Römische Sehschule Mk 10,13-16

Römische Sehschule Mk 10,13-16

3 Minuten

Beschreibung

vor 2 Jahren

Gestern war eine Delegation des Malteserordens beim Papst. Es
geht um einen Weg der Erneuerung, zu dem uns der Papst vor 5
Jahren aufgerufen hat. Zwei Stunden hat der Heilige Vater Zeit
für uns – nur kurz unterbrochen von einem Telefongespräch mit
Präsident Selenskyj. Wir Teilnehmer der Audienz haben ziemlich
miteinander zu ringen. Wir tragen unsere Sichtweisen vor und
haben unterschiedliche Ansichten darüber, was eine Erneuerung im
Sinne des Heiligen Vaters ist.


Schon den ganzen Samstag denke ich an die Frage Jesu aus dem
heutigen Evangelium, warum mir der kleine Sehfehler meines
Nächsten auffällt, meine eigene Blindheit aber nicht.


Bereits beim Zugehen auf die Audienz nehmen  uns die
Schriftlesungen ziemlich ran: „Klagt nicht übereinander, Brüder,
damit ihr nicht gerichtet werdet“, heißt es am Freitag im
Jakobusbrief (Jak 5,9-12). Und im Evangelium (Mk 10,1-12) warnt
Jesus vor der Hartherzigkeit, wegen derer Mose ein Zugeständnis
bei der Ehescheidung gemacht hatte. Am Samstag vor der Audienz
hören wir in der Messe das Evangelium von den Kindern bei Jesus
(Mk 10,13-16). Wir beten um eine kindlicheUnbefangenheit beim
Papstbesuch und darum, vor kindischer Rechthaberei bewahrt zu
werden.


Und heute also: „Warum siehst du den Splitter im Auge deines
Bruders, aber den Balken in deinem eigenen Auge bemerkst du
nicht?“ (Lk 6,41) Jesus verbietet uns nicht, um die Wahrheit zu
ringen. Aber ein verständiger und überzeugender Gesprächspartner
werde ich nur, wenn ich selbst um die Fehleranfälligkeit meiner
Perspektive weiß und an ihr arbeite. Autorität hat einer nur in
dem Maß, in dem er sich etwas sagen lässt.


Und darauf kommt es an: dass ich mir etwas sagen lasse. Von
verständigen und weisen Menschen. Und in allem von Gott, der mir
einmal sagen wird, dass ich kommen soll, auch wenn mein
Tunnelblick nicht sieht, wie das gehen soll.


Aus der kurzen Telefonpause mit dem ukrainischen Präsidenten
kommt der Heilige Vater schweren Schrittes und mit sorgenvollem
Gesicht.


Wenn einer seine Sicht nicht mehr für ergänzungsbedürftig hält,
dann hat der Krieg im Innern schon begonnen, denke ich mir. Und
mache mich wieder an das mühsame Geschäft, die anderen verstehen
zu wollen.


Fra' Georg Lengerke

Kommentare (0)

Lade Inhalte...

Abonnenten

15
15
:
: