Wir Philosophen aus der Rippe Evas

Wir Philosophen aus der Rippe Evas

Oft wird über Onfray debattiert, ob er neuerdings mehr links oder mehr rechts reagiere. Der Philosoph liegt quer zu diesem Schematismus.
44 Minuten
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Beschreibung

vor 9 Monaten
200 Jahre nach Beginn der Französischen Revolution erschien 1989
das erste Werk des streit lustigsten der Philosophen Frankreichs:
MICHEL ONFRAY, DER BAUCH DER PHILOSOPHEN. Schlag auf Schlag folgten
jährlich weitere Publikationen. Alle kommen sie aus dem subversiven
Denken, das sich aus der KYNISCHEN VERNUNFT des Diogenes herleitet.
Militant operiert Onfray gegen alles Religiöse. Ein „Tribun des
Volkes für das Projekt der Aufklärung“. Dieses Projekt führt keine
Historie auf, sondern versteht sich als Angriffswaffe im 21.
Jahrhundert. Inzwischen hat der Arbeitersohn aus der Normandie, der
durch viele Examen durchfiel, eine eigene Volksuniversität in Caen
eröffnet. Onfray empört z. B. die Behauptung der Bibel, die
wissensdurstige Eva sei aus der Rippe Adams entstanden. Er dreht
das um: wir, die Philosophen, stammen aus der Rippe Evas: aufgrund
von deren Wagemut, „wage dich, deines eigenen Verstandes zu
bedienen und esse vom Baum der Erkenntnis“. In solcher Weise liest
er in religiösen Überlieferungen unbefangen wie in Texten von
Tacitus. Mit großer Aufmerksamkeit und mit definitivem Unglauben.
Sein neuestes Buch „Den Islam denken“ beruht auf präziser Lektüre
des Koran. Das Bild ist differenzierter als üblich. Die Debatte hat
Onfray erneut auf alle Titelseiten der französischen Presse
gebracht. Militant und rücksichtslos geht er gegen den Schematismus
der öffentlichen Meinung und der „political correctness“ vor, die
„Texte der wirklichen Verhältnisse“ wie die Attentate in Paris und
Brüssel nur zudeckt und nicht erklärt. Eine Nachricht, sagt er, hat
eine Lebenszeit von 72 Stunden. Eine gründliche politische
Erfahrung, und damit eine Frage an den Philosophen, braucht gut 100
Jahre, um stabil zu sein. Oft wird über Onfray debattiert, ob er
neuerdings mehr links oder mehr rechts reagiere. Der Philosoph
liegt quer zu diesem Schematismus. Auf die Frage, mit wem er sich
in der Französischen Revolution am meisten identifiziere, antwortet
er: mit der Mörderin des Marat, Charlotte Corday, im Moment, in dem
sie umgebracht wird. Seiner philosophischen Herkunft nach nennt
Onfray sich einen Schüler Nietzsches. Eine seiner dichtesten
Parabeln aber stammt von Arthur Schopenhauer: DIE ZWEI SIBIRISCHEN
STACHELSCHWEINE. Draußen ist es extrem kalt, die Kälte treibt uns
menschliche Stachelschweine eng zueinander. Wir haben Stacheln. Das
treibt uns wieder auseinander. So ist Balance zwischen zu nah und
zu weit weg und kein Entweder/Oder das Gebot der Stunde. Begegnung
mit Michel Onfray in Paris.

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