Übelkeit und Erbrechen als evolutionäre Mechanismen der vielschichtigen Anpassung an die Schwangerschaft

Übelkeit und Erbrechen als evolutionäre Mechanismen der vielschichtigen Anpassung an die Schwangerschaft

Beschreibung

vor 16 Jahren
Einleitung: Übelkeit und Erbrechen während der Schwangerschaft
(nausea and vomiting during pregnancy, NVP) ist ein häufiges und
bisher uneinheitlich interpretiertes Phänomen mit hohem
Leidensdruck für die Betroffenen. Bemerkenswert sind eine
Korrelation mit einem erfolgreicheren Schwangerschaftsausgang und
ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Embryogenese. Unser
funktionelles Konzept, NVP in einem evolutionsbiologischen Kontext
als vielschichtige Anpassungsreaktion an die Schwangerschaft zu
deuten, soll neue Denkansätze liefern. Methodik: Wir führten eine
kulturenvergleichende Untersuchung an 565 Müttern in Südafrika,
Guatemala und Deutschland in Form eines standardisierten
retrospektiven Interviews während des Wochenbetts durch.
Ergebnisse: Es zeigte sich kulturübergreifend eine ähnliche
Prävalenz und Klinik mit ausgeprägtem subjektiven Leidensdruck bei
geringer objektiv erfassbarer Symptomatik. Es fanden sich Hinweise
für eine multifaktorielle Ätiologie mit biologischen,
psychologischen und soziologischen Einflussfaktoren. Ebenfalls
vielschichtig schienen die Auswirkungen von NVP zu sein, die
Ernährung, Verhalten, Wahrnehmung, Psyche und Sozialstatus
betrafen. Diskussion und Schlussfolgerung: Unsere und bestehende
Forschungsergebnisse stützen die Vorstellung, dass NVP durch die
Evolution selektiert wurde, weil es als funktionelle
Anpassungsreaktion während der vulnerablen frühen Schwangerschaft
mehr Nutzen als Schaden bringt. Dafür sprechen die Korrelation mit
einer besseren fetalen Prognose, die kulturübergreifend hohe
Prävalenz und die eher geringen biologischen Kosten bei relativ
hohem subjektiven Leidensdruck. Der adaptative Wert des Syndroms
könnte sich ergeben durch Nahrungsumstellung, Zunahme der sozialen
Unterstützung, Verhaltensanpassung, früheres Erkennen der
Schwangerschaft sowie durch positive Beeinflussung der embryonalen
Entwicklung. Um die Funktionalität von NVP zu verstehen, bedarf es
der Betrachtung des gesamten Symptomenkomplexes mit seinen
psychisch-emotionalen Auswirkungen sowie der Einordnung in den
Kontext eines “Environment of Evolutionary Adaptedness“ (EEA).

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