Freimaurerei als Kunst

Freimaurerei als Kunst

19 Minuten
Podcast
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Der Podcast für Brüder, Schwester und alle, die sich für Freimaurerei interessieren. Ausgewählte "Zeichnungen" (Impulsvorträge) von Freimaurern.

Beschreibung

vor 3 Jahren

Freimaurerei als Kunst


Eine Zeichnung von Alexander Walter


 


Freimaurerei ist vieles, kann einiges werden. Was immer sie ist,
hängt davon ab, welches ihrer Potentiale durch Taten verwirklicht
worden ist und wird. Freimaurerei ist, was wir Freimaurer daraus
machen und daraus gemacht haben. Dazu gehört unter anderem auch
die Kunst. Auf diesem Spaziergang will ich Sie einladen, die
„Königliche Kunst“ als eine eben solche zu betrachten. Aber auch
als die viel zitierte Lebenskunst, die wir gerne in ihr sehen.


Kunst ist ein Begriff, der sich außerordentlich schwer fassen
lässt. Und dennoch kann man einiges verbindlich über die Kunst
sagen. Ohne Talent, Fähigkeiten, Fleiß und Inspiration kann sie
wohl kaum geschaffen werden. Und ohne Rezeption, ohne
Wahrnehmung, ohne Interpretation wäre sie wohl auch nicht
existent, denn sie muss in gewisser Weise stattfinden. Die
Freimaurerei ist voller Kunst, sie ist fast reine Kunst. Zwar
wirkt sie zunächst nicht so, aber das ist eben der besondere
Kunst-Kniff an ihr. Die bei uns oft genutzten Begriffe „Beamte“,
„Beamtenräte“, „Regeln“, „Pflichten“ und „Ordnung“ erwecken zu
leicht den Eindruck, die Freimaurerei wäre gar ein kunst- oder
phantasiefreier Raum. Nüchterne Forschung und die sachliche
Analytik der Selbstaufklärung sind sehr wertvoll, können aber den
künstlerischen Aspekt in der Freimaurerei nur unzureichend
abbilden. Freimaurerei ist ein Kulturprodukt, Ergebnis eines
kreativen Prozesses, selbst schon kreativer Prozess, Kunstwerk im
Sein und Werden, vollbracht von Künstlern.


Freimaurerei als Kunst aufzufassen soll nicht einer
Selbstüberhöhung dienen. Es ist vielmehr der Versuch, sie für
mich selbst und für Interessierte begrifflich begreifbar zu
machen. In der Königlichen Kunst liegen der Zauber, die Magie und
das Mystische, das Kunst erst zu Kunst werden lässt. Dies kann
man in der Theorie zu verstehen versuchen, ein durchaus
erkenntnisreicher Prozess. Aber erst in der Praxis entfalten sie
ihre ästhetisierenden, empfindsamkeitssteigernden Wirkungen. Und
auf die ist der Freimaurer angewiesen. Denn was wir in und mit
der Freimaurerei wollen, ist die Überwindung der Anästhesie des
Herzens, der gesellschaftlichen Gefühlskälte. Dazu braucht es die
Empfindsamkeit des Einzelnen. Ästhetik regt sie an. Und der
Pathos, mit dem die Freimaurerei ge- und erlebt wird, der
Ausdruck dieser durch Ästhetik gesteigerten Empfindsamkeit ist,
fördert die Empathie. Keine Freimaurerei ohne
Einfühlungsvermögen, keine bessere Gesellschaft ohne Mitgefühl.
Freimaurerei übt alles, das künstlerische Schaffen von Schönheit,
ihre Wahrnehmung, den Übergang des Schönen zum Guten, die
Wandlung des Guten im Abgleich mit dem Mitgefühlten zur
Handlungsmotivation - und schließlich die Genese der Humanität
durch die Tat, die dieser Handlungsmotivation folgt.


***


In der Freimaurerei konfluieren Inhalte, Formen und Arten von
Kunst zu einem Gesamtkunstwerk. Die Menschen, die bei uns zu
Schwestern und Brüdern werden, sind Kunstwerke der Natur, des
„Allmächtigen Baumeisters aller Welten“. Die Werte, die wir
gemeinsam leben, werden in der individuellen und gemeinsamen
Lebenskunst zu einer kultivierten Lebenspraxis, die das
Natürliche berücksichtigt. Unsere Bräuche und Sitten sind
Ausdruck von Menschlichkeit, Höflichkeit und Anstand, eines
geistigen Ästhetizismus, wie er der menschlichen Gemeinschaft und
der humanen Tat grundsätzlich zugrunde liegen sollte. Die
Symbole, die unseren Bund kennzeichnen und teilweise ausmachen,
sind eine besondere Sprache der Kunst. Und die Rituale, die uns
so wichtig sind, sind die gelungene Synthese aus allen vier
Hauptformen der Kunst, ein harmonischer Zusammenklang von
bildender Kunst, Musik, Literatur und darstellender Kunst.


