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Episoden
15.03.2024
26 Minuten
Nicole Kamrath – Betreiberin des «Mehlstübchens»
Die Berliner sind stolz auf ihre Schrippe, dabei waren es wohl
die Hugenotten, die einst das helle Mehl aus Frankreich in die
Stadt brachten. Bis dahin gab es in Berlin nur dunkles Brot.
Lange her: Im «Mehlstübchen» in der Schöneberger Leberstraße ist
die Auswahl an Mehlsorten enorm – vom klassischen Weizen- über
spezielles Brioche- bis hin zu exotischem Teffmehl aus Äthiopien.
Seit 18 Jahren betreibt Nicole Kamrath als Quereinsteigerin die
einzige Mehlmanufaktur Berlins, die zudem frische Backwaren in
Angebot hat.
Nicole Kamrath verspricht ihren Kunden sortenreines
Qualitätsmehl, das von ausgewählten Mühlen vorrangig aus
Deutschland stammt. Das steigende Bewusstsein für gutes Essen
nimmt auch sie wahr: «Man merkt, die Kunden backen immer mehr
selbst.» Während früher meist die Ein-Kilo-Tüten über den Tresen
gingen, würden inzwischen oft größere Mengen gekauft. Wobei das
kein Vergleich zur Pandemiezeit ist, als plötzlich alle ihren
Laden stürmen. Ihre Lieblingstätigkeit im «Mehlstübchen»: das
Mixen der Backmischungen. «Mehl stellt nicht so viele Fragen wie
die Kunden», sagt Nicole Kamrath und muss lachen.
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Zur Person: Die Jobsuche führt Nicole
Kamrath (geboren 1984 in Rostock) Mitte der 2000er nach Berlin.
Da sie als ausgebildete Zahntechnikerin jedoch keine Stelle
findet, eröffnet sie 2006 auf Anraten eines Bekannten das
«Mehlstübchen» in Schöneberg. Das Wissen über Mehl und Backen
eignet sie sich erst mit der Zeit an. Die Lage des Ladens hat sie
wohl gewählt: Die Bushaltestelle vor der Tür sorgt für
Laufkundschaft. Und: Auch wenn sie meist das Rad benutzt, ist sie
mit dem Bus rasch zu Hause, in der Wohnsiedlung Lindenhof.
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Aufgezeichnet am 17. Februar 2024
im «Mehlstübchen», Berlin-Schöneberg
Interview & Redaktion: Daniel Godeck
Ton & Postproduktion: Remo Hegglin
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14.12.2023
19 Minuten
Juliane Kohrs – Restaurantmanagerin im Bundestag
Das Reichstagsgebäude zählt zu Berlins bekanntesten Bauwerken und
ist Sitz des Deutschen Bundestags. An diesem besonderen Ort
arbeitet auch Juliane Kohrs. Nicht als Volksvertreterin, sondern
als Restaurantmanagerin: Die gebürtige Norddeutsche sorgt für
Feinkost Käfer etwa dafür, dass das öffentlich zugängliche
Dachgartenrestaurant sowie die Abgeordnetenlokalitäten
reibungslos laufen. Sie und ihr Team achten zudem darauf, dass
die Politiker im Fraktionssaal nicht verhungern. Diese wünschten
dabei oft «das Banale», sagt sie, eine Brezel oder eine
Bockwurst.
Obwohl Juliane Kohrs seit fast zwei Jahrzehnten im Hohen Haus
arbeitet, ist sie unverändert von der Örtlichkeit fasziniert –
besonders, wenn Michelle Obama zu Buletten oder der britische
König Charles zum Tee vorbeischauen. Gleichzeitig sind die
Sicherheitsanforderungen gestiegen: Ein Besuch im Restaurant auf
dem Dach ist nur mit vorheriger Anmeldung aller Gäste möglich.
Ferner erzählt sie, wie Pandemie und Inflation auch bei ihnen
Spuren hinterlassen hätten. Auch wenn sie nah am politischen
Betrieb ist, tauschen will sie mit den Abgeordneten nicht: Das
wäre ihr «viel zu trocken», sagt sie. Lieber sei sie für die
Gäste da.
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Zur Person: Juliane Kohrs (geboren 1977 in
Stade) lebt seit 2001 in Berlin. Nach der Ausbildung zur Hotel-
und Restaurantmanagerin im Schweizer Wallis und im Hotel Adlon
ist sie seit 2004 für das bayerische Feinkost-Unternehmen Käfer
tätig. Als stellvertretende Geschäftsführerin in der Hauptstadt
ist sie unter anderem für den Betrieb des Dachgartenrestaurants
im Reichstagsgebäude sowie das Catering der Abgeordneten,
Mitarbeiter und Gäste zuständig. Sie wohnt auch im
Regierungsviertel.
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Aufgezeichnet am 5. Dezember 2023
auf der Dachterrasse des Reichstagsgebäudes
Interview & Redaktion: Daniel Godeck
Ton & Postproduktion: Remo Hegglin
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26.02.2023
28 Minuten
Heidi Zander – Rentnerin aus Schöneberg
Von Marlene Dietrich bis Willy Brandt: Berlin hat viele berühmte
Töchter und Söhne hervorgebracht. Dabei sind es oft die weniger
bekannten Menschen, die was über die Stadt erzählen
können – und charakteristisch für sie sind. So wie
Heidi Zander. Seit fast 60 Jahren wohnt die Rentnerin auf der
Roten Insel in Schöneberg. Dabei war früher mitnichten alles
besser. Aber «irgendwie gemütlicher», wie sie sagt. Mit typischer
Berliner Schnauze weiß sie manche Anekdote zu berichten, zum
Beispiel von einem Kuhstall mitten in der Stadt.
