Panelstudie zur Genese venöser Veränderungen bei Kindern und Jugendlichen

Panelstudie zur Genese venöser Veränderungen bei Kindern und Jugendlichen

Beschreibung

vor 15 Jahren
Einleitung: Venöse Erkrankungen gehören zu den häufigsten
chronischen Erkrankungen in der westlichen Welt. Über den
Entstehungszeitpunkt und mögliche erste Vorzeichen im Kindes- und
Jugendalter ist bisher allerdings nur wenig bekannt. Ziel: Ziel
dieser Arbeit ist die Dokumentation des Vorkommens variköser
Venen-veränderungen bei Kindern und Jugendlichen, und deren
Auftreten und Entwicklung im Verlauf, sowie die Erfassung möglicher
Einflussfaktoren. Methodik: Als geeignete Kohorte für die Erfassung
erster Anzeichen von Venen-veränderungen und deren
Verlaufsbeobachtung im Rahmen einer prospektiven Longitudinalstudie
wurde eine Jahrgangsstufe eines Gymnasiums ausgewählt, da in diesem
Alter noch eine sehr niedrige Prävalenz von Venenerkrankungen
postuliert wird und ein langes Zusammenbleiben des Kollektivs
wahrscheinlich war. Die Datenerhebungen fanden über 9 Jahre, von
der 5. bis zur 13. Klasse, jährlich statt. 1997 betrug die
Kohortengröße 180 Schüler im Alter von 9-12 Jahren und sank bis
2005 auf 108 Schüler im Alter von 17-20 Jahren. Das
Studienprotokoll beinhaltete als Erhebungsmethoden Anamnese und
körperliche Untersuchung, sowie die nicht-invasiven apparativen
Methoden des Ultraschall-Dopplers, der Photoplethysmo-graphie und
der Venenverschlussplethysmographie. Die ermittelten Daten wurden
deskriptiv analysiert, wobei der Vergleich der Ergebnisse des
ersten und des letzten Jahres, im Sinne einer Endpunktanalyse, im
Vordergrund stand. Ergebnisse: 1997, in der 5. Klasse wurde bei 44%
der Schüler der Weilheimer Studie irgendeine Venenauffälligkeit
gefunden, am häufigsten an der V. saphena magna (31%). Dabei
handelte es sich noch nicht um eine manifeste Stammvarikose,
sondern nur um minimale Veränderungen. Außerdem wurden bei 27% der
Schüler retikuläre Varizen, bei 8% eine Seitenastvarikose und bei
2% eine Perforans-insuffizienz, sowie bei je 2% Besenreiser und
Veränderungen der V. saphena parva entdeckt. Es bestanden keine
wesentlichen Geschlechterdifferenzen, pathologische Varizen kamen
noch gar nicht vor. 2005, in der 13. Klasse, wurden
Venen-auffälligkeiten bei 66% der Schüler gefunden, Veränderungen
der Vena saphena magna bei 26%. Das Vorkommen von retikulären
Varizen war stark gestiegen auf 50%, Seitenastvarizen traten bei
12% der Probanden auf, Veränderungen der Vena saphena parva bei nur
2% und Besenreiser oder Perforansinsuffizienzen bei keinem. In der
Gesamthäufigkeit der Venenauffälligkeiten war das
Geschlechterverhältnis relativ ausgeglichen, große Unterschiede
ergaben sich jetzt aber in der Art der Veränderungen. So zeigte ein
wesentlich höherer Anteil der Jungen Auffälligkeiten der V. saphena
magna (46% vs. 10%), bei Seitenastvarizen waren die Jungen minimal
häufiger (15% vs. 10%) und bei Veränderungen der V. Saphena parva
waren ausschließlich zwei Jungen (3,8%) betroffen. Ebenso handelte
es sich bei mehr Jungen (n=4, 8%) als Mädchen (n=1, 1,6%) um stark
ausgeprägte, kontroll- bzw. behandlungsbedürftige Stammvarizen. Die
Mädchen dagegen zeigten wesentlich häufiger retikuläre Varizen (60%
vs. 38%). Ein positiver Dopplerbefund im Bereich der Crosse der
Vena saphena magna fand sich 1997 schon bei 12% der 9- bis
12-Jährigen, danach stieg die Prävalenz bis 2005 auf 50% der 17-
bis 20-Jährigen. Ein deutlicher Reflux mit inkomplettem
Klappenschluss wurde 1997 noch bei keinem der Schüler gefunden,
2005 waren 5 Schüler (5%) betroffen. Eine wesentliche
Geschlechterdifferenz ergab sich 1997 noch nicht, bis 2005 wiesen
jedoch fast doppelt so viele Jungen (60%) einen positiven Befund
auf wie Mädchen (35%), bei den ausgeprägten Befunden mit
