! auf ZENdung ! (Frieden 02)

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Thesen zum Frieden
11 Minuten

Beschreibung

vor 11 Monaten

Ich habe mal ein Foto gesehen - von einem in perfekter
Sitzhaltung meditierenden Zen-Meister. Ich weiß nicht: Das hat
irgendwie mein Leben verändert.



Frieden setzt voraus, dass ich den anderen so sein lasse, wie er
oder sie ist. Ich muss die Welt nicht nach meinen Vorstellungen
verändern. Meine Vorstellungen sind nur meine Vorstellungen.
Andere haben andere Vorstellungen. Ihre eigenen Vorstellungen.
Zunächst einmal sind keine Vorstellungen besser als die anderen.
Frieden setzt voraus, dass ich den anderen Raum gebe. Dass ich
ihnen Lebensraum einräume. Das Einräumen von Lebensraum scheint
ein großes Thema zu sein. Eigentlich bietet die Erde ausreichend
Platz. Und genau genommen gehört die Erde allen Menschen
gleichermaßen. Es kommt nur auf den Standpunkt an. Doch eine
Religion, die sich als Weltreligion betrachtet, sollte imstande
sein, diesen übergeordneten Standpunkt einzunehmen. Frieden setzt
voraus, dass ich anderen einen Raum zum Leben lasse. Frieden
setzt voraus, dass ich nichts für mich alleine beanspruche, was
letztlich allen gemeinsam gegeben wurde. Frieden setzt voraus,
dass ich den anderen respektiere. Dass ich seine oder ihre
Ansichten und Lebensentwürfe respektiere. Frieden setzt voraus,
dass ich mich helfend einbringe. Denn ich werde selbst auch Hilfe
benötigen. Irgendwann. Frieden setzt voraus, dass ich mich nicht
als den Nabel der Welt betrachte. Denn ich habe zwar einen
Bauchnabel, aber dieser Nabel ist nur ein Zeichen dafür, dass ich
meine Existenz anderen Menschen verdanke. Also bin ich
nachweislich nicht der Nabel der Welt. Ich nicht und meine
Ansichten und Meinungen erst recht nicht. Frieden setzt voraus,
dass ich anderen ein Lächeln schenke. Dass ich anderen ein
Lächeln zu schenken bereit und in der Lage bin. Das wiederum
setzt voraus, dass ich mir selbst ein Lächeln schenken kann. Dass
ich mit meiner eigenen Person Frieden geschlossen habe. Frieden
setzt voraus, dass ich verstehe, was die anderen sind und was die
anderen tun. Frieden setzt voraus, dass ich die Augen und Ohren
offen halte. Dass ich Probleme und Herausforderungen erkenne und
an deren Lösung interessiert bin. Frieden setzt voraus, dass ich
nicht nur fordere und nehme, sondern auch zu geben bereit bin.
Diese Welt ist kein Kaufhaus, in dem ich mich bedienen kann, ohne
eine Gegenleistung zu erbringen. Frieden setzt voraus, dass ich
mir meiner eigenen Vergänglichkeit und Verletzlichkeit bewusst
bin. Frieden setzt voraus, dass ich anderen zuhören kann. Dass
ich überhaupt Ohren habe zu hören. Den Klang dieser Welt zu
hören. Wer seine Ohren verschließt und nur sein eigenes Programm
durchzieht, der hat kein Interesse am Frieden. Der hat aber auch
den Kontakt zu sich selbst verloren. Paradoxerweise. Frieden
setzt voraus, dass ich die gegenseitige Abhängigkeit unter uns
Menschen und Tieren sehe und respektiere. Niemand kann alleine
und aus sich selbst heraus leben. Kein Mensch kann aus eigenen
Kräften leben und überleben. Wir brauchen permanent Lebensmittel
- also Mittel zum Überleben - von unserer Außenwelt. Daher sollte
es in unserem eigenen Interesse sein, diese Außenwelt sorgsam und
schonend zu behandeln. Wir können an der Art, wie wir die
Außenwelt behandeln, unsere Bereitschaft für Frieden direkt
ablesen. Wer seinen Müll im nächsten Wald entsorgt, wer seine
Gifte in den nächsten Fluss ableitet, hat kein Interesse an
