Seid alle (m)einer Meinung! 1 Kor 1,10-13.17

Seid alle (m)einer Meinung! 1 Kor 1,10-13.17

4 Minuten

Beschreibung

vor 1 Jahr

„Wir sollten gemeinsam nach vorne schauen“, sagt mein Gegenüber.
Wir sind auf einer Versammlung meiner Gemeinschaft vor den Toren
Roms. Es geht um wichtige Fragen unserer Zukunft und unserer
Sendung in der Welt.


„Duldet keine Spaltung unter euch“, schreibt der Apostel Paulus
den Christen in Korinth. Stattdessen sollen sie einig sein, indem
sie mit „einer Stimme“ reden und „eines Sinnes“ und „einer
Meinung“ sind.


Ich bekomme ungern gesagt, ich solle mit jemandem einer Meinung
sein. „Meinung“ ist hier gleichbedeutend mit „Urteil“. Wenn ich
anderes erkannt zu haben meine und zu anderen Schlüssen komme,
kann ich gar nicht einfach „einer Meinung“ mit einem anderen
sein. Und ist das eigentlich erstrebenswert und nicht vielmehr
langweilig, mit jemandem in allem einer Meinung zu sein?


Einheit ist auch im Neuen Testament kein absoluter Wert. Jesus
sagt den Jüngern, sie sollen „alle eins sein“ (Joh 17,21), damit
die Menschen an ihn glauben können. Zugleich aber hören wir, dass
es Spaltungen um seines Namens willen geben wird – und zwar bis
in unsere nächsten Beziehungen hinein (Mt 10,34-36; 1 Kor 11,19).
Es gibt also beides: Differenzen um Gottes willen und Differenzen
gegen den Willen Gottes, die das Zeugnis für ihn unglaubwürdig
machen.


Während unserer Gespräche hier merke ich: Je nachdem, was das
Ziel einer Gemeinschaft ist, gibt es wichtigere und weniger
wichtige Themen zur Erreichung dieses Zieles. Je wichtiger das
Thema, umso wichtiger ist eine Übereinstimmung im Urteil.


In unseren Begegnungen ist es auch oft wichtig, dass verschiedene
Urteile zusammenkommen, sich ergänzen und zu einer gründlichen
und umfassenden Urteilsbildung beitragen. Schon wenn wir allein
sind, haben wir ja bereits mit unseren Augen zwei etwas
unterschiedliche Perspektiven, die uns dreidimensional sehen
lassen. Oder wir holen eine „zweite Meinung“ ein, wenn es um eine
wichtige Diagnose oder Behandlung geht.


Und schließlich kann „Meinung“ beides bedeuten: Ansicht oder
Absicht – wie ich eine Sache sehe und worum es mir bei einer
Sache geht. Letzteres zum Beispiel, wenn in der katholischen
Kirche eingeladen wird, „in der Meinung des Heiligen Vaters“ zu
beten, sich also ein Gebetsanliegen, eine Absicht des Papstes für
die ganze Kirche zu eigen zu machen.


Wenn wir Einheit wollen, können wir verschiedener Ansicht sein.
Aber wir sollten dieselbe Absicht haben.


Wenn uns die gemeinsame Absicht fehlt, dann ist die Einheit der
Kirche, einer Gemeinschaft oder auch einer Ehe nicht zu retten.
Dann werden die Ansichten und Absichten von Wortführern zum
Identifkationskriterium. Deshalb beginnt in Korinth der
Personenkult. Aber es geht gar nicht um die Ansichten und
Absichten von Kephas oder Paulus oder Apollos, sagt Paulus den
Korinthern, sondern es geht um Christus. Und der ist nicht
zerteilt.


Daher gilt für Christen immer, dass es uns um unsere Ansichten
auf Christus und um die Absicht Christi geht. Anders gesagt: um
„Christi Sinn“ (1 Kor 2,16). Und der besteht darin, dass seine
Liebe und sein Erbarmen, sein Wort und seine Tat zu uns und
zusammen mit uns zu allen Menschen kommen – besonders zu den
Armen und Kranken.


Ich frage in diesen Tagen sehr viel nach den Ansichten der
anderen und danach, was unsere gemeinsame Absicht ist. „Wir
sollten nach vorne schauen“, sagt mein Gesprächspartner.
„Einverstanden“, antworte ich, „lass uns darüber reden, worum es
uns miteinander und mit Christus geht.“


Fra' Georg Lengerke

Kommentare (0)

Lade Inhalte...

Abonnenten

15
15
:
: