KI Inspiration Podcast

KI Inspiration Podcast

KI verstehen. Zukunft gestalten.

Episoden

KI Überblick November 2025
02.12.2025
16 Minuten
Dieses Briefing fasst die zentralen Entwicklungen und Debatten im Bereich der künstlichen Intelligenz vom November 2025 zusammen. Die wichtigsten Erkenntnisse umfassen technologische Fortschritte bei führenden KI-Modellen, deren zunehmende Integration in Gesellschaft und Medien sowie die damit verbundenen rechtlichen, ethischen und wirtschaftlichen Herausforderungen. Zentrale Erkenntnisse: * Produktinnovation und Personalisierung: OpenAI treibt mit GPT-5.1 die Entwicklung hin zu personalisierteren und gesprächigeren KI-Interaktionen voran. Neue, anpassbare Antwortstile und ein günstigeres Abonnementmodell („ChatGPT Go“) sollen die Nutzerbasis erweitern und eine tiefere Integration in den Alltag fördern. Gleichzeitig zeigen neue Prompting-Techniken wie „Verbalized Sampling“, dass die Kreativität von KI-Modellen oft nur durch die richtige Fragestellung freigesetzt wird. * Soziale und gesellschaftliche Auswirkungen: KI wird zunehmend in sensiblen Bereichen wie der mentalen Gesundheit eingesetzt, wobei OpenAI von über einer Million wöchentlicher Gespräche zum Thema Suizid berichtet. Die Befürchtungen eines massiven, KI-bedingten Jobverlusts werden durch aktuelle Analysen relativiert, die wirtschaftliche Faktoren wie Zinsen und Zölle als Hauptursache für den Stellenabbau sehen. Im Haushaltsbereich zeigt der ferngesteuerte Roboter „Neo“ die aktuellen Grenzen der Autonomie und den Bedarf an menschlich generierten Trainingsdaten. * KI in Medien und Kreativwirtschaft: Die Nutzung von KI im Mediensektor ist ambivalent. Während eine Studie KI-Chatbots aufgrund einer Fehlerquote von 45 % als unzuverlässige Nachrichtenquellen einstuft und die österreichische Bevölkerung KI in den Medien mehrheitlich kritisch sieht, demonstrieren Projekte wie das einer norwegischen Lokalzeitung das Potenzial für investigativen Journalismus. Gleichzeitig führen vollständig KI-generierte TV-Sendungen, Werbespots und sogar ein Nummer-1-Country-Song zu intensiven Debatten über Authentizität, Kreativität und die Legitimität von KI-Kunst. * Rechtliche Grauzonen und Auseinandersetzungen: Der rechtliche Rahmen für KI ist weiterhin in Bewegung. Zahlreiche Gerichtsverfahren, unter anderem zwischen OpenAI und der New York Times oder Stability AI und Getty Images, verdeutlichen ungelöste Fragen des Urheberrechts, insbesondere bei grenzüberschreitend trainierten Modellen. Deutsche Gerichte urteilen restriktiver bei der Nutzung von lizenzierten Inhalten wie Liedtexten, während in den USA sogar der Einsatz von KI als Geschworene getestet wird. Technologische Fortschritte und Produktinnovationen Die Entwicklung von KI-Modellen schreitet voran, wobei der Fokus zunehmend auf verbesserter Nutzerinteraktion, Zugänglichkeit und der Optimierung der Modellausgabe durch innovative Techniken liegt. GPT-5.1: Personalisierung und Konversation OpenAI hat mit GPT-5.1 ein Update vorgestellt, das die Kommunikation mit der KI natürlicher und persönlicher gestalten soll. Die Modelle lassen sich nun besser an individuelle Vorlieben anpassen, um die Tonalität und den Stil der Antworten zu steuern. * Ziel: Die Antworten sollen sich weniger wie ein “Lexikon auf Beinen” anfühlen, sondern eher wie die eines “Kumpels, der tatsächlich helfen will”. Dies wird durch einen