Folge 13: Das Geheimnis im Ritual der Freimaurer

Folge 13: Das Geheimnis im Ritual der Freimaurer

Anmerkungen zu Geschichte, Funktion und Praxis
24 Minuten
Podcast
Podcaster
Der Podcast für Brüder, Schwester und alle, die sich für Freimaurerei interessieren. Ausgewählte "Zeichnungen" (Impulsvorträge) von Freimaurern.

Beschreibung

vor 3 Jahren

von Prof. Dr. Hans-Hermann Höhmann,
Professor für Sozialwissenschaften
und Redner der Großloge AFuAM von Deutschland


 


Corona bedrückt uns, als Menschen, als Mitglieder unserer
Familien, als Freunde und als Freimaurer. Unser Bund kann in der
gegenwärtigen Phase der Pandemie kaum von persönlicher Begegnung
leben. Doch wir können über Freimaurerei nachdenken und unser
Wissen und Verständnis für die Zeiten weiterentwickeln, von denen
wir hoffen, dass sie bald wiederkehren und uns erlauben,
Freimaurerei im Inneren des Bundes und in der Gesellschaft in
menschlichem Miteinander wirkungskräftig zu gestalten.


Einem solchen Nachdenken sollen die folgenden Ausführungen
dienen.





Historische Dimensionen


Freimaurerei ist ein Produkt der Moderne. Sie entstand –
Entwicklungsanstöße und Strukturmaterial aus der älteren
Geschichte aufnehmend – zu Beginn des 18. Jahrhunderts und blickt
inzwischen auf eine Entwicklung von fast 300 Jahren zurück. In
dieser Zeitspanne ist die Freimaurerei von unterschiedlicher
kultureller, gesellschaftlicher und politischer Bedeutung
gewesen. Sie konstituierte sich  als verschwiegene, ja
geheime Verbindung, denn in den bestehenden
ständisch-absolutistischen Strukturen neue Formen sozialer
Einbindung zu suchen, veränderte Zugänge zu religiösen
Erfahrungen zu erproben und kritische philosophische Diskurse zu
führen, bedurfte eines schützenden Mediums. Um eine Feststellung
Reinhart Kosellecks zu variieren: Das „Geheimnis der Freiheit“
war nur als „Freiheit im Geheimen“ zu antizipieren. Zugleich wies
die Freimaurerei in diesen drei Jahrhunderten sehr
unterschiedliche Strukturen auf: in Bezug auf ihre Rituale,
Systeme und Grade, in bezug auf die Organisation von Logen und
Großlogen sowie in Bezug auf ihr Selbstverständnis und ihre
Funktion innerhalb der sie umgebenden Gesellschaft. Die
Entwicklung der Moderne fand ihren Ausdruck in der Entwicklung
der Freimaurerei, deren „Modernisierung“ allerdings ebenfalls
nicht gleichförmig verlief. Sie war vielmehr vielschichtig,
wechselhaft und oft widersprüchlich. Phasen von Modernisierung
und Gegenströmungen dazu lösten sich ab, ja zu regelrechten
historisch-gesellschaftlichen „Lagerwechseln“ ist es gekommen.


Die Geschichte der Freimaurerei ist immer die Geschichte ihrer
Veränderungen gewesen, die sich teilweise „von unten“, aus den
Logen heraus, evolutionär und allmählich, nach Orten und Systemen
differenziert vollzogen, teilweise aber auch historisch
gebündelt, im Kontext gesellschaftlich-politischer Veränderungen,
in Schüben größerer und kleinerer Reformen erfolgten. In
Deutschland kam es vor allem in der Mitte und im späten 18. sowie
an der Wende zum 19. Jahrhundert zu bedeutenden
Veränderungsprozessen, als nach der Dominanz der „Strikten
Observanz“ epochengleich mit Zinnendorf, Feßler und Schröder
Reformer wirkten, die für die weitere Entwicklung der deutschen
Freimaurerei prägend blieben. Reformen erfolgten auch in den
ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, als Reformgroßlogen
(„Freimaurerbund zur aufgehenden Sonne“ und „Symbolische
Großloge“) entstanden, und schließlich auch in der Zeit nach dem
Zweiten Weltkrieg, als durch (und während der Großmeisterschaft
von) Theodor Vogel und Hans Gemünd eine neue Struktur zumindest
der humanitären Freimaurerei in Deutschland geschaffen
wurde. 


