Ostern: Zweierlei Morgen-Grauen

Ostern: Zweierlei Morgen-Grauen

4 Minuten

Beschreibung

vor 2 Jahren

Ein Sketch von Diether Krebs und Iris Berben zeigt das
Abendgespräch eines Paares. Sie hält ein Glas Wein. Er liest
Zeitung. Sie: „Weisst du Herbert, als ich aus dem Fenster sah,
graute der Morgen.“ Er schaut auf und sagt: „Dem Morgen.“


„Grauen“ kann beides bedeuten: das Dämmern am Morgen oder das
Entsetzen angesichts einer schrecklichen Erfahrung.


An diesem Ostermorgen muss ich an beides denken: an das dämmernde
und das entsetzliche Grauen. Die Frauen kommen zum Grab „als es
noch dunkel war“ (Joh 20,1). Vor dem Morgengrauen des
anbrechenden Lichtes erleben sie jenes andere Grauen: Das Grab
ist leer, die Grabesruhe zerstört, der Tote weggenommen. Es muss
für die Frauen am Grab eine Fortsetzung, ja Steigerung eines
grauenvollen Entsetzens gewesen sein.


Für viele Menschen bedeutet das „Grauen“ am Morgen nicht das Ende
der Nacht, der Dunkelheit, der Angst und des Schreckens, sondern
ihr Anfang.


Ich denke an Menschen, die an Depressionen leiden, für die am
Morgen nicht das beginnende Licht im Dunkel graut, sondern denen
schon am Morgen vor dem Tag graut, der ihnen ein nicht zu
überwindendes Hindernis scheint.


Auch Menschen, die in dieser Zeit morgens aus den Kellern und
U-Bahn-Schächten ihrer nächtlich bombardierten Städte kommen,
überkommt das Grauen angesichts dessen, was von ihren Lieben und
ihren Häusern noch übrig ist.


Und wie viele Menschen wachen gerade aus einem Traum von einer
friedlichen, sicheren, wohlhabenden Existenz auf und sehen das
Grauen der wirkliche Welt, die von Gewalt und Krieg, Verfolgung
und Flucht gezeichnet ist.


Und dann gibt es jenes andere, das dämmernde Morgengrauen. Wenn
die Nacht sich dem Ende neigt, der erste Silberstreifen des
Lichtes erscheint und Menschen die Hoffnung haben, dass auch die
inneren Nächte von Geist und Seele zu Ende gehen.


„Christus ist auferstanden! Er ist wahrhaft auferstanden!“ lautet
der Ruf der Kirche im heutigen Morgengrauen. Wenn wir den Zeugen
der Auferstehung glauben und uns ihrer Kommunikation mit dem
Auferstandenen anschließen, dann verändert sich etwas. Dann
werden wir durch zweierlei Morgen, zweierlei Erwachen und
zweierlei Grauen geführt.


Zweierlei Morgen: Ostern sagt uns, dass heute der Morgen eines
neuen Tages ist – und der Morgen einer neuen Zeit.


Zweierlei Erwachen: Wir wachen aus dem Heile-Welt-Traum in der
umkämpften Wirklichkeit auf – und wir werden geweckt in ein neues
Sehen dessen, was die unsterbliche Liebe tut.


Und zweierlei Grauen: Wir werden bevollmächtigt, uns mutig dem
Grauen angesichts menschlicher Abgründe zu stellen – und wir
beginnen auszuschauen nach dem Grauen des anbrechenden „Lichtes
vom Licht“, das mehr ist als Strahl, Welle oder Photonen.


Von Ostern an halten wir Ausschau. Und wir sehen im Glauben, dass
schon jetzt ein neuer Morgen graut. Nicht nur ein neuer Tag,
sondern eine neue Zeit.


Und es ist anders als im Sketch: Weder graut diesem Morgen vor
uns, noch graut uns vor diesem Morgen. Denn was im Glauben,
Hoffen und Lieben begonnen hat, ist der Ostermorgen der Welt. Der
Morgen, der „keinen Abend mehr kennt“ (Augustinus).


Fra' Georg Lengerke

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