Echt oder inszeniert?

Promi-Podcasts: Zwischen Alltag, Herzschmerz und Glamour

16. Sep 2025 , aktualisiert: 17. Sep 2025

Promi-Podcasts fühlen sich an wie Gespräche unter Freunden, doch häufig steckt nur ein gutes Drehbuch dahinter. Zwischen Alltagsgeschichten und Glamour verschwimmen die Grenzen von Realem und Inszeniertem. Warum hören wir trotzdem zu?

Bild: George Milton via pexels.com
Promi-Podcasts: Zwischen Alltag, Herzschmerz und Glamour

Promi-Podcasts – die hohe Kunst, sich selbst zum Unterhaltungsprogramm zu machen und über alles zu quatschen, was sonst die Boulevardpresse füllt. Nur halt 'authentisch' – so zumindest die Behauptung. Sind es Bill und Tom Kaulitz, die über mal relevante, mal irrelevante Geschichten aus ihrem Leben plaudern oder Anna Maria und Anis ‘Bushido‘ Ferchichi, die aus ihrem Schlafzimmer in Dubai Einblicke in ihren Familienalltag geben: Eins haben sie gemeinsam – Promis, die versuchen ganz nahbar zu wirken. Fast so, als würden sie nur zufällig mit einer Tasse Kaffee vor Mikrofonen sitzen.

Doch wie glaubwürdig sind diese Gespräche wirklich? Mal ehrlich, Authentizität fängt da an, wo Promis unverblümt ihre Meinung sagen, ohne Rücksicht auf ihr Image. Ein exemplarischer Promi-Podcast, der solche unverblümten Unterhaltungen eher nicht mitbringt, ist Im Bett mit Anna-Maria und Anis Ferchichi – Der Bushido Podcast. Dieser zeigt das oft emotionale, aber auch kontroverse Eheleben des Paares. Trotzdem wirkt der Podcast gleichzeitig auch so, als ob die Inhalte vom Paar selbst kontrolliert und moderiert werden.

Die wenigsten Promis verlassen ernsthaft ihre Komfortzone. Der Podcast Die Pochers: Frisch recycelt mit Oliver Pocher und Sandy Meyer-Wölden präsentiert sich nach außen als glückliche Patchwork-Familie, lässt aber Verletzlichkeit und Tabubrüche oft nur punktuell zu – wenn überhaupt. Doch genau darin liegt das Erfolgskonzept der Promi-Podcasts: ein perfekt gewürztes Menü der kleinen Tabubrüche mit einer Extraportion sympathischer Selbstdarstellung.   

Promi-Podcasts: Echte Nähe oder cleveres Drehbuch?

Die Zahlen sprechen für sich: Promi-Podcasts wie Girls Girls von Nessi on Tour und Tanja Makaric erreichen Tausende von Hörern und verzeichnen allein auf Spotify rund 97.000 Abonnenten. Das ist kein Einzelfall, auch Kaulitz Hills - Senf aus Hollywood hat auf Spotify 667.000 Abonnenten. Warum sind Promi-Podcasts so erfolgreich? Weil wir alle gern in die verführerische Falle tappen: Promis, die uns scheinbar an ihrem Leben teilhaben lassen, die dieselben Probleme haben wie wir und dieselben Sorgen.

Girls Girls

Nessi, Tanja & arc.studio

Was hat Nessi on Tour über ihren Herzschmerz hinweg geholfen? Was steht im Leben von Bill die nächsten Tage alles an? Unser Verlangen nach Nähe ist unersättlich. Bekommt man doch sonst nur in den sozialen Medien kurze Einblicke in das Leben seiner Idole. Da liefern Podcasts genau den richtigen Rahmen: Sie wirken intim in einem angeblich 'ungefilterten Raum'.