direkteren Sprachstil und den Einsatz von Emojis erreicht. * Anpassbare Stile: Nutzer können aus einer Reihe vordefinierter Stile wählen, um die Art der Antwort zu steuern Neue Preismodelle: ChatGPT Go Um die Nutzerbasis zu erweitern, hat OpenAI ein günstigeres Abonnementmodell namens „ChatGPT Go“ eingeführt, das auch in Österreich für 7,99 € pro Monat verfügbar ist. Dieses Modell positioniert sich als “Kampfpreis” zwischen der kostenlosen Version und dem teureren Plus-Abonnement. Der Hauptvorteil des Go-Abos gegenüber der Gratis-Version liegt in höheren Nutzungslimits und der Möglichkeit, Projekte, Aufgaben und individuelle GPTs zu erstellen. Ein zentraler Aspekt ist zudem der verbesserte Datenschutz, da bei bezahlten Modellen eine größere Kontrolle über die eigenen Daten besteht. Fortgeschrittene Prompt-Techniken: “Verbalized Sampling” Eine Studie von Forschern der Stanford University hat eine einfache, aber wirkungsvolle Methode zur Steigerung der Kreativität von KI-Modellen entdeckt: Verbalized Sampling. * Methode: Anstatt eine direkte Aufforderung wie “Erzähl mir einen Witz” zu verwenden, wird die KI gebeten, mehrere Optionen mitsamt ihrer Wahrscheinlichkeiten zu generieren (z.B. “Generiere 5 Witze mit ihren Wahrscheinlichkeiten”). * Ergebnis: Dieser Ansatz führt zu einer doppelt so hohen Vielfalt in den Antworten, ohne dabei die Genauigkeit zu beeinträchtigen. Die Technik funktioniert laut Studie mit allen gängigen KI-Modellen und erfordert kein erneutes Training oder Fine-Tuning des Modells. KI in Gesellschaft und Alltag Die fortschreitende Integration von KI in alltägliche Lebensbereiche wirft Fragen zu Autonomie, mentaler Gesundheit und den Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt auf. KI im Haushalt: Der Neo-Roboter Der Haushaltsroboter “Neo” kann für 20.000 € oder im Abo für 500 € pro Monat vorbestellt werden. Er verspricht, Aufgaben wie das Waschen von Wäsche oder das Ausräumen des Geschirrspülers zu übernehmen. Ein Bericht des Wall Street Journal enthüllte jedoch ein entscheidendes Detail: * Menschliche Fernsteuerung: Bei komplexen Tätigkeiten, die der Roboter nicht autonom bewältigen kann, übernimmt ein menschlicher Operator die Steuerung per VR-Headset. Dies erinnert an das historische Beispiel des “Schachtürken”. * Zweck: Dieser “Human-in-the-Loop”-Ansatz dient primär dem Sammeln von Trainingsdaten, um die Fähigkeiten des Roboters zukünftig zu verbessern. Das Modell, sich für das Sammeln von Trainingsdaten bezahlen zu lassen, stellt einen unkonventionellen Weg in der Robotik-Entwicklung dar. KI und Mentale Gesundheit OpenAI hat Daten veröffentlicht, die eine massive Nutzung von ChatGPT für Gespräche im Bereich der psychischen Gesundheit belegen. * Nutzungszahlen: Von 800 Millionen wöchentlich aktiven Nutzern führen über eine Million Gespräche, die sich auf das Thema Suizid beziehen. Dies entspricht 0,15 % der Konversationen mit expliziten Indikatoren für potenzielle Suizidplanung. * Maßnahmen: Um die Sicherheit zu erhöhen, arbeitet OpenAI mit über 170 Experten für psychische Gesundheit zusammen. Dadurch sollen die Fehlerquoten bei sensiblen Themen bereits um 65-80 % gesenkt worden sein. * Gesellschaftlicher Trend: Diese Entwicklung wird als Indiz für einen möglichen “sechsten Kondratieff-Zyklus” interpretiert, der sich auf psychosoziale Gesundheit als zentralen Markt für technologische Innovationen