 
Freimaurerische Grundstruktur

Doch mit der erwähnten Flexibilität verbanden sich feste,
unterscheidbare Merkmale, die den besonderen Charakter der
Freimaurerei und ihrer Logen durch die Geschichte hindurch
begründeten. Zwar blieb Freimaurerei immer ein „Raum, in dem
vieles möglich war“, aber dieser Raum „war nicht undefiniert, er
enthielt wiedererkennbare Strukturen und Regeln“ (Monika
Neugebauer-Wölk).


Zu diesen Merkmalen der freimaurerischen Grundstruktur
gehörten und gehören insbesondere die folgenden vier:


·      die abgeschlossene, durch
verschwiegene Rituale geschützte, in der Regel männerbündische
Gruppe, kurz das konstitutive „maurerische Geheimnis“, das
die Grenzen der Logengruppe bestimmte, wobei die Ableistung eines
Eides der Verschwiegenheit bzw. eines feierlichen Gelöbnisses als
Abschluss eines verbindlichen und bei Verletzung sanktionierten
„Gruppenvertrages“ fungiert;


·      der initiatische Charakter
der Rituale: Die Einführung des neuen Mitglieds und seine
Wanderung durch die verschiedenen Grade erfolgt in rituellen
Formen, die seit Arnold van Gennep als Übergangsriten (rites des
passage) beschrieben werden und Ausdruck eines bestimmten, auf
„Vervollkommnung“ des Menschen angelegten Menschenbildes der
Freimaurerei sind;


·      eine ins Hermetisch-Esoterische
erweiterte und später mit der Schaffung von Hochgradsystemen
durch Rittersymbolik überhöhte Bausymbolik, in deren
Mittelpunkt die Idee von Sein und Zeit als sinnvoll zu
gestaltende Bauwerke steht, die von einer wertgebundenen Bauidee
unter dem Symbol eines universellen Großen Baumeisters geleitetet
wird, sowie


·      ein Kanon von Werten, der
um unterschiedliche, aufklärerisch-humanitär geprägte
Begrifflichkeiten wie Menschenliebe, Brüderlichkeit, Duldsamkeit
(Toleranz) und Gottesfürchtigkeit kreist, auf „Einübung“ dieser
Werte setzt („Einübungsethik“ im Sinne von Klaus Hammacher) und
die hierdurch inhaltlich die Logengruppe als positive innere
Gegenwelt zu den verschiedenen profanen äußeren Welten
konstituiert. 


Dieser freimaurerische Wertkanon war inhaltlich von Anfang an
breit interpretierbar, vor allem in seiner Bedeutung für
politisch-gesellschaftliche und philosophisch-religiöse Kontexte,
innerhalb deren sich Logen und Logensysteme definierten. Dies
bedeutet, dass die Freimaurerei in ihrer historischen Entwicklung
mit sehr verschiedenen politischen Strukturen vereinbar war,
zunächst (und vor allem) mit den sich im 18. Jahrhundert
etablierenden Strukturen der Bürgergesellschaft, als Freimaurerei
phasenweise fortschrittsadäquat war und zum Katalysator
zukünftiger politischer Reformen, ja tiefgreifender Veränderungen
im Sinne von bürgerlicher Gleichheit, Demokratie und nationaler
Unabhängigkeit wurde. Doch wegen der für die Freimaurerei
konstitutiven Trennung von Innenraum und Außenraum, von inneren
(privaten) Tugenden und äußeren (öffentlichen) Tugenden erwies
sich der freimaurerische Wertekanon als auch mit
vordemokratisch-absolutistischen und – dies zeigte sich
insbesondere an der Wende zu den 1930er Jahren – mit
nicht-demokratischen, politisch-autoritären sowie
nationalistischen Strukturen vereinbar.


