Beziehungsweise Christus Joh 20,19-31

Beziehungsweise Christus Joh 20,19-31

4 Minuten

Beschreibung

vor 1 Jahr

Die Auferstehung Jesu ist für einige Jünger eine schmerzhafte
Erfahrung: Die einen begegnen ihm, die anderen nicht. Zehn
Jüngern zeigt er sich am Ostermorgen – und einem nicht. Thomas
reagiert fast trotzig: Wenn ich ihn nicht sehen und berühren kann
wie Ihr, glaube ich nicht.


Dass der Auferstandene sich nach Ostern den einen zeigt und den
anderen nicht, hat offenbar Methode. Petrus erzählt in seiner
Pfingstpredigt (die am Ostermorgen gelesen wurde) Jesus habe sich
nach seiner Auferstehung nicht allen gezeigt, sondern nur "den
von Gott vorherbestimmten Zeugen" (Apg 10,41).


Warum zeigt er sich nicht allen? Der Auferstandene erscheint zu
Beginn denen, die sich zuvor für ihn entschieden haben. Seine
Erscheinungen knüpfen an das an, was sie vorher mit ihm erlebt
haben. Er erscheint nicht, um Fremde zu überwältigen. Sondern der
Auferstandene will den Weg mit den Zeugen seines irdischen Lebens
auf eine verwandelte Weise fortsetzen – und zwar um aller anderen
Menschen willen.


Die Auferstehung Jesu Christi verändert nicht bloß die Beziehung
seiner Jünger zu ihm, sondern auch deren Beziehung zueinander und
zu den anderen Menschen.


Der Auferstandene kommt in die ängstliche Abschottung seiner
Jünger, um diese aufzubrechen und seine Zeugen zu bevollmächtigen
und zu senden. Schon Im Obergemach durch die Anhauchung und die
Gabe des Heiligen Geistes, Sünden vergeben zu können. Und an
Pfingsten dann in der universalen Sendung zu allen Menschen.


Und damit verändern sich unsere Beziehungen fundamental: Sie
werden gewürdigt, zu einer Weise der Offenbarung Jesu Christi zu
werden.


Denn nach Pfingsten werden es die Worte, die Taten und das Leben
der von Jesus erreichten Menschen sein, die anderen Menschen von
Gott und Jesus Christus erzählen. Das ist im Vergleich zum
irdischen Erscheinen Jesu Christi nicht bloß eine Notlösung oder
eine Offenbarung zweiter Klasse. Im Gegenteil: Gerade so, gerade
in diesen Beziehungen teilt er selbst sich mit.


Ich bin überzeugt, dass Christus in der Welt auf unendlich viele
unbegreifliche Weisen gegenwärtig ist und wirkt. Aber der
Königsweg der Offenbarung ist das einfache und bescheidene,
vollmächtige und starke Zeugnis des eines Menschen für den
anderen, durch das Jesus selbst sich mitteilt.


Deshalb besteht der größte Skandal der Kirche unserer Zeit darin,
dass das Leben, Reden und Tun der Christen und der Kirche
vielfach gar nicht mehr von Jesus Christus erzählt. Wir haben uns
mancherorts in der Verleugnung Jesu geradezu eingerichtet. Und
die Sünden in der Kirche sprechen Bände davon.


Es ist von Thomas nicht wenig verlangt, der erste zu sein, der
allein aufgrund des Wortes der anderen Jünger glauben soll. Aber
Jesus bestätigt ihm das Wort der Apostel und der beginnenden
Kirche, als Thomas ihn sieht, ihn berührt und ihm glaubt.


Wenn mein Leben sich vollendet, werde auch ich Jesus sehen. Und
ich vertraue darauf, dass er auch mir dann bestätigen wird, was
ich den Aposteln und der Kirche und meinen Brüdern und Schwestern
bis heute geglaubt habe: dass Jesus von den Toten auferstanden
und als Auferstandener unter uns gegenwärtig ist.


Und ehrlich, auf dieses Sehen freue ich mich.


Fra' Georg Lengerke



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