konzentriert. KI und der Arbeitsmarkt: Eine Neubewertung Entgegen der weit verbreiteten Sorge vor einer “KI-Jobapokalypse” deuten aktuelle Analysen darauf hin, dass andere Faktoren einen größeren Einfluss auf den Arbeitsmarkt haben. * Amazon-Entlassungen: Der CEO von Amazon, Andy Jassy, betonte, dass die Streichung von bis zu 30.000 Bürojobs auf eine veränderte Unternehmenskultur und nicht auf den Einsatz von KI zurückzuführen sei. * Wirtschaftliche Faktoren: Eine Analyse von Fortune zeigt, dass der Rückgang an offenen Stellen (-30 % seit der Einführung von ChatGPT) weniger auf KI als auf ökonomische Faktoren wie Zinsen und Zölle zurückzuführen ist. Rechtliche und Regulatorische Entwicklungen Die rasante Entwicklung der KI führt zu einer Vielzahl von rechtlichen Auseinandersetzungen, die grundlegende Fragen des Urheberrechts und der Regulierung aufwerfen. * OpenAI vs. New York Times: OpenAI war im Rahmen der Klage wegen der Nutzung von Trainingsdaten vorübergehend gerichtlich untersagt worden, Chatverläufe zu löschen. Diese Anordnung wurde inzwischen wieder aufgehoben. * Stability AI vs. Getty Images: Ein britisches Gericht wies eine Klage von Getty Images ab. Die Begründung: Das KI-Modell wurde in den USA trainiert, weshalb das britische Urheberrecht nicht anwendbar sei. Dies wirft die grundlegende Frage auf, welches nationale Recht für global agierende KI-Modelle gilt. * Deutsches Urteil zu Liedtexten: Ein deutsches Gericht entschied, dass ChatGPT Liedtexte nicht ohne entsprechende Lizenz der GEMA als Trainingsdaten verwenden darf. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. * KI als Geschworene: Die University of North Carolina führt Experimente durch, in denen KI-Modelle wie GPT-4 und Claude als computergestützte Geschworene in fiktiven Gerichtsverfahren agieren. * Aufstieg von Legal-Tech: Der Einsatz von KI-Anwälten und -Werkzeugen nimmt im Rechtsmarkt zu, was sowohl Effizienzsteigerungen als auch neue Risiken mit sich bringt. KI in Medien, Kunst und Kreativwirtschaft Die Anwendung von KI in kreativen und informativen Bereichen führt zu gemischten Ergebnissen und löst grundlegende Debatten über Qualität, Authentizität und die Rolle des Menschen aus. Zuverlässigkeit von KI als Nachrichtenquelle Eine Studie unter Beteiligung der European Broadcast Union (EBU) bewertet KI-Chatbots als Nachrichtenquelle als “unbrauchbar und gefährlich” mit einer durchschnittlichen Fehlerquote von 45 %. * Fehlerarten: Hauptprobleme sind falsche Quellenangaben (31 %) und inhaltliche Fehler (20 %). * Leistung der Modelle: Gemini schnitt mit 76 % mangelhaften Antworten am schlechtesten ab, gefolgt von Copilot (37 %), ChatGPT (36 %) und Perplexity (30 %). * Themenabhängigkeit: Bei politischen Fragen (”Beginnt Trump einen Handelskrieg?”) zeigten die Modelle deutlich mehr Schwächen als bei unpolitischen Themen wie Sport oder Geografie. Öffentliche Wahrnehmung und Medienkompetenz in Österreich Eine von der RTR mitfinanzierte Studie zeigt eine hohe Skepsis in der österreichischen Bevölkerung. * Kritische Haltung: 70 % der Befragten sehen den Einsatz von KI in Medien kritisch und fühlen sich im Umgang mit der Technologie nicht kompetent. * Selbsteinschätzung der KI-Kompetenz (n=1539): * Sehr kompetent: ca. 5 % * Eher kompetent: ca. 26 % * Eher weniger kompetent: ca. 47 % * Überhaupt nicht kompetent: ca. 23 % Anwendungsfälle im Journalismus und Fernsehen * Investigativer Journalismus: Die norwegische Lokalzeitung Tromsø (22 Reporter) nutzt erfolgreich KI-Bots, um Behördenakten (z.B. zu Grundstücksvergaben) systematisch zu durchforsten. Dies ermöglicht der kleinen Redaktion, investigativ zu arbeiten und exklusive Geschichten aufzudecken. * KI-generierte TV-Sendungen: * Channel 4 (UK): Sorgte mit einer Dokumentation, die von der vollständig KI-generierten Moderatorin “Arti” präsentiert wurde, für Kontroversen. * Puls 4 (Österreich): Startete mit “kudlmudl.ki” eine komplett KI-generierte Satiresendung im Vorabendprogramm, bei der die menschliche Kontrolle aber transparent gemacht wird. Reaktionen auf KI-generierte Inhalte * Coca-Cola Weihnachtsspot: Der erneut mit KI generierte “Holidays are coming”-Spot wurde von vielen YouTube-Nutzern als “seelenlos”, “unnatürlich” und “uncanny” kritisiert. * Nummer-1-Hit in den Country-Charts: Der vollständig KI-generierte Song “Walk My Walk” von “Breaking Rust” erreichte Platz 1 der Billboard Country Digital Song Sales. Dies löste eine Debatte aus, ob KI-generierte Werke in offiziellen Charts legitimiert werden sollten, da dies laut Kritikern “Künstler:innen die Incentives nimmt”. Soziale und Philosophische Betrachtungen Über die technischen Anwendungen hinaus wirft KI grundlegende Fragen nach der Natur menschlicher Beziehungen und der Stabilität der durch sie angetriebenen Wirtschaftszyklen auf. Die Grenzen der Empathie: KI als Beziehungspartner KI-Begleiter können zwar Empathie simulieren, aber keine echte, gegenseitige Beziehung bieten. Die zentrale Argumentation lautet, dass eine echte menschliche Verbindung nicht nur auf dem Empfangen von Bestätigung beruht, sondern auf dem Prinzip von Geben und Wirken. * Einseitigkeit: Die Interaktion mit einer KI ist rein konsumierend. Der Nutzer erhält, gibt aber nichts zurück, da die KI keine eigenen Bedürfnisse oder Ziele hat. * Fehlende Gegenseitigkeit: Ein menschliches Grundbedürfnis ist es, wertvoll zu sein und etwas zu bewirken. Dieses Gefühl kann ein KI-Dialog, der auf einer Diener-Rolle basiert, nicht erfüllen. * Scheinfreundschaft: KI-Begleiter bieten Sicherheit ohne das Risiko einer echten Beziehung, aber damit auch ohne deren Tiefe. Get full access to Sindre Wimberger - KI Inspiration at sindrewimberger.substack.com/subscribe
Mehr
KI Überblick Oktober 2025
23.11.2025
15 Minuten
Einleitung: Die neue Phase der KI-Evolution In der heutigen Sendung analysieren wir die strategischen Kämpfe, die diese neue Ära definieren: den Kampf um die Vorherrschaft bei KI-Plattformen, der das offene Internet fundamental transformiert; die globale Machtverschiebung in der KI-Entwicklung, angeführt von einem rasant aufholenden China; und die ersten ernsthaften regulatorischen und gesellschaftlichen Reaktionen auf diese Umwälzungen. Hier sind die drei wichtigsten Schlagzeilen dieses Monats: * Das KI-Betriebssystem: OpenAIs aggressive Strategie, ChatGPT zum zentralen Hub für alle digitalen Aktivitäten auszubauen und ein eigenes Ökosystem zu schaffen. * Googles Web-Revolution: Die flächendeckende Einführung der KI-gesteuerten Suche, die das Geschäftsmodell von Publishern weltweit auf den Kopf stellt. * Der Vormarsch des Drachen: Chinas beeindruckender Aufstieg, bei dem chinesische KI-Modelle die Open-Source-Welt dominieren und humanoide Roboter die Fabriken erobern. Der Kampf um das Ökosystem: Plattformen und Browser Der Wettbewerb