Halbe Sachen machen Lk 14,25-33

Halbe Sachen machen Lk 14,25-33

3 Minuten

Beschreibung

vor 1 Jahr

Wer von Euch hat schon mal eine Kladde gekauft, um ein Tagebuch
zu führen, das ab dem fünften Tag leer blieb? Oder wer von Euch
hat schon mal für einen Online-Sprachkurs oder im Fitnessstudio
ein Jahr bezahlt und nur sieben Einheiten gemacht?


Wir machen halbe Sachen. Entweder, weil wir uns gar nicht
wirklich entschieden haben oder weil uns zu viel vornehmen oder
weil uns die vermeintlichen Ziele gar nicht wirklich wichtig
sind.


So, sagt Jesus, kann es auch im Glauben sein. Wo der Weg mit Gott
keine Veränderung im Leben bewirkt, dort gleicht ein Mensch einem
Bauherrn, der über das Fundament des geplanten Turmes nicht
hinauskommt und dann verspottet wird: „Der da hat einen Bau
begonnen und konnte ihn nicht zu Ende führen.“


Vielleicht ist das eine der Grundversuchungen des Christen, dass
wir irgendwie an Gott glauben und ihn vielleicht sogar in Jesus
erkennen, aber trotzdem hoffen, unbehelligt wie alle anderen
Menschen möglichst unauffällig weiter vor uns hinleben zu können.


Ich kenne Menschen, die machen eine wichtige Erfahrung im Glauben
und fangen neu an. Aber dann sind sie entweder zu wenig oder
übertrieben entschieden. Der Neuanfang verdampft. Und hinterher
finden Sie sich selbst weiter entfernt als zuvor.


In der Beziehung zu Gott soll es uns darum gehen, dass alle
Lebensbereiche – Leib und Seele, Intellekt und Emotion, Natur und
Kultur, Verhältnisse und Beziehungen – mit Gott in Verbindung
kommen. Dass sie im Glauben an ihn gesehen, gedeutet, verstanden
und neu bewertet werden. Und zwar in der Konkretion, die sich im
Verhältnis zwischen Jesus und seinen Jüngern zeigt.


Nur so kann ich mir das harte Wort vom „hassen“ unserer
Angehörigen und unseres eigenen Lebens erklären. Jesus meint ja
nicht eine Feindschaft, sondern eine radikale Neubewertung, in
der wir nicht miteinander über Gott urteilen, sondern mit Gott
aufeinander schauen; dass also kein Mensch das Licht ist, in dem
ich die Welt oder mich selbst sehen kann, sondern Gott das Licht,
der Schlüssel zum Verständnis und zur Erkenntnis der Welt, der
Dinge und Menschen ist, in der wir einander wahrhaft erkennen und
lieben können.


Und das sollen wir nicht bloß mitunter, sondern immer, nicht nur
halb, sondern ganz tun. Nicht bloß in emotionalen
Schlüsselmomenten, im Verliebtsein oder beim Kirchgang – sondern
immer und überall.


Doch auch dann machen wir immer noch halbe Sachen. Gestern Abend
habe ich die Heilige Messe am Vorabend mit einem alten Malteser
gefeiert, der bis vor kurzem ein wichtiges Amt innehatte.
Kurzfristig musste er es abgeben. Ich glaube, er fühlte sich
immer ein wenig überfordert. Als wir die Messe feierten und das
Evangelium von heute lasen, habe ich ihn angeschaut und mir
gedacht: Das will ich mit meinem alten Bruder lernen, dass wir
alles ganz mit Jesus tun sollen, auch wenn es uns übersteigt und
am Ende halb bleibt. Und dann dürfen wir vertrauen, dass Gott es
ist, der am Ende unsere halben Sachen ganz macht.


Fra' Georg Lengerke

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