Die "große Freude" diesseits der Welle Lk 2,1-14

Die "große Freude" diesseits der Welle Lk 2,1-14

3 Minuten

Beschreibung

vor 2 Jahren

In der Nacht auf den Heiligen Abend habe ich eine E-Mail
bekommen: „Jetzt baue ich unsere Krippe auf. Obwohl ja keine
kleinen Kinder mehr da sind, geht das bei mir nur nachts. Ich
freue mich. Du auch?“


„Ich verkünde euch eine große Freude!“ ruft der Engel in dieser
Nacht. „Und? Freust du dich?“ fragt mich nun jemand. Was soll ich
antworten? Auf meine Antwort kommt es heute Nacht an.


Drei Antworten kenne ich gut: Die erste Antwort lautet: „Ja,
früher – als Kind – habe ich mich gefreut. Und daran erinnere ich
mich gerne.“ Die zweite Antwort lautet: „Ich werde mich freuen.
Wenn die Krise vorüber, die Pandemie besiegt, unsere Entfremdung
überwunden, Friede und Freiheit gesichert und der Planet gerettet
ist, dann, ja dann werde ich mich freuen.“ Und die dritte Antwort
lautet: „Wenn die Dinge anders lägen, dann würde ich mich freuen.
Wenn ich nicht allein wäre, wenn ich gesund wäre, wenn meine
Kinder mir näher wären, wenn mein Ehemann etwas mitteilsamer oder
meine Ehefrau etwas weniger mitteilsam wäre, dann, ja dann würde
ich mich freuen.“ – Und je vergangener oder ausstehender oder
theoretischer die Freude wird, umso schlechter steht es um die
Freude in dieser Nacht.


Aber die Freude dieser Nacht besteht nicht bloß in der Erinnerung
an die untergegangene Weihnachtswelt unserer Kindheit. Sie
besteht auch nicht zuerst darin, sich auf ein sich irgendwann
vielleicht einmal einstellendes Glück zu freuen. Und am
allerwenigsten besteht die Freude von Weihnachten in einer
Träumerei, wie heil die Welt, wie glücklich mein Leben sein
könnte, wenn doch nur alles anders wäre.


Mit der Geburt Jesu kommt Gott als Mensch in diese wirkliche,
zerrissene, geschundene und bedrohte Welt. Gott kommt aus dem
Jenseits meiner Erinnerung in das Diesseits meiner Gegenwart. Er
kommt aus dem Jenseits des zukünftigen Himmels in das Diesseits
unseres täglichen Lebens. Und er kommt aus dem Jenseits des
Wünschenswerten in das Diesseits unserer Gegebenheiten und in die
Wirklichkeit dieser Nacht.


Wir dürfen mit der Freude nicht warten, bis das Leben wieder wird
wie früher oder wie wir es uns wünschen oder bis die nächste
Welle der Traurigkeits-Infektion vorüber ist.


Denn in Jesus ist Gott diesseits der Welle von Traurigkeit und
Krankheit, Not und Tod gekommen. Christus ist nicht gekommen, um
uns diese oder jene Freude zu machen. Er ist gekommen, um unsere
Freude zu sein. Indem er sich mit uns und wir uns mit ihm
verbinden. Heute Nacht noch. Und mitten in einer Zeit, die zur
Traurigkeit neigt.


Wenn mich das Kind in der Krippe heute Nacht fragt: „Freust Du
dich?“ Dann will ich sagen: „Ich freue mich. – Denn Du bist es,
der mich freut. Und alles, was mich sonst noch freut, verbindet
mich mit Dir.“


Fra' Georg Lengerke

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