Ana malaki - Ich bin eine Königin (Christkönig, Mt 25,31-46)

Ana malaki - Ich bin eine Königin (Christkönig, Mt 25,31-46)

4 Minuten

Beschreibung

vor 5 Monaten

Die erste Oktoberwoche verbrachten wir eine Ferienwoche in den
Bergen über Beirut mit psychisch kranken Frauen. Da wussten wir
noch nicht, dass es einstweilen die letzte sein wird.


Viele der Frauen sprechen Französisch oder Englisch oder beides,
einige haben studiert. Eine hat ein Buch geschrieben. Bei
entsprechender medizinischer und freundschaftlicher Unterstützung
würde eine Reihe von ihnen auch alleine oder in Wohngruppen leben
können. Hier in Libanon jedoch sind sie alle in einer großen
Einrichtung, deren Träger große Mühe haben, einen medizinischen
und humanitären Mindeststandard aufrechtzuerhalten. Ihre
Situation ist prekär. Sie schlafen in Neunerzimmern, es gibt
praktisch keine Privatsphäre. Eine Frau erzählt, die wohlhabende
Familie ihrer Schwester habe sie einweisen lassen, weil sie dort
nicht tragbar sei. „Aber sie lieben ihre Hunde“, erzählt sie,
„für die würden sie alles tun.“ Und nach einer Pause: „Ich
wünschte, ich wäre ein Hund. Dann würden sie mich auch lieben und
ich hätte ein Zuhause.“


In der Kapelle des dortigen Hauses der Malteser steht seit diesem
Sommer eine Holzfigur des Bonner Künstlers und Diakons Ralf
Knoblauch. Knoblauchs Skulpturen sind sehr einfache Figuren. Als
hätte ein Kind sie gemacht. Vielen sieht man die kantige Form des
Holzscheits noch an, aus dem sie geschnitzt wurden. Unsere hat
eine Jeans und ein weißes T-Shirt an – und eine goldene Krone auf
dem Kopf. Es ist ein König in Alltagskleidung. Ralf Knoblauch hat
mittlerweile hunderte von Figuren geschaffen – Königinnen und
Könige. Jeden Morgen eine. Sie stehen an Orten, an denen die
Würde des Menschen verletzt oder vergessen oder ausdrücklich in
den Fokus ihrer Mitmenschen genommen wird.


In der Heiligen Messe am letzten Morgen der Ferienwoche lesen wir
die Lesungen und beten die Gebete vom Christkönigsfest, das wir
heute feiern. Es handelt von jenem König, der in die Welt kommt
und von der Welt nicht erkannt, sondern verkannt, nicht geehrt,
sondern verworfen wird. Von jenem König, der sein Königtum nicht
von Menschen hat, sondern ganz „von Gottes Gnaden“ ist. Von jenem
König, der seine Königswürde nicht für sich behält, sondern allen
mitteilt und in allen zum Vorschein bringt – auch in den
Verkannten, Verworfenen und Weggesperrten. Dort wohnt er, als
König eines Volkes von Königen und Königinnen. Dort will er sich
finden lassen, wenn er sagt, was wir einem der Geringsten seiner
Schwestern und Brüdern getan haben, das haben wir ihm getan.


Nach der Predigt nimmt jede Frau, die das will, den hölzernen
König in die Hand und sagt: „Ana malaki! – Ich bin eine Königin!“
Manchen kommt das Wort nur schwer über die Lippen. Den einen ist
das Wort zu groß. Den anderen scheint es zu einfach dahergesagt.
Eine sagt: „Christus ist König…“ und nach einer Pause: „…und ich
bin eine Königin!“ Eine andere schweigt eine Weile und sagt
leise: „Mit Bescheidenheit und Stolz: Ich bin eine Königin!“ Eine
andere strahlt und wartet darauf, aufstehen und sagen zu dürfen:
„Wegen der Liebe Gottes zu mir bin ich eine Königin!“


Dann kommt die Frau an die Reihe, die sich vorgestellt hat, wie
es wäre, ein Hund zu sein, um bei ihrer Schwester wohnen zu
dürfen und geliebt zu werden. „Ich selbst kann es noch nicht
glauben, aber Gott sagt mir: Ana malaki – Ich bin eine Königin."


Am folgenden Tag, dem 7. Oktober, beginnt von neuem ein Krieg im
Heiligen Land. Hunderte Kinder, Frauen und Männer sterben schon
in den ersten Stunden. Jeder Tod ist ein Königsmord und eine
Selbstentwürdigung der Mörder.


Nun werden wir einander eine Weile nicht sehen können. Aber uns
verbindet, dass wir miteinander Anteil haben an der Würde, die
von Gott kommt. Und wir wollen Tag für Tag so leben, dass wir
Gott und einander glauben, dass wir alle königliche Menschen
sind.


Fra' Georg Lengerke

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