 
Das Geheimnis der Maurer

Das große Gemeinsame der verschiedenen „Freimaurereien“ blieb
durch die Zeiten hindurch die brüderliche Gemeinschaft,
die geübte Verschwiegenheit, das Setzen von Gruppengrenzen, die
Trennung von innen und außen – kurz das „maurerische
Geheimnis“. Es hatte und hat verschiedene Funktionen für die
freimaurerische Gruppenbildung und ist damit von großer Relevanz
auch für die Frage nach Veränderungen und Reformen. Unter diesen
(auch heute noch) partiell bewusst gesetzten, partiell implizit
praktizierten Funktionen können – teilweise im Anschluss an
Michael Voges – vor allem die folgenden unterschieden werden:


·      die schützende Funktion:
ursprünglich Bedingung für eine für eine von staatlichen und
kirchlichen Eingriffen freie Sphäre, später Voraussetzung zur
Bewahrung der im Falle der Veröffentlichung störanfälligen
Integrität des rituellen Geschehens;


·      die soziale Funktion:
Stiftung von Freundschaft unter Menschen, die sich sonst nicht
als Freunde begegnet wären; soziale Einbindung; Raum für die
Begegnung als „bloße“ Menschen;


·      die integrative Funktion:
Zusammenbinden der generell eher unbestimmten Zwecksetzungen der
Freimaurerei durch Stiftung von emotional erlebter, wert- und
symbolüberhöhter Gemeinsamkeit;


·      die illusionsstiftende
Funktion: Schaffung und Sicherung eines Raums zum Ausleben
mannigfaltiger (oft im Widerspruch zu erklärten freimaurerischen
Prinzipien stehenden) „Selbstverwirklichungs- und
Selbsterhöhungsambitionen“;


·      die pädagogische Funktion:
Einüben von Tugenden und Vertrauenswürdigkeit, Praktizieren von
„Einübungsethik“;


·      die Lockfunktion: Erhöhen
der Attraktivität der Freimaurerei durch Einhüllen in einen
„Mantel des Geheimnisvollen“;


schließlich und sehr wesentlich für den Prozess von Veränderungen
und Reformen


·      die Funktion „innerer
Hierarchisierung“: Gradvermehrung im Sinne einer „Hierarchie
von Einweihungen“ zwecks Schaffung erweiterter Erlebnis-,
Geltungs- und Selbstverwirklichungsmöglichkeiten – eine Funktion,
die sich gelegentlich durchaus als Element der Generierung von
Konflikten in und zwischen Logen erwiesen hat und erweist.


Das freimaurerische „Geheimnis“ verhinderte jedoch weder die
Kommunikation mit Öffentlichkeit und Gesellschaft noch den Aufbau
regionaler und internationaler Netzwerke sowie – vor allem durch
sich überschneidende Mitgliedschaften – ein Zusammenwirken mit
anderen Assoziationen. Das für die Logen typische Verhältnis von
Geschlossenheit und Öffnung machte die Freimaurerei – wie zuerst
von Georg Simmel aufgezeigt wurde – zu einer „geheimen
Gesellschaft“ spezifischen und von Anbeginn an durchaus
eingeschränkten Typs. In seiner „Soziologie. Untersuchungen über
die Formen der Vergesellschaftung“ von 1908 schreibt Simmel: „Das
Freimaurertum betont, dass es die allgemeinste
Gesellschaft sein will, der ‚Bund der Bünde‘, der einzige, der
jeden Sonderzweck und mit ihm alles partikularistische Wesen
ablehnt und ausschließlich das allen guten Menschen
Gemeinsame zu seinem Material machen will. Und Hand in Hand mit
dieser, immer entschiedener werdenden Tendenz wächst die
Vergleichgültigung des Geheimnischarakters für die Logen, seine
Zurückziehung auf die bloßen formalen Äußerlichkeiten.....Der
Freimaurerbund konnte seine neuerdings stark betonte Behauptung,
dass er kein eigentlicher ‚Geheimbund‘ wäre, nicht besser
stützen, als durch sein gleichzeitig geäußertes Ideal,
alle Menschen zu umfassen und die Menschheit als ganze
darzustellen“.


