Beschreibung

vor 2 Jahren

Heute sieht man keine Färber, Weber und Scherer mehr in
der Tuchmacherstadt Monschau – aber viele Gäste mit ebenso bunten
Gewändern.


"Ob Sie es mir glauben oder nicht: Monschau war einmal das
Zentrum Deutschlands! Naja zumindest, was die Tuchproduktion
angeht. Denn im 18. Jahrhundert kamen die besten Stoffe des
Landes hier aus unserem beschaulichen Monschau. Sogar im Ausland
waren unsere Stoffe damals gefragt.


Dabei haben wir bereits 200 Jahre vorher, gegen Ende des 16.
Jahrhunderts mit der Tuchmacherei angefangen. Warum gerade hier
fragen Sie sich? Nun ja, das hatte viele Gründe: Zum einen lagen
wir doch etwas, nun sagen wir „im Windschatten“, der
zerstörerischen Kriege jener Zeit, weshalb es noch genügend
Arbeitskräfte in der Stadt und im Umland gab und damit auch der
Aufbau der Infrastrukturen relativ ungestört vonstattengehen
konnte.


Das Ganze wurde durch die recht liberale Religionspolitik unserer
Herrschaften noch unterstützt, wodurch wir Unternehmerfamilien
uns ohne großes Gezänk immer weiterentwickeln konnten. Zum
anderen waren hier schlicht sehr gute natürliche Ressourcen
vorhanden: Zum einen die Wolle einheimischer Schafe. Außerdem
fließendes, kalkfreies weiches Wasser der Rur, das zum Waschen
oder Färben der Stoffe und zum Antrieb der Walk- und
Schleifmühlen gebraucht wurde. Und dann noch Torf aus dem Hohen
Venn, der als Brennmaterial im Färbeprozess und zum Trocknen
gewalkter Ware diente.


Ein weiterer Grund für unseren Erfolg ist, dass wir schon früh
viel Wert auf Qualität gelegt haben und bereits ab dem 18.
Jahrhunderts begonnen haben, spanische Merinowolle zu
importieren.


Die Blütezeit unserer Monschauer Tuchmacherei zwischen 1765 und
1790 haben wir dann vor allem meinem werten Kollegen Johann
Heinrich Scheibler zu verdanken. Er hat es geschafft, aus unserem
Monschauer Tuch – wie sagen Sie es heute so schön – einen
Markenartikel zu machen. So verbesserte er beispielsweise die
Fabrikationsabläufe, griff erstmals eigene Modetrends auf oder
forcierte die Spezialisierung auf Luxusartikel. Das wichtigste
war jedoch, dass er neue Vertriebswege auf sich nahm und unser
Tuch auch jenseits unserer beschaulichen Region bekannt machte:
So fuhr er mit mehreren Wagen unserer besten Stoffe auf
Exportmessen nach Frankfurt oder Leipzig und verkaufte sie an
Händler aus ganz Europa.


Mit dem Erfolg unserer Feintuchproduktion hat sich dann auch das
Stadtbild gewandelt. Die Fabrikanten und Unternehmensfamilien
bauten sich repräsentative Wohn und Geschäftshäuser und selbst
die Manufakturen – oder „Fabriquen“ wie wir sie damals nannten –
wurden zumindest an den Außenfassaden verschönert.


Den Glanzpunkt dieser Zeit bildet natürlich das Haus von Johann
Heinrich selbst: das Rote Haus! Ein einmaliges Ensemble
großbürgerlicher Wohnkultur in den Stilen Rokoko, Louis-Seize und
Empire. Ich kann Ihnen sagen, es war auch mir stets ein Fest in
diesen Räumen zu verweilen, während Johann Heinrich und ich die
nächsten Aufträge besprachen oder uns über die aktuelle Mode in
Frankreich amüsierten.


Naja jedenfalls hat unser kleines Städtchen damals ziemlich
gebrummt. Heute laufen allerdings keine Färber mit blauen Armen
oder geschäftige Weber, die Ihren Gesellen hinterherschreien mehr
durch unsere Straßen, sondern vor allem Gäste, die sich über
unsere Tuchmacherei informieren. Und eines kann ich Ihnen
verraten: über deren Mode könnte ich mich mit Johann auch heute
noch das eine oder andere Mal köstlich amüsieren!"


Lust auf mehr? Dann hör Dir auch gleich noch die anderen
Geschichten an! Oder erlebe sie einfach selbst auf Deiner Tour
zwischen der Quelle im Hohen Venn bei Botrange in Belgien und der
Mündung in die Maas bei Roermond in den Niederlanden. An den
interaktiven Rast- und Erlebnisstationen entlang der Strecke
erzählen Zeitzeugen eindrucksvoll über ihr Leben an und mit der
Rur.


Bis bald und eine gute Fahrt für Dich auf dem RurUfer-Radweg!

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