Faszination an Urbex, Lost Places und Modern Ruins
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Beschreibung
vor 7 Monaten
Wenn du das erste Mal einen Lost Place betrittst, spürst du
sofort diese eigenartige Mischung aus Spannung, Ehrfurcht und
leiser Melancholie. Es ist nicht nur das Spiel aus Licht und
Schatten, das durch zerbrochene Fenster auf bröckelnde Wände
fällt. Es ist mehr als nur der Reiz des Unerlaubten oder der
Nervenkitzel, etwas zu entdecken, das längst aus dem Alltag
verschwunden ist. Du begibst dich auf eine Reise durch die Zeit –
ganz ohne Zeitmaschine.
Der wahre Reiz an Urban Exploration liegt in der Verbindung
zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Du trittst ein in Räume,
die einst voller Leben waren, in denen gearbeitet, geliebt,
gestritten und geträumt wurde. Jetzt stehen sie leer, doch sie
sprechen immer noch. In ihrer Stille flüstern sie Geschichten –
wenn du genau hinsiehst, erzählen dir die abblätternde Farbe, die
vergessenen Gegenstände und die seltsame Ordnung des Chaos etwas
über die Menschen, die einst dort lebten oder arbeiteten.
Gerade in einer Zeit, in der unsere Städte sich rasant verändern,
spürst du beim Betreten eines „modern ruin“ auch die Widersprüche
unserer Gegenwart. Viele dieser Orte wurden nicht alt auf
natürliche Weise, sie wurden aufgegeben, aussortiert, weil sie im
wirtschaftlichen System keinen Platz mehr hatten.
Einkaufszentren, Krankenhäuser, Bürokomplexe – alles, was nicht
mehr profitabel ist, wird zurückgelassen wie ein altes Spielzeug.
Diese Ruinen erzählen also nicht nur von Vergangenheit, sondern
auch von unserer Gegenwart – und von unserer Zukunft. Wenn du mit
der Kamera durch eine leere Mall gehst, filmst du nicht nur einen
Ort, sondern dokumentierst auch den Wandel unserer Gesellschaft.
Urbex wird so zu einem politischen Akt, auch wenn du es
vielleicht nicht bewusst als solchen beginnst. Gerade in einer
Ära, in der „Nachhaltigkeit“ das Wort der Stunde ist, offenbaren
Lost Places ein düsteres Gegenbild: die Verschwendung, das
Wegwerfen, das Vergessen.
Als Fotograf:in oder Filmemacher:in findest du in diesen
verlassenen Orten eine fast schon übernatürliche Ästhetik. Das
Licht, das durch undichte Dächer bricht, der Staub, der wie Nebel
in der Luft steht, der Kontrast zwischen menschlichen Spuren und
der Rückeroberung durch die Natur – all das erschafft Bilder, die
in ihrer Rohheit kraftvoller sind als jede inszenierte Szenerie.
Mit der Kamera kannst du das Sichtbare festhalten, aber auch das
Unsichtbare andeuten. Du kannst mit Blickwinkeln spielen, mit
Tiefenschärfe und Unschärfe, mit der Dramaturgie von Farbe und
Licht. Und du kannst in deinen Aufnahmen das Schweigen sichtbar
machen, das diese Orte umgibt. Vielleicht beginnst du irgendwann,
bewusst mit Sound zu arbeiten – das Knarren einer Tür, das
Knirschen unter den Füßen, der ferne Ruf eines Vogels, der sich
in einer leeren Halle verirrt hat.
Heute hast du ganz neue Möglichkeiten, die Faszination dieser
Orte zu zeigen. Mit Drohnen kannst du neue Perspektiven
erschließen, mit 360°-Kameras immersive Erfahrungen ermöglichen.
Du kannst in deinen Videos Geschichten erzählen, die weit über
das reine Abbild des Verlassenen hinausgehen. Denk zum Beispiel
an ein Kurzfilmprojekt, das nicht nur dokumentiert, sondern auch
fiktive Elemente einwebt – ein Tagebuchfund, eine urbane Legende,
ein Schatten an der Wand, der sich bewegt.
Social Media hat Urbex verändert, das lässt sich nicht leugnen.
Instagram, YouTube, TikTok – all diese Plattformen haben aus der
einst geheimen Welt der Urban Explorer eine öffentliche Bühne
gemacht. Das ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits ermöglicht
es dir, Gleichgesinnte zu finden, deine Arbeiten zu zeigen,
vielleicht sogar ein Publikum aufzubauen. Andererseits steigt der
Druck, den perfekten Shot zu machen, den Ort „als Erster“ zu
zeigen, der nächste virale Clip zu sein. Und gleichzeitig wächst
die Gefahr, dass solche Orte beschädigt, geplündert oder einfach
überrannt werden.
Deshalb ist es umso wichtiger, dass du dich immer wieder daran
erinnerst, warum du das tust.
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