Frieden. Frieden setzt voraus, dass ich bereit bin, zu heilen -
zu genesen - heile und ganz zu werden. Dass ich meine eigenen
Defizite und Verletzungen erkenne und zu heilen bereit bin.
Heilen bedeutet nichts anderes, als dass ich mich in einen
ursprünglichen Zustand des Ganzseins zurück versetze. Ich weiß,
das klingt für manche Menschen, die so einiges durchgemacht
haben, wie ein schöner Traum - eine Utopie. Doch es gibt keine
Alternative. Wenn ich gesund werden will, muss ich heile werden
wollen. Das kann ich nicht alleine für mich selbst tun. Ich muss
mein Verhältnis zu anderen, zu meiner Umwelt und zur Außenwelt
generell klären. Wenn ich eine dankbare Haltung einnehme, dann
mache ich bereits den ersten Schritt in Richtung Frieden. Frieden
setzt Dankbarkeit voraus. Wer immer nur fordert und sich
unverschämt aufführt, der weiß nichts von Frieden. Wer nur sich
selbst sieht, sich und die Seinen, der hat keine Ahnung von der
Dimension des Friedens. Frieden setzt voraus, dass ich den
anderen zumindest in Gedanken in den Arm nehme. Ich muss deswegen
nicht alles gutheißen, was andere tun. Ich muss nur die anderen
als Wesen in den Arm nehmen. Gewissermaßen ihr besseres Selbst.
Frieden setzt voraus, dass ich in den anderen ihr besseres Selbst
sehe. Dass ich die anderen nicht nur an dem messe, was sie getan
und unterlassen haben. Dass ich das unendliche Potenzial im
anderen erkenne. Frieden setzt voraus, dass ich an die Zukunft
und an die unbegrenzten Möglichkeiten unserer Zukunft glaube.
Frieden setzt eine Perspektive in die Unendlichkeit voraus.
Andere Religionen bezeichnen diesen Schnittpunkt im Unendlichen
als Gott oder el-Allah oder Jahwe oder Atman. Worte spielen keine
Rolle. Es kommt darauf an, die eigene Endlichkeit und
Vergänglichkeit zu sehen und in ihrer inneren Dialektik zu
begreifen. Alles andere ergibt sich daraus von selbst. Frieden
setzt voraus, dass ich hin und wieder auch das Ganze sehe und
meine Rolle darin. Frieden setzt voraus, dass ich die Waffen
niederlege - nicht nur die kalten materiellen, sondern auch die
verbalen, emotionalen und kognitiven Waffen. Dass ich verstehe,
warum ich mit Waffen nichts schaffen, sondern immer nur zerstören
kann. Frieden setzt voraus, dass ich nicht jedes Wort auf die
sogenannte Goldwaage lege. Was andere reden, was ich selbst rede,
sind keine absoluten Statements, sondern bestenfalls
Momentaufnahmen aus einer eingeschränkten persönlichen
Perspektive. Frieden setzt voraus, dass ich meine eigene
Beschränktheit sehe und mich nicht für absolut halte. Friede
setzt voraus, dass ich die Schönheit sehe. Dass ich imstande bin,
die Schönheit von allem zu sehen, was ich in der Natur finde.
Auch wenn ich schwer verletzt worden bin. Das ändert nichts an
der Schönheit. Wenn ich das Schöne nicht mehr sehen und bewundern
kann, habe ich selbst den größten Schaden dabei. Das muss mir
klar sein. Darum setzt Frieden auch voraus, und damit komme ich
wieder an den Anfang, dass ich heile werde, dass ich soweit
gesunde, dass ich in der Lage bin, das Schöne zu sehen und zu
bewundern. Frieden setzt voraus, dass ich den Krieg nicht als
natürlichen Zustand betrachte und akzeptiere. Krieg ist immer ein
Ausnahmezustand. Auch wenn wir die letzten 5.000 Jahre fast immer
irgendwie Krieg geführt haben. Doch wir müssen irgendwann damit
aufhören. 


Man muss auch nicht immer über Zen sprechen, um Zen zu
praktizieren. Das ist eine Einsicht, zu der ich auch irgendwann
gekommen bin.

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