in der KI-Welt hat eine neue Dimension erreicht. Es geht nicht mehr nur darum, das leistungsfähigste Sprachmodell zu besitzen. Der wahre Kampf findet nun auf einer höheren Ebene statt: Es ist der Kampf um das Ökosystem, um die Kontrolle der zentralen Schnittstelle, über die Nutzer mit der digitalen Welt interagieren. Wer diese Schnittstelle kontrolliert, kontrolliert den Zugang zu Information, Dienstleistungen und letztlich auch zu den Nutzern selbst. OpenAIs Plattform-Strategie OpenAI treibt diese Entwicklung mit aller Macht voran und verfolgt die klare Vision, ChatGPT in ein umfassendes Betriebssystem zu verwandeln. Die Strategie stützt sich auf mehrere Schlüsselkomponenten: * Apps SDK & “In-Chat-Apps”: Mit dem neuen Apps SDK ermöglicht OpenAI die nahtlose Integration von Diensten wie Canva, Spotify, Expedia oder Booking.com direkt in den Chat. Das strategische Ziel ist klar formuliert: Nutzer sollen die ChatGPT-Plattform nicht mehr verlassen müssen, um einen Flug zu buchen, eine Playlist zu erstellen oder ein Design zu entwerfen. * AgentKit: Ergänzend dazu wird das AgentKit bereitgestellt, ein Toolkit zur Entwicklung autonomer KI-Agenten, die Aufgaben für den Nutzer erledigen. * Das strategische Kalkül: Unternehmen wie Booking.com stehen unter massivem Druck, diese Integrationen selbst zu entwickeln. OpenAIs Marktmacht ist so groß, dass es kaum möglich ist, die Plattform zu ignorieren. Zudem lockt die Aussicht, von ChatGPT proaktiv empfohlen zu werden und so eine enorme Sichtbarkeit zu erlangen. Die Angst, von einem Konkurrenten abgehängt zu werden, der die Integration bereits anbietet, tut ihr Übriges. OpenAI lässt die Firmen die Arbeit machen und zementiert so seine eigene Vormachtstellung. Der Aufstieg der KI-Browser Als logische Erweiterung dieses Plattform-Krieges etabliert sich ein neuer Trend: die sogenannten “KI-Browser”. Anbieter wie Atlas, Arc, Perplexity, Brave AI oder auch Microsoft mit Copilot+ Edge bauen Browser, die weit mehr sind als reine Anzeigeprogramme für Webseiten. * Autonome Recherche: Die KI sucht nicht nur nach Links, sondern durchsucht Inhalte selbstständig, fasst sie zusammen und bewertet die Quellen für den Nutzer. * Tiefgreifende Personalisierung: Der Browser lernt kontinuierlich aus dem Kontext und dem Verlauf des Nutzers. Er versteht nicht mehr nur, was man tippt, sondern was man meint. * Datenschutz-Implikationen: Diese neuen Fähigkeiten haben ihren Preis. Die KI “liest” permanent mit, was der Nutzer tut. Dies wirft erhebliche Datenschutzbedenken auf und macht die Wahl des KI-Assistenten zu einer sehr persönlichen Entscheidung über die eigene digitale Souveränität. Dieser erbitterte Kampf um die Benutzerofläche führt uns direkt zur größten Umwälzung, die das Internet seit seiner Kommerzialisierung erlebt hat: der Transformation der Suche. Die Transformation der Suche: Google stellt das Web auf den Kopf Was Google derzeit mit seiner Suchmaschine macht, ist weit mehr als nur ein Feature-Update. Die Aktivierung des “KI-Modus” – jetzt auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz – ist ein fundamentaler Angriff auf das bisherige Geschäftsmodell des offenen Webs, das auf dem Austausch von Klicks und Traffic basiert. Das Ende der blauen Links Googles neue Suche verändert das Nutzererlebnis und die dahinterliegende Mechanik radikal: * Funktionsweise: Anstelle der klassischen Liste blauer Links