Die Folgen der EZB-Zinserhöhung für Europa / Nord Stream 1 läuft wieder: Wie Putin die Gas-Pipeline instrumentalisiert

Die Folgen der EZB-Zinserhöhung für Europa / Nord Stream 1 läuft wieder: Wie Putin die Gas-Pipeline instrumentalisiert

Handelsblatt Today vom 21.07.2022
23 Minuten

Beschreibung

vor 1 Jahr
Die EZB hebt erstmals seit 2011 ihre Zinsen an. Das hat Folgen für
Unternehmen, Verbraucher und Europa. Zum ersten Mal seit elf Jahren
erhöht die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Zinsen. Bei der
Ratssitzung am Donnerstag haben die Notenbanker einer Anhebung um
0,5 Prozentpunkte zugestimmt. Damit beenden sie die Ära der
ultralockeren Geldpolitik. Null- und Negativzinsen gehören künftig
vorerst der Vergangenheit an. Der aktuell entscheidende
Einlagenzins, zu dem Geschäftsbanken ihre überschüssigen Gelder bei
der EZB parken können, soll damit auf null Prozent steigen. Der
offizielle Leitzins, zu dem die Zentralbanken Geld verleihen, soll
einen halben Prozent erreichen. Auch für den
Spitzenrefinanzierungssatz ist eine Anhebung um 50 Basispunkte
geplant. Der Schritt der Währungshüter dürfte viele Marktteilnehmer
überraschen. Zwar kündigte EZB-Präsidentin Christin Lagarde bereits
im Juni eine Zinserhöhung an. In den vergangenen Wochen war jedoch
stets die Rede von einem Schritt in Höhe von 25 Basispunkten. Mit
dem heutigen Beschluss reagiert Lagarde auf die Rekordinflation von
derzeit 8,6 Prozent im Euroraum. Viele Expertinnen und Experten
hielten den Schritt für längst überfällig, um den steigenden
Preisen entgegenzuwirken und vor allem Verbraucher zu entlasten.
Andere mahnen, die EZB könnte durch die Zinsanhebung die schwache
Konjunktur weiter abwürgen und eine Rezession auslösen.
Handelsblatt Finanzredakteur Leonidas Exuzidis erklärt im Podcast
„Handelsblatt Today“, welche Folgen das Ende der Null- und
Negativzinsen unter anderem für Anlegerinnen und Anleger hat und
welche weiteren geldpolitischen Instrumente die Währungshüter der
Eurozone beschlossen haben. Außerdem: Seit Donnerstag-Morgen fließt
wieder Gas durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 aus Russland
nach Deutschland. Aufgrund der jährlichen Wartung der Pipeline war
diese für zehn Tage außer Betrieb. Die Befürchtungen der russische
Präsident Wladimir Putin könne die Lieferungen anschließend
einfrieren, haben sich damit vorerst nicht bestätigt. Aktuelle
Lieferdaten zeigen, dass der Gasfluss mittlerweile bei fast 40
Prozent liegt. Das entspricht ungefähr 29 Gigawattstunden und
insgesamt 67 Millionen Kubikmeter Gas pro Tag. Der Lieferumfang
nach Deutschland ist damit so hoch wie vor den Wartungsarbeiten.
Schon da hatte das russische Förderunternehmen Gazprom die Menge
unter einem Vorwand limitiert. Dass Putin seine am Mittwochabend im
Teheran ausgesprochene Warnung vor einem totalen Lieferstopp wahr
machen wird, hält Handelsblatt Kreml-Expertin Mareike Müller jedoch
für unwahrscheinlich: „Damit würde Putin ein wichtiger Hebel
fehlen, um Druck auf den Westen auszuüben.“ Auch das umgekehrte
Szenario sei unwahrscheinlich. Russland werde die Liefermenge kaum
wieder auf ein Vorkriegsniveau anheben: „Aus russischer Sicht hat
der Gashandel mit der EU keine Zukunft mehr, seitdem diese
angekündigt hat sich komplett aus dem Gasgeschäft mit Russland
zurückzuziehen.“ Mehr zum Kalkül des russischen Präsidenten und den
Folgen der limitierten Gaslieferungen sowohl für den Kreml als auch
für Deutschland erklärt Müller im Podcast. *** Exklusives Angebot
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