Tun wir mal nicht so, als wären Promi-Podcasts nicht in ähnlichem Maße gescriptet wie die Reels, Storys und Beiträge auf Instagram & Co, wenn der PR-Berater im Hintergrund bereits den nächsten 'Lachanfall' abnickt. Denn hinter den meisten Accounts steckt stundenlanges Planen, ein großes Social-Media-Team und eine genaue Analyse der Zielgruppe. Schließlich sollen die Follower mit den Beiträgen interagieren und interessiert am Leben des Promis teilhaben. Bei ihren Podcasts ist das nicht anders.

Kaulitz Hills - Senf aus Hollywood

Promis berichten in ihren Podcasts von Alltagsproblemen und Glamourwelten

Ein weiterer Faktor sind psychologische Mechanismen, wie parasoziale Kontakte. Wir fühlen uns den 'Stars' verbunden, so als wären sie unsere guten Freunde, während sie in Wahrheit aber nicht mal wissen, dass wir überhaupt existieren. Hinzu kommen Unterhaltung, 'Glaubwürdigkeit', der charmante Plauderton und die uns bekannte Stimme, die vergessen lassen, dass eigentlich ein Spotify- oder Podimo-Deal hinter dem Podcast steckt. Marketing-Experten bezeichnen Kaulitz Hills – Senf aus Hollywood als besonders gelungenes Beispiel für die Verschmelzung von Unterhaltung und PR in einem 'authentischen' Format.

Die Nähe zwischen den Kaulitz-Brüdern und dem Publikum entsteht durch einen 'ungeschminkten Umgangston' und 'private Anekdoten'. Wir identifizieren uns mit Bill und Tom Kaulitz durch kleine, teils bizarre Gemeinsamkeiten – sei es der ganz normale Alltagswahnsinn oder der Umgang mit Herzschmerz. Sie lassen uns vergessen, dass wir uns eigentlich in einer anderen Welt bewegen. Und genau hier liegt der Reiz: In der Illusion, Teil ihres Lebens zu sein, während wir doch in Wahrheit nur zuhören dürfen. So entsteht zwischen Glitzerwelt und Alltag eine scheinbare Nähe, die sich echt anfühlt, auch wenn sie im Kern nur eine Inszenierung bleibt.

Aufstieg, Absturz, Abstellgleis – nicht jeder Promi-Podcast wird zu Gold

Doch nicht jeder Promi kann diese Balance halten. Und nicht jeder Promi-Podcast bleibt. Wer zu aufgesetzt klingt, beißt schneller ins Gras, als man 'Folge 2' sagen kann. Viele verschwinden schnell in der Podcast-Grauzone – zu gestellt, zu glatt, zu langweilig.

Die große Kunst besteht darin, die Selbstvermarktung mit einem echten Erlebnis zu koppeln und nicht alle Kanten glattzubügeln. Sinan G zeigt das mit gutem Beispiel in seinem Podcast Machtwort. Der Rapper beleuchtet klare, ungeschönte Positionen zwischen Kultur, Politik und Entertainment, anstatt auf ein poliertes Image zu achten.

MACHTWORT – von Sinan G

Die Magie der ungeschönten Momente

Am Ende ist ein Promi-Podcast wie eine gute Prise schwarzer Humor: Je mehr Wahrheit im Witz steckt, desto besser fühlt es sich an – auch, wenn es manchmal unangenehm ist. Aber lieber einen bissigen, manchmal auch schlechten Joke zu viel, als ein 08/15-Lächeln, dass Fake in die Menge strahlt.

Promi-Podcasts sind nicht einfach nur Unterhaltung, sondern geben auch einen Blick in das Privatleben unserer Idole. Vor dem Mikro sitzt indes ein Promi, der gerade versucht, seine Interessen als Person des öffentlichen Lebens mit denen seiner Privatperson zu jonglieren. Genau deshalb hören wir ihnen zu: Weil wir hoffen, dass hinter dem perfekten Schein doch ein echter Mensch steckt. Oder wenigstens eine gute Story.

Von Ayse Schoch


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