Keine Geistergeschichte Lk 24,35-48

Keine Geistergeschichte Lk 24,35-48

5 Minuten

Beschreibung

vor 2 Wochen

„Ich glaube nicht mehr an Geistergeschichten!“, sagt Elisabeth
Turner in „Fluch der Karibik“, als im Mondschein Leben in die
Gerippe einer Gruppe toter Piraten kommt. „Ihr solltet aber an
Geistergeschichten glauben, Mrs Turner!“ antwortet der untote
Piratenfürst Barbossa. „Ihr seid mitten in einer drin!“


So kommt es den Jüngern bei der Begegnung mit dem Auferstandenen
vor. Als wären sie in eine Geistergeschichte geraten. Aber nicht
in eine erzählte, sondern in eine erlebte. Anders konnten sie
sich die Begegnung mit dem Auferstandenen nicht erklären.


Im Film klagt der Pirat Barbossa, dass er weder zu den Lebenden
noch zu den Toten gehöre, und weder an den Freuden des Lebens
noch am Frieden des Todes teilnehmen könne. Und zum Beweis
entkorkt er mit den Zähnen eine Weinflasche und trinkt daraus,
während der Wein durch das Gerippe auf den Boden plätschert.


Jesus bittet um etwas zu essen und isst vor den Augen der
Apostel. Er ist kein Geist. Er ist leiblich unter ihnen da.
Anders leiblich – verwandelt oder verklärt – wie ihn drei Apostel
einige Monate zuvor auf dem Berg gesehen haben. Er geht durch
Türen, aber der Fisch, den er isst, fällt nicht zu Boden. Er
durchdringt alles, aber nichts durchdringt ihn.


Es scheint fast, als sei der Auferstandene die wirklichere
Wirklichkeit, verglichen mit den Dingen, die ihn nicht länger
daran hindern können, bei den Jüngern zu sein.


Die Leiblichkeit des Auferstandenen ist das eine, was die
Evangelisten betonen. Aber es geht nicht nur um Leiblichkeit,
sondern um Selbigkeit. Um Identität.


Um die Identität eines Ausweisträgers mit dem im Dokument
Ausgewiesenen zu beweisen, stand bis in die 80ger Jahre hinein in
deutschen Reisepässen ein Angabenfeld „Besondere Kennzeichen“.
„Blinddarmnarbe“ hätte da bei mir stehen können. Das Feld war
aber leer.


Weil die Jünger den Auferstandenen nicht erkennen, weist er sich
aus. Sein Ausweis sind „besondere Kennzeichen“: die Wundmale an
Händen und Füßen.


Es sind Wunden, nicht Narben, die die Jünger sehen. Die Goldene
Legende (Legenda Aurea, 13. Jh) berichtet, wie sich dem Hl.
Martin von Tours eine herrliche Gestalt als der auferstandene
Christus ausgibt. Martin entlarvt den Betrug des Versuchers: „Ich
werde nicht glauben, Christus sei gekommen, außer ich sehe ihn in
der Gestalt, in der gelitten hat, und mit den Wundmalen seiner
Kreuzigung.“


Was sagt uns der Ausweis der Wunden?


Die Wunden sagen: „Ich bin es!“ Ich bin derselbe, der euch
gerufen, den ihr gehört, dem ihr geglaubt habt und dem ihr
nachgefolgt seid, der gegeißelt und gekreuzigt wurde, um den ihr
getrauert und den ihr aufgegeben habt.


Die Wunden sagen: „So seid ihr!“ Weil auch ihr Wunden tragt und
verletzt seid – offenbar oder verborgen. Und weil auch ihr Wunden
schlagt an Leibern und Seelen – offenbare und verborgene.


Die Wunden sagen: „So bin ich!“ Ich halte mein Wort, wie der
Vater sein Wort hält. Ich lebe euer Leben mit Euch und mache eure
Wunden zu meinen Wunden. Ich lasse mich nicht herauswerfen aus
der Welt. Ich bleibe – auch unter den Schlägen der Menschen – und
liebe euch durch den Tod hindurch.


Und die Wunden sagen: „So wird es sein!“ Der Himmel und die
Gemeinschaft mit Gott ist nicht die heile Alternative zur Welt,
sondern ihr Ziel. Alles soll einmal vor Gott kommen und dort
geheilt, versöhnt und vollendet werden.


Ihr braucht euch eurer Wunden nicht zu schämen, sagen uns die
Wunden des Auferstandenen. Sie sind eure Erkennungszeichen vor
ihm.


Vor ein paar Jahren habe ich nach Ostern im Libanon über diese
Stelle gepredigt. Um mich lauter schwerstbehinderte Menschen und
ihre Begleiter. Vor mir saß der zwölfjährige Toufik – den Kopf
voller frischer Wunden.


Und ich dachte: Die Auferstehung Jesu ist keine
Geistergeschichte. Die Wunden des Auferstandenen sind so real wie
die von Toufik. Und deren Heilung, Versöhnung und Vollendung
beginnt bereits da, wo wir die Wunden der Menschen berühren, die
Jesus zu seinen gemacht hat.


Fra’ Georg Lengerke

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