Bildende Kunst ist die Freimaurerei insgesamt. Sie soll die
Schwestern und Brüder im Sinne der Kunst, zu mehr
Humanitätsfähigkeit bilden. Und sie ist es speziell im Ritual.
Denn es muss gebildet werden - schön gebildet werden. Dabei
spielt nicht nur die hübsche Verbildlichung von Werten durch
Symbole eine Rolle, die zugleich das Abstrakte konkreter fassbar
macht. Auch nicht nur ein ansprechendes Äußeres, ein ansehnliches
Erscheinungsbild des Tempels und der Loge. Nein, auch die
Harmonie, in der das räumliche und zeitliche Gesamtbild der
Arbeit - der Tempelarbeit - entsteht, ist hier wesentlich. Wir
bilden eine Gemeinschaft, eine Loge, einen Tempel, eine
Tempelarbeit, den Tempel der Humanität, Großlogen, eine
Weltbruderkette und uns selber bei der Arbeit am rauen Stein. Und
dies alles kunstgerecht, in kreativer und konstruktiver
Interpretation der Tradition und nicht durch gedankenlose
Nachahmung. Und gelegentlich bereichern bildende Künstler wie
Lovis Corinth, Carl Gustav Langhans, Marc Chagall, Ettore
Ferrari, Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, Jens Rusch,
Frédéric-Auguste Bartholdi, Jean-Antoine Houdon oder Johann
Gottfried Schadow unsere Reihen. Letztlich sind die Logenhäuser
mit viel bildender Kunst in und an ihnen gestaltet. Sinn,
Bedeutung, Zweck und Inspiration, wohin das Auge schaut. Mehr
davon an einem Ort findet man wohl nur in Freimaurermuseen wie in
Bayreuth oder Rosenau.


Gelungene Freimaurerei ist insgesamt wie Musik. Eine harmonische
Symphonie wohl temperierter Instrumente, gespielt von einem
Orchester, das sanft, aber klar dirigiert wird, komponiert durch
den Genius von Tausenden über Jahrhunderte. Und aus diesem
stimmigen Zusammenklang erheben sich immer wieder Virtuosen, um
einen neuen Takt, eine bisher ungehörte Melodie zu Gehör zu
bringen, die den Zauber der Töne noch verstärkt. Speziell im
Ritual kommt der Musik eine besondere, stimmungsgebende und die
Atmosphäre entscheidend tragende Funktion zu. Der Bruder
Musikmeister ist gut beraten, sich dieser wesentlichen Bedeutung
der Klänge bewusst zu sein. Die Musik ist eine sehr besondere
Form der Kunst, welche die Gemüter direkt berührt und nicht den
Umweg über die Gedanken gehen muss. Die dargebotenen Stücke so zu
wählen, dass sie die feierliche, ernsthafte und angemessene
Stimmung der Rituale erzeugen und befördern, ist eine hohe Kunst.
Und manchmal geht aus Maurerkreisen tatsächlich ein Musicus wie
Mozart, Sibelius, Lortzing, Haydn oder Liszt hervor. Auch bei
Gästeabenden und Gelegenheiten, zu denen die Logen
gesellschaftlich in Erscheinung treten, ist Musik nicht selten
das Medium, das eine erste zarte Verbindung zwischen sich bis
dahin fremden Menschen knüpft.


***


Literatur ist die Freimaurerei durch und durch. Was wäre sie ohne
die Bücher, die über sie geschrieben worden sind? Was wäre sie
ohne die Gedichte, Geschichten und Zeilen von Goethe, Bürger,
Kipling, Claudius, Burns, Puschkin, Heine, Twain, Casanova,
Bechstein, Wilde, Stendhal oder Tucholsky? Oder ohne die Werke
Fichtes, Herders, Wielands und Lessings? Wie sehr haben Manns
"Zauberberg", Tolstois "Krieg und Frieden" oder Hesses
"Morgenlandfahrt" und das "Glasperlenspiel" die Weltliteratur
bereichert, und wie wenig wären sie ohne die Maurerei entstanden,
auch wenn ihre Autoren keine Brüder gewesen sind. Das maurerische
Schrifttum ist nicht nur wesentlich, um beispielsweise in Form
der Magna Charta der Vereinten Großlogen von Deutschland, der
Freimaurerischen Ordnung einer Großloge wie der der Großloge der
Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland, der
Satzung, also dem Hausgesetz einer Loge oder in deren
historischen Vorbildern wie den „Alten Pflichten“ von James
Anderson einen gegebenen Rahmen von Regeln und verbindlichen
Orientierungen zu schaffen, sondern es ist auch dasjenige Medium,
das uns erlaubt, diesen großen gegebenen Rahmen seit über 300
Jahren immer wieder aufs Neue durch Interpretation auszuleuchten.
Niemand wird durch die Maurerei zu Schriftstellerei genötigt,
aber viele Schwestern und Brüder schreiben gerne und gut. Bei uns
gibt es sinnvolle Gelegenheit dazu. Dokumente wie
Stiftungsurkunden werden nicht nur visuell ansprechend
inszeniert, sie werden auch inhaltlich zur Geltung gebracht.