präsentiert Google nun direkt eine KI-generierte Zusammenfassung als Antwort. Die Suche wird zudem multimodal und akzeptiert Eingaben in Form von Text, Bildern und Sprache. * Dramatische Folgen für Publisher: Die Auswirkungen auf Webseitenbetreiber sind verheerend. Analysen aus den USA, wo “AI Overviews” schon länger aktiv sind, zeigen, dass Publisher bis zu 89 % weniger Klicks verzeichnen. Die Nutzer erhalten ihre Antwort direkt von Google und haben kaum noch einen Anreiz, die ursprüngliche Quelle zu besuchen. * Das Internet als Wissensarchiv: Diese Entwicklung zementiert eine neue Rolle für das Web. Es wird zunehmend zu einem reinen “Wissensarchiv für die KI”. Die Inhalte-Ersteller liefern die Daten, aber der direkte Kontakt zum Nutzer wird von der KI-Plattform gekappt. Strategische Herausforderungen Diese Verschiebung wirft existenzielle Fragen für alle Akteure auf: * SEO der Zukunft: Wie optimiert man Inhalte für eine KI, die selbst zur Antwort wird und nicht mehr nur verweist? Die Relevanz für die KI wird zum neuen, entscheidenden Kriterium. * Googles Geschäftsmodell: Auch für Google selbst ist dieser Schritt riskant. Wie lässt sich das hochprofitable Werbegeschäft in ein Antwort-basiertes System integrieren, ohne die Nutzererfahrung zu stören? Während etablierte Systeme umgewälzt werden, entstehen gleichzeitig disruptive neue Fähigkeiten, die die Grenzen dessen, was KI generieren kann, erneut verschieben – insbesondere im Bereich Video und menschlicher Interaktion. Die nächste Generation generativer KI: Video, Audio und Erotik Die Fortschritte bei generativen KI-Modellen für Video sind atemberaubend. Die neueste Generation integriert nun auch die Audio-Erzeugung und wird zunehmend für die breite Masse zugänglich. Dies läutet eine neue Welle kreativer, aber auch höchst problematischer Anwendungen ein. Neue Modelle, neue Gefahren Zwei Modelle stehen diesen Monat im Fokus: * OpenAI Sora 2: Die Weiterentwicklung des wegweisenden Videomodells kann nun auch passenden Ton und Sprache direkt mitgenerieren. * Grok Imagine Video: Das Modell von xAI ist nicht nur gratis verfügbar und unterstützt ebenfalls Audio, sondern verfügt auch über einen sogenannten “Spicy Modus” mit deutlich reduzierten Zensurmechanismen. Das Missbrauchspotenzial dieser Werkzeuge ist immens. Berichte zeigen, wie mit Grok auf Knopfdruck Deepfakes von Prominenten, inklusive Nacktbildern, erstellt werden. Besonders beunruhigend ist die Fähigkeit, die Stimme von Persönlichkeiten wie Donald Trump perfekt zu klonen und ihm beliebige Aussagen in den Mund zu legen – ein gefährliches Werkzeug in einer politisch aufgeladenen Zeit. OpenAI öffnet die Tür für Erotik In einem strategischen Schritt, der den riesigen kommerziellen Markt für KI-gestützte menschliche Begleitung anerkennt, hat OpenAI angekündigt, ab Dezember Erotik und “mature chats” auf ChatGPT zuzulassen. * Die Ankündigung: Verifizierten Nutzern über 18 Jahren wird es erlaubt sein, “mature conversations” zu führen. Zudem können personalisierte KI-Begleiter mit Profilen wie “freundschaftlich”, “romantisch” oder “flirtend” erstellt werden. * Der Marktkontext: OpenAI reagiert damit nicht nur auf einen gigantischen Markt, der bisher von unzensierteren Plattformen wie Grok AI bedient wird. Der Schritt ist eine konsequente Fortsetzung der Ökosystem-Strategie: Jeder Grund, die Plattform zu verlassen, wird eliminiert. Ein