
Leitsätze sind Bullshit – warum Organisationen stattdessen Geschichten brauchen
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vor 1 Monat
„Fairness“, „Integrität“, „Nachhaltigkeit“ – große Worte, die
heute in beinahe jedem Leitbild prangen. Ob Unternehmen, Behörden
oder politische Parteien: Fast jede Organisation formuliert
Leitsätze, die ihre Werte und Ziele definieren sollen. Doch was
auf dem Papier beeindruckt, erweist sich in der Praxis oft als
blosse Fassade. In der aktuellen Folge meines Podcasts „Der
stoische Pirat“ spreche ich über die Sinnkrise moderner Leitsätze
– und eine mögliche Alternative.
Der Ursprung meiner Überlegungen liegt in einem
Leadership-Seminar. Ich fragte rund 60 Lehrpersonen: „Kennen Sie
die Leitsätze Ihrer Schule?“ Schweigen. Niemand konnte sie nennen
– bis der Direktor selbst einsprang. Kein Wunder: Er hatte sie
geschrieben. Doch was bringen Leitsätze, die niemand kennt,
geschweige denn lebt?
Viele Begriffe in Leitbildern sind so vage, dass sie auf alles –
und nichts – anwendbar sind. Was bedeutet „Fairness“? Für
Philosophen wie Rawls oder Nozick bedeutet sie völlig
Unterschiedliches. „Respekt“ kann ebenso heissen, andere
Meinungen zuzulassen – oder sie zu unterdrücken. Ohne konkrete
Handlungsanweisungen bleiben solche Begriffe hohl.
Auch in der Politik erleben wir Floskeln in Reinkultur. Wenn etwa
ein Innenpolitiker von einem „ganzheitlichen Ansatz zur Ordnung
von Zuwanderung“ spricht, bleibt unklar, was genau damit gemeint
ist. Solche Formulierungen wirken zwar kompetent – sie sagen aber
nichts aus.
Statt Leitsätzen braucht es Klarheit und Konsequenz. Wer
„Integrität“ predigt, sollte auch sagen: „Wir entlassen
Mitarbeitende, die gegen Compliance-Regeln verstossen.“ Wer
„Fairness“ will, legt Gehaltsstrukturen offen. Nur durch
Konkretheit entsteht Verbindlichkeit.
Oder man geht einen Schritt weiter: Man erzählt eine Geschichte.
Menschen erinnern sich an Geschichten, nicht an
PowerPoint-Floskeln. Die Fremdenlegion erinnert jährlich an die
Schlacht von Camarón – nicht an abstrakte Begriffe wie „Mut“ oder
„Ehre“. Starbucks entstand aus einer Reise nach Italien,
Patagonia aus der Frage, wie man Kletterhaken nachhaltiger machen
kann. Diese Ursprungs-Geschichten geben Orientierung – innen wie
aussen. Danny Brooks, ehemaliger Innovationschef bei Starbucks,
bringt es auf den Punkt: „Wenn jemand grossartige Statements
macht, hörst du weg. Wenn er eine Geschichte erzählt, hörst du
zu.“
Organisationen brauchen keine neuen Leitsätze. Sie brauchen eine
klare Geschichte – und den Mut, sie zu leben.
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