In besonderer Weise zeigt sich die literarische Beschaffenheit
der Königlichen Kunst anhand des Rituals. Bruder Hans Hermann
Höhmann, Redner der Großloge der Alten Freien und Angenommenen
Maurer von Deutschland und Freimaurerforscher mit besonderem
Tiefgang und außergewöhnlicher Weitsicht, betont in seinen
Beiträgen immer wieder den performativen Charakter des Rituals.
Und stellt damit etwas sehr Wesentliches heraus: Dieser
performative Charakter begründet einerseits, warum es für
Interessierte nicht ratsam ist, sich mit schriftlichen
Darstellungen von Ritualen, wie sie beispielsweise in manchen
sogenannten Verräterschriften gegeben sind, auseinanderzusetzen.
Weder das Erlebnis des Rituals, noch dessen Sinn, Bedeutung und
Wirkungen lassen sich so erfassen. Er macht andererseits mit
Bezug auf dieselbe Erläuterung klar, warum wir als Schwestern und
Brüder auf die bildliche Darstellung von Teilen des Rituals in
audiovisuellen Medien verzichten sollten. Solche Darstellungen
können Außenstehenden nichts sagen, verwirren nur und machen uns
selbst lächerlich.


Und doch, später als erfahrene Schwester oder erfahrener Bruder,
kann es sehr interessant und erkenntnisreich sein, sich vor dem
Hintergrund einer gewachsenen Vorstellungskraft mit verschiedenen
Ritualtexten auseinanderzusetzen. Denn das Ritual hat nicht nur
performativen Charakter, es beruht auch auf einer schriftlichen
Quelle, hat ein Drehbuch, das Literatur ist. Und dieses Stück
Literatur ist ein sehr außergewöhnliches. Es entstammt nicht nur
der Autorenschaft vieler Menschen, es ist in seinen Ursprüngen
auch uralt und fand und findet bis heute Bearbeitung und Pflege
durch unterschiedliche Menschen in verschiedener Weise. Einem
Impuls folgend würde man es wegen des zentralen Charakters des
Performativen zunächst der Dramatik zuordnen. Bei genauem Blick
aber zeigt sich, dass das Ritual - als Literatur betrachtet -
Elemente aller drei Gattungen, also auch der Epik und Lyrik
umfasst und nicht nur Schauspiel ist. Denn auch als Parabel,
Legende, Sage oder Märchen lässt es sich lesen. Gedichte, Oden,
Hymnen, Sonette und Lieder können vorkommen. Welcher Freimaurer
hat noch keine Verserzählung als Toast bei einer Tafelloge
gehört? Und letztlich schafft das Herzstück des Rituals in
Deutschland, die Zeichnung, flexiblen Raum für Essays,
Autobiographisches, Erzählerisches oder eine Kurzgeschichte.


***


Was wären die Logen ohne gemeinsame ge- und erlebte Literatur?
Ohne Lesungen, Gedichte, Vorträge und Impulse? Als "laut denken
mit dem Freunde" beschrieb Lessing die Freimaurerei gerne. Und
tatsächlich erfassen die literarischen Dimensionen der
Königlichen Kunst auch die mündliche Tradierung. Wer sich
interessiert an ihr, einer Loge und an deren Schwestern und
Brüdern zeigt, der wird auch durch Anekdoten oder einen Schwank
etwas über ihre Gegenwart, Vergangenheit und möglicherweise auch
Zukunft erfahren. Freimaurerei ist Sprachkunst, die sogar von
Menschen gepflegt worden ist wie Friedrich Schiller, die nie
unserem Bund angehört und doch mit Arbeiten wie der "Ode an die
Freude" die Königliche Kunst und die Welt bereichert hat.
Insgesamt ist die Freimaurerei längst keine Novelle mehr, keine
kleine Neuigkeit, und auch kein Roman mehr. Sie ist ein Epos, das
wir fortschreiben und weitererzählen. Gerade der Bruder Redner
einer Loge ist in Bezug auf all diese literarischen Aspekte in
der Maurerei besonders gefordert, das geistige Leben in diese zu
tragen und dort zu pflegen.


