingeschränkten
in vitro-Studien.

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