Freilich hat diese Ablehnung „jedes Sonderzwecks“ die Folge, dass
die Freimaurerei auf konkrete politisch-gesellschaftliche
Programme verzichten muss. „Die Menschheit als ganze
darzustellen“ heißt, das freimaurerische Ideal dadurch exoterisch
zu machen, dass es im Innenraum der Loge überzeugend
praktiziert wird. Oft ist der Freimaurerbund allerdings den
entgegengesetzten Weg gegangen: In der Auseinandersetzung um
einen vermeintlich zu verfolgenden äußeren Zweck, wurden die
Möglichkeiten einer Annäherung an die inneren Ideale und
eigentlichen Wirkungsmöglichkeiten der Loge (Charakterformung,
Einübung ethischen Verhaltens, praktische Mitmenschlichkeit)
immer wieder beeinträchtigt.


 
Geheimnis, Veränderung, Reform

Die von einander abweichenden Interessen der Mitglieder der
Freimaurerlogen, der unterschiedliche Grad, in dem die
Logenwirklichkeit den Wertvorstellungen und Ambitionen der
einzelnen Freimaurer entsprachen und die unterschiedliche
Intensität, mit der „deutungsmächtige“ Brüder Übereinstimmungen
oder Abweichungen von der „eigentlichen, echten, ursprünglichen
Freimaurerei“ postulierten, hatte Auswirkungen auf Mitgliedschaft
und Entwicklung des Bundes. Einerseits veranlassten mannigfaltige
Enttäuschungen immer wieder prominente Brüder, die Freimaurerei
zu verlassen, in der sie oft sehr aktiv tätig gewesen waren.
Andererseits entwickelten sich unterschiedlich intensive und
verschieden ausgerichtete Reformen.


Auch die mannigfaltigen Umgestaltungen des Freimaurerbundes
können im Hinblick auf das freimaurerische Geheimnis als
Inbegriff der zuvor erörterten freimaurerischen Grundstruktur
interpretiert werden. Dabei lassen sich vier typische Ansätze
unterscheiden:


·      Die „Relativierung des
Geheimnisses“, die dem von Simmel beschriebenen und besonders
in den Reformen Friedrich Ludwig Schröders Ausdruck findenden Weg
einer „Vergleichgültigung des Geheimnischarakters für die Logen“
folgte. Hier ging es nicht mehr um das in den
Ritualinhalten verborgene „wahre“ Geheimnis, es ging um
das „eigentliche Geheimnis“ der Freimaurerei, das menschliche
Begegnung zwischen Freunden, das Erlebnis der Bruderliebe sowie
die „freimaurerische Geisteshaltung“ in das Zentrum des Bundes
rückte.


·      Die schon genannte
„Hierarchisierung des Geheimnisses“: Hier wurde und wird
das freimaurerische „Geheimnis“ (oder zumindest ein wesentlicher
Teile davon) in den Ritualen neuer Systeme, Grade und
Erkenntnisstufen gesucht, die über die „klassischen“ Grade
Lehrling, Geselle und Meister hinausgehen und ein zunehmendes Maß
an „Binnendifferenzierung“ innerhalb der freimaurerischen Gruppe
bewirken.


·      Die Verstärkung des religiösen
Charakters der Freimaurerei („Metaphysierung des
Geheimnisses“), wobei einerseits christliche, vor allem
christologische, andererseits esoterische Elemente in den
Vordergrund rückten.


·      Die „Radikalisierung des
Geheimnisses“ durch den Übergang zum politisch orientierten
Geheimbund, wofür die Illuminaten das wichtigste historische
Beispiel bieten.