inkomplettem Klappenschluss gab es keinen großen Unterschied mit 2
Jungen und 3 Mädchen. Wesentliche Seitendifferenzen gab es weder
bei klinischen noch Dopplerbefunden. Während der Hauptphase der
Pubertätsentwicklung zwischen 6. und 9. Klasse war eine Zunahme der
positiven klinischen sowie Dopplerbefunde bei beiden Geschlechtern
in größerem Maße zu beobachten. Der größte Wachstumsschub, sowohl
bei der Gesamtkörpergröße, als auch bei der Beinlänge, fiel
ebenfalls in diese Zeitspanne. In der digitalen
Photoplethysmographie und der Venenverschlussplethysmographie
fanden sich keine Geschlechter- oder Seitendifferenzen. Anhand der
Messwerte konnte nicht zwischen Probanden mit pathologischen und
nicht pathologischen Befunden unterschieden werden. Für beide
Methoden wurden hier erstmals Norm-werte berrechnet. Anamnestisch
wurden allgemeine Beinbeschwerden im Bereich von Hüfte,
Ober-schenkel, Leiste und Knie abgefragt. In der 5. Klasse gaben
24%, Mädchen und Jungen etwa gleich häufig, und in der 13. Klasse
29%, Mädchen häufiger als Jungen, Beschwerden an. Unter
venentypischen Beschwerden, bei langem Sitzen/Stehen,
Schweregefühl, Ermüdungsgefühl, Ödemen, Schwellneigung, nächtlichen
Waden-krämpfen und ruhelosen Beinen, litten in der 13. Klasse bei
beiden Geschlechtern etwa 13%. Eine chirurgische Behandlung, wie
Appendektomie, Leistenbruch-Operation, Operation oder Gips am Bein,
hatten in der 5. Klasse 14% der Schüler hinter sich, in der 13.
Klasse war der Anteil auf 34% gestiegen. Ein auffälliger
orthopädischer Status wurde in der 5. Klasse bei 76% der Schüler,
bei Mädchen und Jungen in etwa gleich festgestellt. Knick-, Spreiz-
und Senkfuß stellten den Großteil der Veränderungen dar. In der 13.
Klasse waren, ohne therapeutisches Einwirken, nur noch 16% der
Schüler betroffen, Jungen (23%) wesentlich stärker als Mädchen
(10%). Die sportliche Betätigung unter den Weilheimer Schülern war
durchgehend hoch, mit 76% in der 5. und 74% in der 13. Klasse. In
der Familienanamnese wurde bei Müttern (26%) und Großmüttern (rund
35%) eine höhere Prävalenz an Venenerkrankungen berichtet als bei
Vätern (14%) und Groß-vätern mütterlicher- und väterlicherseits
(21% bzw. 13%). Zusammenfassend wurde nachgewiesen, dass schon im
Kindes- und Jugendalter Venenveränderungen und
Klappeninsuffizienzen im oberflächlichen Venensystem bestehen, die
mit steigendem Alter an Häufigkeit und Schweregrad zunehmen.
Insgesamt zeigte sich, dass nach der Pubertät deutlich mehr Jungen
sowohl bei den positiven Dopplerbefunden, als auch bei klinisch
sichtbaren, sowie stärker aus-geprägten Veränderungen der
Stammvarizen auffielen. Gleichzeitig waren chirurgische Eingriffe
mit einer Ruhigstellung des Beins und orthopädische
Beinfehl-stellungen bei den Jungen wesentlich häufiger, Beschwerden
dagegen nicht häufiger als bei den Mädchen. Schlussfolgerung: Wie
in der vorliegenden Studie deutlich wird, können mit einfachen,
nicht invasiven Untersuchungsmethoden bereits frühe Stadien venöser
Veränderungen bei Kindern erkannt werden. Dadurch ergibt sich die
Möglichkeit zur Prophylaxe eines weiteren Fortschreitens der
venösen Schädigung durch frühzeitige Beratung oder Therapie der
Risikopatienten. Neben einer konservativen Behandlung besteht bei
dopplersonographisch diagnostiziertem präklinischen Reflux der Vena
Saphena magna die Option zur prophylaktischen Crossektomie, wodurch
das Risiko der Entwicklung einer Stammvarikosis schon im Vorfeld
stark reduziert werden könnte. Durch eine frühe Therapie könnten
auch Folgeerkrankungen und Komplikationen verhindert, und somit den
Patienten physisch wie psychisch eine bessere Lebensqualität
ermöglicht, sowie Kosten im Gesundheitssystem eingespart werden.

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