Beschreibung

vor 11 Monaten

Jedes Jahr, wenn die ersten Schneeflocken fallen,
passiert etwas Magisches: Die Menschen in Deutschland
verwandeln sich schlagartig in Experten für Wetterberichte,
Verkehrsrecht und die korrekte Verwendung von
Streusalz. Es ist
Streupflicht-Saison! Ein Wort, das klingt, als
würde es von einer strengen Tante im Beamtensprech persönlich
erfunden worden sein.


Die Streupflicht ist quasi die ungeschriebene Verfassung des
Winters – eine Mischung aus Bürgerpflicht und der stillen
Hoffnung, den Nachbarn mit der Schaufel zu beeindrucken. Du weißt
genau, dass die Nachbarschaft dich beobachtet: "Hat er schon
gestreut? Kommt er nochmal raus? Oder ist das ein
dieser Winterrebellen, die den Schnee
liegen lassen wie ein Künstler seine Leinwand?"


Und dann gibt es die Technik: Die einen werfen das Salz wie in
einer Kochshow, mit dramatischem Schwung, während andere es
millimetergenau verteilen, als wäre die Einfahrt eine frisch
eingeseifte Duschkabine. Natürlich darf man laut Gesetz nicht zu
viel Salz streuen – der Umwelt zuliebe. Ein Drama in drei Akten:
Zu wenig, und Oma Erna rutscht wie ein Curling-Stein ins
Blumenbeet. Zu viel, und du bekommst eine Mahnung vom Amt wegen
"Gefährdung des Grundwassers". Es ist ein schmaler Grat zwischen
„Bürgerpflicht erfüllt“ und „Klage wegen fahrlässiger Eisplatte“.


Richtig spannend wird’s bei der
Frage, wann du streuen musst. Ein
Klassiker: Du bist im Tiefschlaf, draußen hat's geschneit, und
plötzlich klirrt ein Geräusch durch die Straße. Es ist der
Streueimer des Frühaufstehers von nebenan. Er gibt dir
passiv-aggressiv zu verstehen, dass du deine Pflicht verpennt
hast. Du hechtest aus dem Bett, schlüpfst in deine Winterschuhe
(oder die Schlappen, wenn’s eilt), und raus geht’s in die
Eiseskälte, bewaffnet mit einer Schaufel und dem festen Glauben
an Karma.


Aber auch tagsüber gibt’s Herausforderungen. Was passiert, wenn
du gerade frisch gestreut hast – und dann schneit es wieder? Ist
das eine Art kosmischer Witz? Oder der Winter, der dich testet?
Deine Nachbarn jedenfalls bewerten deine Arbeit kritisch: „Ach,
hat der Herbert nur den Gehweg gestreut? Typisch. Bei uns gibt’s
ja noch die Einfahrt und die Straße.“


Dann sind da die kreativen Verweigerer. „Ich streu gar nicht, ich
hab Schilder aufgestellt: BETRETEN AUF EIGENE GEFAHR.“ Oder: „Ich
dachte, Sand reicht aus.“ Spoiler: Sand reicht nie aus. Er
schafft nur eine Illusion von Sicherheit – bis zum nächsten
Sturz.


Am Ende des Winters haben wir alle was gelernt: Streupflicht ist
nicht nur eine Aufgabe, sondern eine Lebenseinstellung. Sie
trennt die Profis von den Hobby-Eisbahn-Betreibern. Und wenn wir
ehrlich sind, verbindet sie uns auch: Nichts bringt eine
Nachbarschaft mehr ins Gespräch als die Frage, wer zuerst die
Streuwut verloren hat – und wer sich damit den ultimativen
Titel „Held des Gehwegs“ verdient hat.

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