Beschreibung

vor 21 Jahren
Die kotranslationelle Dekodierung des Kodons UGA als Selenocystein
erfolgt durch eine spezifische tRNA (tRNASec), die von Seryl-tRNA
Synthetase mit Serin beladen und anschließend von Selenocystein
Synthase (SelA) zu Selenocysteyl- tRNASec umgesetzt wird.
Selenophosphat, das als Selendonor für diese Reaktion dient, wird
von Selenophosphat Synthetase (SelD) aus Selenid und ATP generiert.
Der anschließende Transfer der beladenen tRNA zum Ribosom erfolgt
durch den spezialisierten Elongationsfaktor SelB, dessen
N-terminale Region Homologie zu EF-Tu zeigt und wie dieses
Guanosin-Nukleotide und tRNA bindet. Der C-terminale Teil
interagiert zusätzlich mit einer als SECIS-Element bezeichneten
mRNA- Sekundärstruktur, die in Bakterien unmittelbar auf das für
Selenocystein kodierende UGA-Triplett folgt und für dessen
Rekodierung als Sinnkodon verantwortlich ist. Die vorliegende
Arbeit beschäftigt sich mit den Mechanismen, die der Interaktion
von SelB mit seinen Liganden sowie der Regulation der
Selenocystein- Biosynthese durch SelB zu Grunde liegen. Im
Einzelnen wurden dabei folgende Resultate erhalten: 1) Die strikte
Diskriminierung zwischen Seryl- und Selenocysteyl-tRNASec durch
SelB ist essentiell für das Funktionieren des Selenocystein
inkorporierenden Systems. Eine gerichtete Mutatagenese der
Aminoacyl-Bindetasche von SelB zeigte, dass die Selektivität der
tRNA-Bindung vermutlich nicht auf einer spezifischen Erkennung des
Aminoacyl-Rests beruht. Nach Zufallsmutagenese konnten vier
SelB-Varianten isoliert werden, die in vivo eine erhöhte Aktivität
mit Seryl-tRNASec besitzen. Zwei der Mutationen waren in der
G-Domäne von SelB lokalisiert, die anderen beiden in Domäne 4a. Die
biochemische Charakterisierung der mutierten Proteine ergab noch
keinen Hinweis auf eine erhöhte Affinität der SelB-Varianten für
Seryl-tRNASec, so dass andere Mechanismen für die Erweiterung der
Aminosäure-Spezifität verantwortlich sein müssen. 2) Die
Interaktion von SelB mit seinen Liganden wurde mit Hilfe von
biochemischen und biophysikalischen Methoden analysiert. Der
Elongationsfaktor zeigt im Gegensatz zu vielen anderen G-Proteinen
eine höhere Affinität für GTP (KD = 0,74 µM) als für GDP (KD = 13,4
µM),was zusammen mit der hohen Dissoziationsrate von GDP (kdis = 15
s-1) darauf hinweist, dass der Nukleotidaustausch ohne Katalyse
durch einen Austauschfaktor erfolgt. Die Kinetiken der Interaktion
mit Guanosin-Nukleotiden werden durch die Gegenwart eines
SECIS-Elements nicht beeinflusst. Die Affinität von SelB zu einem
fluoresceinmarkierten SECIS-Transkript liegt im nanomolaren Bereich
(KD = 1,23 nM), wobei die Assoziations- und Dissoziationskinetiken
sehr schnell sind und durch die Gegenwart von Guanosin-Nukleotiden
nicht verändert werden. In Gegenwart von Selenocysteyl-tRNASec
wurde jedoch eine signifikante Verringerung der
Dissoziationsgeschwindigkeit beobachtet, die zu einer
Stabilisierung der Bindung führt und eine Interaktion zwischen der
SECIS- und tRNA-Bindetasche nahelegt. Diese intramolekulare
Wechselwirkung wurde durch Charakterisierung der isolierten
mRNA-Bindedomäne von SelB bestätigt. Die Gleichgewichtslage der
einzelnen Reaktionen führt zu einer gerichteten Bildung eines
Komplexes aus SelB, GTP, Selenocysteyl-tRNASec und dem
SECIS-Element, der durch seine hohe Stabilität auf der mRNA fixiert
wird und gleichzeitig eine Konformation annimmt, die seine
Interaktion mit dem Ribosom zulässt. 3) In der 5´-untranslatierten
Region der selAB-mRNA wurde eine Sekundärstruktur identifiziert,
die Ähnlichkeit mit dem SECIS-Element aufweist und mit der SelB
spezifisch und mit hoher Affinität interagiert. Die Stabilität des
Komplexes zwischen SelB und dem SECIS-ähnlichen Element erhöht sich
in Gegenwart von Selenocysteyl-tRNASec. Eine Analyse der
sel-Genexpression ergab, dass die Synthese von SelA und in
geringerem Ausmaß SelB in genetischen Hintergründen, die eine
Assemblierung des quaternären Komplexes aus SelB, GTP,
Selenocysteyl- tRNASec und dem SECIS-ähnlichen Element erlauben,
reprimiert ist. Mutationen in sel- Genen führen dagegen zu einer
erhöhten intrazellulären Konzentration dieser Proteine. Mit Hilfe
von Reportergen-Fusionen wurde gezeigt, dass die Repression der
selA-Expression direkt von der Bildung eines quaternären Komplexes
am SECIS-ähnlichen Element abhängig ist. Da diese keinen Einfluss
auf die Transkription hat und nur zu einer schwachen Verringerung
der mRNA-Menge führt, wurde gefolgert, dass das SECIS-ähnliche
Element eine Regulation der Translationsinitiation am selA-Gen in
Abhängigkeit vom Selenstatus der Zelle ermöglicht.

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