Berlins wechselvolle Geschichte hat Heidi Zander unmittelbar
erlebt. Als 1961 die Mauer gebaut wird und der Vater nachts die
ganze Familie weckt: «Die mauern uns ein!» Oder als wegen des
Kennedy-Attentats die Kinovorstellung abrupt endet und alle zum
Schöneberger Rathaus ziehen. Auch mit der Teilung wird sie und
ihre Familie unmittelbar konfrontiert: Als sie auf einer
DDR-Raststätte einer Familie aus dem Osten begegnen. Den bis
heute rasanten Wandel der Stadt überfordert auch Heidi Zander
bisweilen. Dennoch lebt sie unverändert gerne hier. «Ich möchte
auch nirgendwo anders hin», sagt die Berlinerin von nebenan.
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Zur Person: Heidemarie «Heidi» Zander (geboren
1944 in Ostpreußen) ist schon fast ihr ganzes Leben lang in
Berlin zu Hause. Aufgewachsen in Wilmersdorf, wohnt sie seit
Mitte der 1960er-Jahre in der selben Wohnung auf der Roten Insel
in Berlin-Schöneberg. In den 1970ern fährt sie, die beiden Kinder
auf dem Rücksitz, dort Zeitungen aus, wo Schöneberg auf Kreuzberg
trifft. Früh verwitwet, arbeitet sie später lange als Erzieherin
in einer Neuköllner Kita.
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Aufgezeichnet am 10. Februar 2023 in Berlin-Schöneberg
Interview & Redaktion: Daniel Godeck Ton &
Postproduktion: Remo Hegglin
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06.12.2022
30 Minuten
Olaf Ihlefeldt – Leiter des Südwestkirchhofs
Stahnsdorf
Mehr als 200 Friedhöfe hat Berlin – doch keiner bringt so viele
Besonderheiten mit wie der Südwestkirchhof Stahnsdorf. Außerhalb
der Stadtgrenzen gelegen, ist er einer der größten Friedhöfe
weltweit. Spaziert man über das weitläufige Areal, wird schnell
spürbar: Das ist kein Ort der Schwere; die vielen Bäume und
Sichtachsen sowie Brunnen und Orte zum Verweilen erinnern eher an
einen Stadtpark oder Märchenwald. «Ein Garten der Toten», wie
Olaf Ihlefeldt sagt. Seit mehr als drei Jahrzehnten ist er Leiter
des Friedhofs.
Ihlefeldt hat der Südwestkirchhof derart eingenommen, dass er
viel dafür tut, Menschen an diesem «Kulturgut der Metropole
Berlins» teilhaben zu lassen. Als Dolmetscher des Friedhofs. Sei
es durch Führungen, die er ehrenamtlich gibt. Oder durch Konzerte
in der Friedhofskapelle und andere kulturelle Aktivitäten, die er
und der Förderverein organisieren. Um zu zeigen, dass nicht
allein Tod und Trauer auf einem Friedhof präsent sein müssen.
Überhaupt ist es ihm ein Anliegen, weniger verkrampft mit dem
Thema Tod umzugehen. Bei einem Glas Wein an den Gräbern sitzen,
um Erinnerungen über die Verstorbenen auszutauschen – warum denn
nicht?, sagt Olaf Ihlefeldt.
Zur Person: Olaf Ihlefeldt (geboren 1967 in
Potsdam) ist seit 1991 hauptamtlicher Leiter des Südwestkirchhofs
Stahnsdorf. Nach der Gärtnerausbildung im Park Sanssouci kommt er
1989 auf den Friedhof und wird schließlich dessen Leiter – damals
der jüngste Deutschlands. Neben klassischen
Friedhofsangelegenheiten gehören auch besondere Höhepunkte zu
seinem Job: Wie 2004, als er die Queen persönlich auf dem
Friedhof begrüßte. Auch Filmteams muss er anleiten, wenn diese
auf dem Südwestkirchhof drehen, wie unlängst für die
Netflix-Serie Dark.
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Aufnahmedatum: 26. November 2022
Aufnahmeort: Stahnsdorf Interview &
Redaktion: Daniel Godeck Ton & Postproduktion: Remo
Hegglin
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Über diesen Podcast
«Hinjehört!» [hinjehört: berlinerisch für hingehört] ist eine
Sammlung von Porträts. Im Zentrum stehen unterschiedliche Menschen,
die eines verbindet: Sie gehören zu Berlin. Weil sie die Stadt auf
ihre Weise bereichern – durch das, was sie tun oder das, was sie
sind. Der Podcast «Hinjehört!» ist eine Auskoppelung der
gleichnamigen Videoplattform (www.hinjehört.berlin bzw.
https://xn--hinjehrt-s4a.berlin). Ein Projekt von Daniel Godeck
& Remo Hegglin.
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