Zweierlei ist hier hinzuzufügen: Einmal sind die einzelnen
Reformansätze nicht klar voneinander zu trennen und können sich,
wie etwa „Verchristlichung“ und Hierarchisierung durchaus
miteinander verbinden. Zum anderen verlaufen sie nicht gradlinig
und können auf den jeweiligen „Reformachsen“ Gegenentwicklungen
auslösen (gegen Hierarchisierung etwa das Wirken des
„Ekklektischen Bundes“ und des Schröderschen Systems, gegen
Metaphysierung z.B. die Positionen des „Grand Orient de France“
und des „Freimaurerbunds zur aufgehenden Sonne“, gegen
Relativierung Rückkehr zur Esoterik als Material und
Perzeptionsweise freimaurerischer Rituale).



Selbstverständnis, Ritual, Geheimnis heute

In der gesellschaftlichen Realität von heute sind sich die
deutschen Logen und Großlogen bewusst, dass die Freimaurerei ein
neues, „offenes“ Verhältnis zur Öffentlichkeit herzustellen hat.
Die Bruderschaft versteht sich als Bestandteil der
demokratisch-pluralistischen Gesellschaft. Dies bedeutet
zugleich, sich ihres Platzes in eben dieser Gesellschaft zu
versichern und sich ihrer sozialen Umwelt verständlich zu machen,
denn je mehr sich die deutsche Freimaurerei zur Gesellschaft
öffnete, desto häufiger wurde sie auf ihr Selbstverständnis und
ihre Wirklichkeit hin befragt. Legimitätsbegründungen durch
Berufung auf die Geschichte der Freimaurerei reichten nicht mehr
aus. Auch Hinweise auf „bedeutende Freimaurer“ konnten nicht
genügen. Die Fragen, was Freimaurerei in der modernen
Gesellschaft ist und sein will, und was das
„freimaurerische Geheimnis“ heute bedeutet, mussten auf eine
klarere Weise beantwortet werden.


Eine präzise Antwort auf diese Fragen ist jedoch schwierig.
Gewiss herrscht Übereinstimmung unter den deutschen Freimaurern
in Bezug auf historische Entwicklungslinien und strukturelle
Grundelemente, doch die Formen und Farben dieses Freimaurerbildes
variieren ebenso, wie seine Einordnung in
gesellschaftlich-historische Bezüge und die Begrifflichkeit
seiner Vermittlung. Dies ist einmal darauf zurückzuführen, dass
Großgruppen wie die Freimaurerei generell nie nur ein
Selbstverständnis aufweisen und griffig-eindeutige Formulierungen
für Corporate Identities immer subjektive Konstruktionen
sind, die nicht selten den Verdacht ertragen müssen, primär als
Führungsinstrumente nach innen und reglementierte
Kommunikationscodes nach außen zu fungieren. Dazu kommen der
unterschiedliche historische Hintergrund der einzelnen deutschen
Logen- und Großlogen, die hierdurch bedingten tendenziell von
einander abweichenden „Lehrartverständnisse“, sowie der Umstand,
dass auch die deutsche Freimaurerei der Gegenwart keine
„Grundsatzkommissionen“ kennt und die einzelnen Freimaurer zudem
in der Regel strikt auf einer ganz individuellen Deutungshoheit
bezüglich dessen beharren, was unter Freimaurerei zu verstehen
ist.


