Richard Schmitz über die Dreigroschenoper an der Wiener Volksoper.

Richard Schmitz über die Dreigroschenoper an der Wiener Volksoper.

4 Minuten

Beschreibung

vor 3 Jahren

Die „Dreigroschenoper“ von Kurt Weill und
Bertholt Brecht hatte gestern in der Wiener Volksoper Premiere.
Sona McDonald in der Rolle des Macheath hatte
schon in der letzten Woche für  Aufregung gesorgt. Unser
Opernexperte Richard Schmitz war gestern dabei.


Die  „Dreigroschenoper“ war schon im 18. Jahrhundert als
„Beggars Opera“ ein  Protest gegen den routinierten
Opernbetrieb. Das brachte 1728 und 1928  fulminante Erfolge,
weil das Neue auch Anregung für den  Repertoirebetrieb
brachte. Für die gestrige Realisierung verhieß die
 Besetzung des machohaften Macheath einen neuen
Gedankensprung. Das  Prinzip des Rollentausches zieht sich
durch die gesamte Inszenierung,  doch leider nicht
konsequent. Den hemmungslosen Macho, dem die Gefühle  seiner
vielen Bräute gleichgültig sind, mit einer Frau zu besetzen hätte
 Reiz. Auch dass die Spelunkenjenny mit einem Mann besetzt
ist, wäre  noch akzeptabel. Da wären aber auch Polly und
Lucy mit Männern zu  besetzen gewesen. So ist Sona
McDonald heillos  überfordert; sie kann weder den
selbstbewussten Mann noch den  skrupellosen Verbrecher
glaubhaft machen. Hoffentlich sehen wir diese wunderbare
Sängerin bald in einer, ihr gemäßen Rolle.
Johanna Arrouas als Polly und Julia
Koci als Lucy machen aus dem Eifersuchtsstreit einen
Höhepunkt des Abends. Rührend die Kinderstimme,
die am Beginn die Moritat vom Haifisch singen darf. Mrs. Peacham
hat auch in der Firma Peacham das Sagen; Ursula
Pfitzner nützt diese Gelegenheit weidlich. Die
männlichen Protagonisten Carsten Süss als
Jonathan Peacham und Marco di Sapia als
Tiger-Brown  sind all ihrer Gefährlichkeit beraubt und
bleiben daher blass. Auch Oliver Liebl als
Spelunkenjenny hat wenig zu melden. Die Regie von Maurice
Lenhard macht aus der hochpolitischen Antioper eine
gefällige Revueproduktion. Dazu tragen auch die protzigen Kostüme
von Christina Geiger bei, die keinerlei
vertiefenden Rollenbezug haben. Nicht einmal die  Bettler
sind als solche zu erkennen. Das nichtssagende Bühnenbild
 schafft nur im kleinbürgerlichen Puff einigermaßen
Atmosphäre. Leider  liefert Carlo Goldstein
am Pult keine Unterstützung für  die durchwegs respektabel
singenden Protagonisten. Da fehlt das Gespür  für die
zündenden Melodien von Kurt Weill. Die zahlreichen Wortpointen
 von Bertholt Brecht gehen ebenfalls unter. Da man den Text
der vielen  Schlager kennt, konnte man die Leistung der
teilweise fulminanten Sänger  würdigen. Es ist kein Zufall,
dass alle wichtigen Einspielungen dieses  Werkes mit
singenden Schauspielern aufgenommen wurden.


Die Chance  eines der wichtigsten Werke der
Zwischenkriegszeit neu zu interpretieren  wurde leider
vertan. Das Publikum verließ noch während des
 Schlussapplauses den Zuschauerraum. Nicht einmal Buhrufer
hatte man  engagiert. Es wär so schön gewesen, doch so
plätscherte der kurze  Applaus ohne Protest durchs Haus.


Meine Schlussnote von 6,3/10 Punkten enthält vor allem die
Würdigung der allseits geschätzten Sänger.

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