Händlerin oder Offenhalterin? Joh 2,13-25

Händlerin oder Offenhalterin? Joh 2,13-25

5 Minuten

Beschreibung

vor 2 Monaten

In manchen Kirchen ist der Eingangsbereich ein Kampfplatz. Zum
einen finden sich da vom Pfarrbüro angebotene Pfarrbriefe und
Zeitschriften, Postkarten und Eine-Welt-Artikel. Zum anderen
platzieren dort opponierende Aktivisten ihre eigenen und
entfernen die gegnerischen Postillen – die einen mit Szenarien
eines verdienten apokalyptischen Weltuntergangs, die anderen mit
Aufrufen zu dessen ökopolitischer Verhinderung.


Früher habe ich angesichts solcher Scharmützel und zugeräumter
Eingänge häufig an die Schriftstelle von der Tempelreinigung
gedacht: Jesus wirft die Händler, die Rinder und Schafe für den
Opferkult verkaufen, und die Geldwechsler aus dem Jerusalemer
Tempel. „Schafft das hier weg, macht das Haus meines Vaters nicht
zu einer Markthalle!“


In der folgenden Auseinandersetzung wird jedoch deutlich, dass es
um mehr geht als um die Würde eines heiligen Ortes. Auf die
Frage, was für ein Zeichen er vorweisen könne, dass er das dürfe,
spricht Jesus davon, dass er den niedergerissenen Tempel „in drei
Tagen wieder aufrichten“ werde. „Er aber meinte den Tempel seines
Leibes“, ergänzt der Evangelist. Es geht nicht bloß um das
Gebäude. Es geht um die Gegenwart Gottes in der Welt. Und für die
steht zunächst der Tempel in Jerusalem. Hier wird die Stelle
frei- und die Welt offengehalten für die geheimnisvolle und
unbegreifliche Gegenwart Gottes. Und Jesus behauptet nun nicht
weniger, als dass diese Gegenwart in ihm personal und
unüberbietbar in die Welt gekommen sei.


Für die frühen Theologen der Kirche war die Tempelreinigung eine
vorweggenommene Kirchenkritik: „Die Händler in der Kirche sind
die, welche ihren Vorteil suchen, nicht das, was des Herren ist“,
schreibt Augustinus. Und für Beda Venerabilis sind es die, welche
die ihnen verliehene „Gnade des Heiligen Geistes […] um der Gunst
der öffentlichen Meinung willen (lat.: ad vulgi favorem)“ und nur
gemäß ihrer eigenen Vorliebe weitergeben.


Wir dürfen mit Gott nicht Handel treiben. Weder indem wir das,
was wir ihm geben, mit dem verrechnen, was wir von ihm bekommen.
Noch indem wir das Seine anderen weitergeben, um uns daran
letztlich zu bereichern.


Aber auch die Kirche als ganze darf nicht zum Markt oder zur
Händlerin auf demselben werden. In der Gefahr ist sie überall
dort, wo sie nur noch als Anbieterin sozialer oder spiritueller
Dienstleistungen wahrgenommen wird. Als solche ist sie in
Deutschland die zweitgrößte Arbeitgeberin nach dem Staat. Und
laut Statistik waren 2022 in der evangelischen Kirche und ihren
Einrichtungen bereits mehr Menschen angestellt als sonntags in
die Kirche gehen. In der katholischen Kirche wird das absehbar
auch so sein.


Es ist gut und notwendig, dass Menschen für die Kirche arbeiten.
Wo wären wir ohne sie? Auch ich gehöre zu ihnen. Und es gehört
zum Wesen der Kirche, dass sie den Menschen dient.


Aber wozu dient sie eigentlich? Wenn die, denen die Kirche Geld
gibt, mehr sind als die, denen sie das Wort Gottes gibt, wenn sie
mehr Arbeitgeberin als Sinngeberin, mehr Markthändlerin als
Offenhalterin für die Gegenwart Gottes ist, dann ist sie in eine
Schieflage gekommen, in der ein Boot längst gekentert wäre. Und
die ist einer der Gründe, warum viele Gottsucher sich gelangweilt
abwenden von einer Kirche, die keine sein will.


Ich weiß nicht, wie sich das grundsätzlich ändern soll. Außer
spätestens dann, wenn uns entweder das Geld ausgeht oder wir uns
vollends unerkennbar gemacht haben und eine neue Tempelreinigung
beginnt.


Bis dahin frage ich mich und die um mich herum, was denn die
Kirche für uns ist? Eine Dienstleisterin, von der wir erwarten,
dass sie liefert? Oder ein lebendiges Gefüge, zu dem die Christen
gehören, wie die Glieder zu einem Leib?


Heute bitte ich darum, dass Jesus Christus mir meine
Marktplatz-Erwartungen an die Kirche austreibt, wie die Händler
aus dem Tempel, und mich daran erinnert, dass ich zu seinem
auferstandenen Leib gehöre, um mit ihm für die Menschen da zu
sein.


Fra' Georg Lengerke

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