Dennoch gibt es Übereinstimmungen, die in Satzungen,
Stellungnahmen der Großlogenleitungen, Positionspapieren, Logen-
und Großlogendiskussionen und neuerdings auch den
freimaurerischen Internetseiten ihren Ausdruck finden. Diese
Übereinstimmungen haben klärenden Funktionen nach innen, sollen
jedoch auch einer Öffentlichkeitsarbeit dienen, die die
freimaurerische Identität nach außen vermittelt. Weitgehender
Konsens besteht innerhalb der deutschen Bruderschaft darüber,
dass Freimaurerei ein Freundschaftsbund ist, der über
weltanschauliche, politische, nationale und soziale Grenzen
hinweg Menschen miteinander verbinden will, die sich nach
Herkunft und Interessenlage sonst nicht begegnen würden.
Freimaurerei wird weiter übereinstimmend als ethisch
orientierter Bund verstanden, der mit seinen alten
Wertpositionen Humanität, Brüderlichkeit, Freiheit,
Gerechtigkeit, Friedensliebe und Toleranz Orientierungen und
Maßstäbe für das Denken und Handeln ihrer Mitglieder vorzugeben
in der Lage ist. Schließlich versteht sich Freimaurerei
weitgehend ungeteilt als dogmenfreie Kultgemeinschaft, die
sich zur Festigung zwischenmenschlicher Bindungen, zur
gefühlsmäßigen Vertiefung ethischer Überzeugungen, zur
Vergegenwärtigung transzendenter Bezüge und als Anleitung zur
Selbsterkenntnis alter, auf die Tradition der europäischen
Dombauhütten zurückzuführende und aus anderen Quellen
angereicherter Symbole und Rituale bedient.


Und in diesem Kontext ist auch die Frage nach dem „Geheimnis“
nach wie vor von Bedeutung!


Zunächst eine deutliche Abgrenzung: Freimaurerei versteht sich in
keiner Weise als Geheimbund oder gar Verschwörung (auch der
Begriff „Verschwörung zum Guten“ ist unglücklich). Der
Freimaurerbund und seine Mitglieder bekennen sich zu Demokratie
und offener Gesellschaft, zu deren Verwirklichung viele
Freimaurer wesentlich beigetragen haben. Zweck, Organisation und
Vorstände von Logen und Großlogen sind jedem Interessenten
zugänglich. Viele Veranstaltungen der Freimaurer sind heute
öffentlich, und viele der im Auftrag der Großlogen
herausgegebenen Publikationen können auch von Nichtmitgliedern
des Bundes bezogen werden. Die von den Freimaurern geübte
Verschwiegenheit bezieht sich nur auf einige Einzelheiten des
freimaurerischen Brauchtums und ist Symbol für den in jeder
Gemeinschaft notwendigen Schutz von Freundschaft und persönlichem
Vertrauen. Das „freimaurerische Geheimnis“ kann heute nur noch
im Sinne eines solchen Vertrauensschutzes verstanden und
praktiziert werden. Es darf Freimaurerei und Gesellschaft nicht
trennen. Es sollte vielmehr angesichts des weitverbreiteten,
gleichermaßen von den Medien wie ihren Konsumenten zu
verantwortenden, oft schon suchthaften Dranges zur Indiskretion
als konstruktives und stabilisierendes Wirkungselement einer
offenen und zugleich humanen Gesellschaft verstanden und
vermittelt werden.


Wenn sich die Freimaurerei in der Kommunikation mit der
Öffentlichkeit darum bemüht, ihre Strukturen und ihr
Selbstverständnis deutlich zu machen, sollte folglich nicht nur
über brüderliche Beziehungen und ideelle Werte gesprochen werden.
Verdeutlicht werden muss auch Wesen und Herkunft des Rituals.
Dies ist durchaus möglich, auch (und gerade) wenn ein Kern von
Arkandisziplin als Symbol für Einübung in
Vertrauenswürdigkeit bewahrt wird. Voraussetzung dafür, dass
auch das Gespräch über Ritual und „Geheimnis“ in die
Öffentlichkeitsarbeit der Logen einbezogen werden kann, ist
allerdings ein gründliches Wissen über Herkunft und Funktion der
freimaurerischen Rituale. Hier sind immer wieder Defizite
festzustellen, die auch durch den Griff zu filmischen Mitteln
nicht überwunden werden können. Im Gegenteil: Bilder verwirren
mehr als sie nützen, wenn sie nicht in fundierte verbale
Reflexionen einbezogen werden können. Interne Unterrichtung über
freimaurerische Rituale sollte daher stets mit dem Einüben in die
Fähigkeit verbunden sein, die Bedeutung des Rituals mit klaren
Worten nach außen zu vermitteln.


 
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