Zieh mich an (Weihnachten) Lk 2,1-14

Zieh mich an (Weihnachten) Lk 2,1-14

5 Minuten

Beschreibung

vor 1 Jahr
Eine tägliche Frage: Was zieht mich an? Was stößt mich ab? Und:
Wovon soll ich mich anziehen lassen? Wovon mich zurückziehen?
Bauchgefühl reicht nicht. Es gibt Anziehendes, vor dem ich mich
hüten, und Abstoßendes, das ich mir nahegehen lassen soll. Auch
verschiedene Ausdrucksformen von Weihnachten können etwas
Anziehendes oder Abstoßendes haben. Was zieht Euch an Weihnachten
an? Ist es die Unterbrechung in einer herausfordernden Zeit? Das
Zusammensein mit lieben Menschen? Ist es die Erinnerung an Eure
Kindheit? Oder ist es die Hoffnung, eine Antwort auf die Frage zu
bekommen, was in dieser verrückten Welt eigentlich Sinn macht? Und
was hat Euch heute hierher in die Kirche gezogen? Auch die Kirche
hat ja für viele etwas Abstoßendes und für andere zugleich etwas
Anziehendes. Ist es das Festliche und Erhebende dieses Tages? Sind
es die altvertrauten Lieder? Ist es die Botschaft des Festes, die
immer weniger Menschen kennen und auch ihnen irgendwie
geheimnisvoll bleibt? Wer immer weiter danach fragt, was ihn an
Weihnachten anzieht, landet irgendwann am Mittelpunkt und
Treffpunkt dieses Festes. Das ist eine Futterkrippe, in der ein
neugeborenes Kind in Windeln liegt. Wer hier verweilt, dem kann
sich zeigen, dass die Anziehungskraft des Weihnachtsfestes nicht
nur in der so wichtigen Unterbrechung des alltäglichen Wahnsinns
besteht, nicht allein in unserem zerbrechlichen Miteinander, in
Erinnerungen oder Stimmungen. An der Krippe kann uns aufgehen: Es
ist nicht etwas, was mich zu Weihnachten anzieht, sondern jemand.
Weihnachten ist die Begegnung mit einem Kind, in dem Gott als
Mensch zur Welt kommt. Es ist der Beginn einer Beziehung, eines
Gespräches. Für die einen ist es der Neuanfang eines schon lange
währenden Gespräches. Für die anderen vielleicht die Gelegenheit,
einen länger abgerissenen Gesprächsfaden wieder aufzunehmen. An
Weihnachten schaut Gott uns in der Gestalt eines Kindes an und
sagt: Da bist du ja! Mir kommt es so vor, als wollte Gott uns
nochmal in unserer Kindheit, nochmal am Anfang des Glaubens
abholen, um mit ihm nochmal erwachsen und alt zu werden. Als
sollten wir zusammen mit diesem Kind nochmal erkennen und urteilen,
reden und handeln, leben und lieben lernen. Weihnachten ist
Christsein im Anfang. Für alle Menschen, die das wollen. Auch für
die Christen und für die, die es wieder werden wollen. „Zieh mich
dir nach“ singen die Christen in dem alten Weihnachtslied „In dulci
jubilo“: „Trahe me post te – Zieh mich hinter dir her“. Das sagt im
Hohenlied der Liebe (Hld 1,4) die Geliebte zum Geliebten und die
Seele zu Gott, die um seine Anziehungskraft, seine „Attraktivität“
weiß und sich ihr aussetzt. Jesus selbst kennt die Dynamik von
Anziehung und Abstoßung. Er lässt sich anziehen von einer
abstoßenden Welt. Er liebt sie – auch wenn sie keine Herberge und
keinen Platz für ihn hat.  Am Ende seines Lebens wird er
sagen: „Wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir
ziehen“ (Joh 12,23) An der Krippe kann unsere Geschichte der
Anziehungskraft, der Attraktivität der Liebe Gottes neu beginnen.
Und vielleicht können wir heute an der Krippe das Gespräch
fortsetzen, dass wir in dem alten Kirchenlied begonnen haben: Ziehe
mich zu Dir. Ziehe mich heraus aus meinen alten Verstrickungen und
Kränkungen; aus den Entstellungen und Verleugnungen. Zieh mich an
Dich, in Deine Nähe, in Deine Freundschaft, in Deine Fähigkeit zu
lieben und mich lieben zu lassen. Ziehe mich hinter Dir her – in
die Welt, zu den Menschen, dahin, wo Du mich brauchst, wo es mir
vielleicht unheimlich, aber die Liebe es wert ist. Und dann einmal
in den Himmel, von wo Du uns entgegenkommst, damit einmal alle bei
Dir sind. Fang neu mir mir an und – „trahe me post te.“ Fra' Georg
Lengerke

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