Jetzt mal abgesehen von uns Joh 1,35-42

Jetzt mal abgesehen von uns Joh 1,35-42

5 Minuten

Beschreibung

vor 3 Monaten

Manchmal begegnen uns Menschen, die so von Äußerlichkeiten in
Anspruch genommen sind, dass ein Blick nach innen für sie eine
Lebenswende bedeuten würde.


Andere dagegen sind so mit sich selbst beschäftigt, dass ihr
Aha-Erlebnis darin bestünde, einmal von sich abzusehen, um die
Welt um sich wahrzunehmen. Und damit auch das, was in ihr für ihr
eigenes Leben und das ihrer Nächsten existentiell relevant und
daher im Augenblick wichtiger ist als ihr eigenes Befinden.


Gegen ein solches Absehen von sich selbst kann sich Widerstand
regen. Manche haben sich in ihrer Innerlichkeit eingerichtet und
fürchten, von dem, was ihnen begegnet, infrage gestellt zu
werden.


Andere fürchten, durch Absehen von sich selbst als Verharmloser
ihrer Schuld und Vertuscher ihrer Schwächen zu gelten.


Und dann gibt es auch noch welche, die so von sich überzeugt
sind, dass sie Angst haben, andere oder anderes könnte
bedeutender sein als sie selbst.


Wenn ich ehrlich bin, ist mir auch selbst all das nicht fremd:
die einseitige Inanspruchnahme von außen oder von innen und der
Widerstand dagegen, mal von mir abzusehen.


Und schließlich kenne ich das auch von der Kirche und ihren
Gemeinschaften: dass sie (entweder an sich verzweifelnd oder von
sich selbst betört) so mit sich selbst beschäftigt sind, dass sie
glauben, es sich keinesfalls leisten zu können, von sich
abzusehen.


In den biblischen Lesungen an diesem Sonntag begegnen uns zwei
Menschen, die so von sich absehen, dass das, was dadurch für
andere hörbar und sichtbar wird, zur Lebenswende wird.


Der junge Samuel hört eine nächtliche Stimme seinen Namen rufen.
Er meint, es sei die des alten Priesters Eli, und tritt an dessen
Lager. Zweimal verneint dieser, ihn gerufen zu haben. Beim
dritten Mal erkennt Eli, dass Gott selbst den Knaben gerufen hat:
„Wenn er dich ruft, dann antworte: Rede, Herr; denn dein Diener
hört.“ (1 Sam 3,9) Die Stimme ruft wieder. Samuel antwortet, wie
Eli sagt. Und Gott spricht…


Am Anfang des Johannesevangeliums weist der Täufer Johannes
gleich zu Anfang darauf hin: „Ich bin nicht der Christus!“ (Joh
1,20) Was muss das für eine gewaltige Versuchung gewesen sein,
die Menschen im Zweifel darüber zu lassen, dass er erwartete
Retter sei.


In der Szene heute weist er zwei seiner eigenen Schüler auf Jesus
hin, in dem Johannes den Christus, den göttlichen Gesalbten und
Retter der Welt erkannt hat: „Seht, das Lamm Gottes!“, sagt er in
Anspielung auf ein Prophetenwort. Die beiden hören es, verlassen
den Täufer und gehen hinter Jesus her.


Es ist entscheidend wichtig für das Christsein im Allgemeinen und
für die Dienste in der Kirche im Besonderen, dass wir immer
wieder von uns absehen. Ohne Angst davor zu haben, infrage
gestellt zu werden. Ohne sich damit schon für einen Verharmloser
oder Vertuscher zu halten. Und ohne die Angst, dadurch an
Bedeutung zu verlieren.


Samuel wird zum Propheten, weil Eli die Stimme Gottes nicht für
seine ausgibt, sondern von sich absieht und den Jungen lehrt,
Gottes Stimme zu vernehmen und zu verstehen. Andreas und sein
Gefährte lassen sich von Jesus infrage stellen und einladen, weil
Johannes sie auf ihn verweist und sie weggehen lässt.


Eli, der Priester von Schilo, und Johannes, der Täufer am Jordan,
erinnern uns daran, worauf es beim Christsein, bei der
geistlichen Freundschaft und Begleitung und beim Zeugnis der
Christen ankommt:


Es kommt darauf an, dass einer dem anderen von dem erzählt, was
er erlebt und als wahr erkannt und als Lebensprägung angenommen
hat. Und dass er dann dem anderen hilft, selbst zu hören und zu
verstehen (wie Samuel) oder zu sehen und zu erkennen (wie Andreas
und der andere Jünger), was es heißt, auf Gott zu hören und mit
Christus zu leben und zu lieben.


Wo es Wege und Orte, Gemeinschaften und Dienste, Freundschaften
und Beziehungen gibt, in denen Menschen einander so von sich
erzählen und so von sich absehen – um Gottes Willen – da fängt
etwas Neues an.


Fra' Georg Lengerke

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