Rückfall oder Vorsprung Joh 21,1-14

Rückfall oder Vorsprung Joh 21,1-14

5 Minuten

Beschreibung

vor 1 Jahr

Als Kind und Jugendlichem standen mir Sonntagnachmittage und
-abende häufig bevor. Vor allem nach Ferien oder einem schönen
Erlebnis. Sonntagnachmittags überkamen mich der Kater und die
Sorge, wie der Alltag in solcher Traurigkeit nur zu schaffen sei.


Zurück in den Alltag gehen auch die Jünger nach dem Tod und der
Auferstehung Jesu. Petrus beschließt: „Ich gehe fischen.“ Er geht
in das zurück, was er kann und worin er sich auskennt. Andere
Apostel schließen sich an.


Dieses „Zurück in den Alltag“ kann zweierlei sein: Es kann ein
Hinweis darauf sein, dass Christsein bedeutet, in der
unaufgeregten Normalität des Alltags im Glauben an den
auferstandenen Herrn und in Gemeinschaft mit ihm zu leben.


Aber bei Petrus ist später vom Fischerhandwerk nicht mehr die
Rede. Er wird reisen und das erzählen und bezeugen, was die
Jünger mit Jesus erlebt haben und was damit Neues von Gott in die
Welt gekommen ist.


„Ich gehe fischen“ – kann deshalb auch ein Rückzug in das alte,
ehemalige, eigentlich zurückgelassene Leben sein. Eine Art
Regression auf vertrautes Terrain, nach dem scheinbar
gescheiterten Versuch, ein neues Leben zu beginnen.


Ich kenne diesen resignativen Rückzug auf das Vertraute und
Gewohnte. Ich kenne ihn bei mir selbst, bei der Kirche und auch
bei meiner Gemeinschaft.


Uns Maltesern geht es ähnlich wie anderen Gemeinschaften in der
Kirche. Wir haben vor Jahren einen Prozess der „geistlichen und
moralischen Erneuerung“ begonnen. Wir merken, dass eine solche
Erneuerung nicht so einfach ist. Sie verlangt Ungewohntes von
uns: einerseits die Anknüpfung an Ursprüngliches, andererseits
manches Neue. Es gibt Streit um sie.


Das ist häufig der Moment des Rückzugs aufs „Fischen“, auf das,
worin die meisten von uns sich gut auskennen: also auf
Organisation und Wirtschaftlichkeit, auf den Ausbau unserer
Dienste und unserer Relevanz. Wir haben Schönes oder
Schmerzliches erlebt, wissen nicht, wie es weitergeht, und sind
wieder Fischer, die fischen.


Wo ich in diese Regression zurückfalle, wird mein Leben klein und
traurig. Wo wir uns auf das reduzieren, was wir schon immer gut
zu können meinten, da wird das Leben der Kirche geschrumpft. Es
wird geschrumpft auf unser eigenes oder das Format derjenigen,
die zwar die Aufsicht, aber keine Aussicht, die zwar das Sagen,
aber nichts zum Sagen haben.


Im Evangelium geschieht der Einbruch in diesen Alltag, als der
Auferstandene am Ufer steht. Es beginnt ein Gespräch mit dem
Unerkannten. Er lässt die Jünger nach dem erfolglosen Fischzug
der Nacht noch einmal das Netz auswerfen. Es ist zum Bersten
voll.


Aber nicht Petrus sondern Johannes erkennt Jesus zuerst: „Es ist
der Herr!“


Und dann geschieht das Entscheidende: Petrus springt. Für mich
ist das eines der schönsten Bilder des Glaubens: im Vertrauen auf
den Auferstandenen mich Ihm entgegenzuwerfen, den Sprung zu wagen
in die Gelegenheiten bei Ihm, und mit Ihm bei den Anderen zu sein
– hinein in die unsterbliche Gemeinschaft mit ihm.


Solches Springen ist gut gegen die traurige Schrumpfung des
Lebens auf das von mir für möglich Gehaltene.


Es ist Ostern. Es ist Zeit, der Regression und Resignation zu
widerstehen: indem ich wie die Jünger im Boot mit dem
Auferstandenen spreche – auch wenn ich Ihn noch nicht ganz
erkannt habe; indem ich tue, was Er sagt – auch wenn ich noch
nicht ganz verstanden habe, was das soll; indem ich meiner
Schwester oder meinem Bruder glaube, dass der Unbekannte der Herr
ist – auch wenn ich Ihn lieber selbst zuerst erkannt hätte;


und schließlich indem ich springe – ohne mich um Boot und Beute,
Netze und Leute zu sorgen. Die kommen schon nach.


Und dann wird der Sonntagabend auch nicht mehr traurig sein.


Fra' Georg Lengerke



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