Den Nahen fern und den Fernen nah Lk 17,11-19

Den Nahen fern und den Fernen nah Lk 17,11-19

4 Minuten

Beschreibung

vor 1 Jahr

Manchmal können wir von einem Menschen sagen: Wir sind einander
nahe. Oft müssen wir von Menschen sagen: Wir sind einander fern.
– Es kommt aber auch vor, dass wir Menschen nahe sind, die uns
fern, oder Menschen uns nahe sind, denen wir fern sind.


Denkt einmal an Eure Beziehungen, in denen es solche Ungleichheit
oder Ungleichzeitigkeit gibt: Zu jemandem der mich wiedererkennt,
aber ich ihn nicht. Zu einem Freund, der in Depression verstummt,
dem ich treu bleibe. Am Anfang die Verliebtheit zu einer, die das
nicht ahnt; oder am Ende meine Vertrautheit zu einem geliebten
Alten, der mein Gesicht nicht mehr erkennt.


So geht es Gott mit dem Menschen. Die Offenbarung sagt: Gott ist
dem Menschen nahe. Immer. Näher, als er sich selbst ist. Aber der
Mensch ist Gott nicht nahe. Zumindest nicht immer. Oder mal mehr
und mal weniger. „Wenn wir untreu sind, bleibt er doch treu“,
schreibt Paulus an Timotheus in der heutigen zweiten Lesung (2
Tim 2,13).


Im Evangelium begegnet Jesus zehn Aussätzigen. Sie bleiben in der
Ferne. Aus Ansteckungsgründen waren sie gesetzlich zum
Fernbleiben verpflichtet. Sie hätten vor sich warnen und rufen
müssen: „Unrein! Unrein!“ (Lev 13,45).


Stattdessen rufen sie aus der Ferne: „Jesus, Meister, hab
Erbarmen mit uns!“ Aus der Ferne trauen sie sich. Aus der Ferne
glauben sie, was man ihnen von Jesus erzählt: Das er denen nah
ist, die ihm fern sind.


Jesus stürmt nicht auf sie zu. Von Franz von Assisi erzählte man,
er habe seinen Ekel überwunden, sei vom Pferd gestiegen und habe
einem Aussätzigen die Hand geküsst. Hier tut Jesus nichts
dergleichen. Er verlangt nur, was das Gesetz nach einer Heilung
verlangt: „Geht, zeigt euch den Priestern.“ (Lev 14,2-4) – Zeigt
euch! Die Aussatz hatten, soll sich aussetzen. Auf dem Weg, heißt
es dann, werden sie gesund.


So weit, so gut. Aber die Ferne bleibt. Die aus der Ferne
Geheilten bleiben in der Ferne. Sie nehmen es selbstverständlich.
Sie mögen sich denken: Was ich habe, habe ich. Nichts wie weg.


So denken sie alle. Außer einem. Einem Fremden. Einem doppelt
Fremden. Einem Aussätzigen aus Samarien. Kein Jude, sondern einer
von außen. Er kehrt zu Jesus zurück, um zu danken und Gott die
Ehre zu geben. Nicht mehr aus der Ferne, sondern aus nächster
Nähe. Nicht mehr vor sich warnend, sondern aus sich jubelnd.


Ich kenne Menschen, die sich nicht zu beten, zu singen oder in
die Kirche trauen, weil sie sich Gott fern finden. Aber wir
sollen nicht warten, bis wir meinen, wir seien Ihm nah genug. Er
ist uns nah, wenn wir Ihm fern sind. Also können wir aus der
Ferne rufen. Und wenn wir merken, dass wir Grund zum Danken
haben, dann werden wir – wie der Aussätzige aus Samarien – auch
merken, dass wir in die rettende Nähe dessen gekommen sind, der
uns schon nahe war, als wir ihm noch fern waren.


Fra' Georg Lengerke

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