***


Letztlich, es wurde bereits antizipiert, ist die Freimaurerei
auch darstellende Kunst, ebenfalls auf unterschiedlichen Ebenen.
Natürlich gehörten und gehören unserem Bund verschiedene
darstellende Künstler an wie Harry Houdini, Mary Wigman, Clark
Gable, Friedrich Ludwig Schröder, John Wayne, Josephine Baker,
Oliver Hardy, Peter Sellers oder Wolfgang Bahro.
Selbstverständlich beruht die Königliche Kunst auch darauf, dass
der gegebene institutionelle, organisatorische Rahmen durch die
Übernahme von Funktionen, Ämtern oder Rollen Leben eingehaucht
wird. Das menschliche Konstrukt der Freimaurerei kann nur dadurch
vitalisiert, geboren und am Leben erhalten werden, dass
Schwestern und Brüder künstlerisch darstellen, was schriftlich
dokumentiert ist. Pflichtbewusstsein alleine ist nicht
ausreichend und wäre in diesem Sinne nicht mehr als eine
Totgeburt. Es braucht das Pathos in der Darstellung, auch in der
Amtsausübung, was wiederum nicht mit dem Verlust der Vernunft
verwechselt werden darf.


Der performative Charakter des Rituals und sein Wesen als
Schauspiel verweisen bereits auf die Beschreibungsebene der
darstellenden Kunst. Man kann verschiedene Gütekriterien an ein
Ritual anlegen. Und diese sind zu diskutieren, vornehmlich in
Berücksichtigung der Ressourcen, die für diese Realisierung des
Rituals zur Verfügung stehen. Aber welchen Standpunkt man dabei
auch immer einnehmen mag, die erlebte Qualität des Rituals hängt
auch davon ab, wie sicher, klar und souverän es aufgeführt wird.
Handlungssicherheit, deutliche Sprache und insgesamt
Ritualsicherheit sind nicht zu unterschätzen. Der „Meister vom
Stuhl“ und der Bruder Zeremonienmeister sind diesbezüglich
besonders gefordert. Die handelnden Akteure im Ritual sollten
gute Schauspieler sein, hinter denen kompetente Regisseure
stehen, die auf Basis eines gelungenen Drehbuchs kunstgerecht und
aufmerksam anleiten.


***


Nun, geneigter Zuhörer, habe ich ein wenig über mein Erlebnis der
Freimaurerei als Kunst hier gesprochen. Vielleicht kann dem einen
mehr, dem anderen etwas weniger klarwerden, was mir die
Königliche Kunst ist. In letzter Konsequenz aber, bleibt sie vor
allem Lebenskunst, die sich dadurch auszeichnet, dass in ihr
Humanität zu Freude und Glück wird. Weder der Wert des
Freimaurers, noch der Wert der Freimaurerei kann sich daran
messen, was sie selbst von sich halten, wie sie sich selbst
erleben und wahrnehmen. Beide, Maurerei und Maurer, müssen sich
daran messen lassen, was sie tatsächlich bewirken, an ihren
Taten. Alles andere muss Selbstzweck bleiben und das ist die
Königliche Kunst nicht. Sie darf durchaus auch unterhalten, aber
nicht sinnfrei. Freimaurerei ist nicht Kunst im Hinblick auf
einen wertfreien Schönheitsbegriff. Sie ist Kunst, welche die
Schönheit im Menschen zum Gegenstand hat, also sich im Gegenteil
daraus ergibt, dass ihr ein humaner Wertebezug inhärent ist.


Ich hoffe, dass sie auf diesem Spaziergang wieder einige weitere
Eindrücke haben sammeln können. Dabei sind ihre gemachten
Impressionen von der Freimaurerei meine Expressionen über sie.
Wenn sie sich ernsthaft für die Königliche Kunst interessieren,
so sammeln sie weiter Eindrücke. Denn es gibt andere Expressionen
und andere Wege, Impressionen zu generieren. Am Ende sollte für
Sie ein Bild entstanden sein, dass von vielen gezeichnet worden
ist und dem sie vertrauen können. Ein solches Bild wird sich
ergeben. Vielleicht sind sie geneigt, es in meiner Begleitung auf
weiteren Spaziergängen fortzuentwickeln. Ich jedenfalls werde
weitergehen und freue mich über angenehme Begleitung dabei. Und
wer weiß, möglicherweise begegnen wir uns auch einmal real,
eventuell bei einer Veranstaltung des Vereins Pegasus, einem
Zusammenschluss von Künstlern, die Freimaurer sind und dessen
Vorsitzender in unserer Loge schon einen sehr interessanten
Vortrag zu Gehör gebracht hat.





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