treffender Kommentar in den sozialen Medien lautete, dass der Begriff “ChatGPT Plus” dadurch eine völlig neue Bedeutung bekommen könnte. * Beispiel Grok AI: Wie weit solche Interaktionen gehen können, zeigt die Erfahrung einer Journalistin von The Verge mit Groks KI-Begleiterin “Oni”. Sie beschreibt die Erfahrung als eine “moderne Version einer Telefonsex-Hotline”, die zu extrem expliziten und verstörenden Interaktionen führen kann. Während westliche Firmen neue, kontroverse Märkte erschließen, verschiebt sich das globale Kräfteverhältnis in der KI-Entwicklung mit hoher Geschwindigkeit – insbesondere durch den rasanten Aufstieg Chinas. Globale Machtverschiebung: Der Aufstieg Chinas in KI und Robotik Der “State of AI Report 2025”, eine der wichtigsten jährlichen Analysen der Branche, signalisiert eine neue Phase des globalen Wettbewerbs. Der Fokus verlagert sich von der reinen Größe der Modelle hin zu deren Fähigkeit zur logischen Schlussfolgerung (Reasoning), Planung und Selbstkorrektur. Genau in diesem Bereich holt China massiv auf. Kernerkenntnisse aus dem State of AI Report 2025 * Eine neue KI-Phase: Die entscheidenden Faktoren für die Leistungsfähigkeit von KI-Systemen sind jetzt Reasoning, Planning und Self-Correction. * Chinas unaufhaltsamer Vormarsch: Chinesische KI-Labore wie DeepSeek und Qwen schließen die Lücke zu westlichen Spitzenmodellen in beeindruckender Geschwindigkeit. Eine zentrale Statistik unterstreicht diesen Trend: Qwen hat Metas Llama überholt und ist mit einem Anteil von über 40 % an neuen monatlichen Modellderivaten das meistgenutzte Open-Source-Modell der Welt. * Europa im Rückstand: Der Bericht stellt fest, dass Europa bei der praktischen Umsetzung des EU AI Act hinterherhinkt. Chinas Dominanz in der Robotik Dieser Vormarsch bei der Software wird durch eine ebenso beeindruckende Dominanz bei der Hardware ergänzt. * Überholmanöver: China hat die USA mit über 300.000 installierten Industrierobotern bereits überholt. * Die neue humanoide Generation: Die neuesten vorgestellten humanoiden Roboter zeigen massive Fortschritte: * Unitree H2: Ein 1,82 m großer und 70 kg schwerer Industrie-Humanoid, dessen offizielles Werbevideo “Destiny Awakening” von vielen Beobachtern als verstörend empfunden wurde. * Figure 03: Ausgestattet mit erweiterter Sensorik, kabellosem Laden und für den Einsatz in Industrie und Haushalt konzipiert. Vorgängermodelle dieses Roboters sind bereits in BMW-Fabriken im produktiven Einsatz. * Tesla Optimus: Als Randnotiz sei erwähnt, dass auch Teslas Roboter beeindruckende Fortschritte macht und mittlerweile Kung Fu lernt. Diese technologischen Machtverschiebungen lösen weltweit politische und gesellschaftliche Reaktionen aus, die versuchen, mit dem Tempo der Entwicklung Schritt zu halten. Die Reaktion: Regulierung und gesellschaftliche Disruption Die rasante und tiefgreifende Entwicklung der KI zwingt Regierungen und ganze Industriezweige weltweit zum Handeln. Regulierung ist längst kein rein europäisches Phänomen mehr. Politische und Regulatorische Initiativen * Kalifornien: Der US-Bundesstaat, Heimat des Silicon Valley, hat ein wegweisendes Transparenzgesetz für sogenannte “Frontier KI” verabschiedet. Für Entwickler von sehr großen Modellen (Schwellenwerte: > 10²⁶ Rechenoperationen oder > 500 Mio. USD Umsatz) gelten ab 2027 strenge Pflichten, darunter ein jährlicher Transparenzbericht und eine Meldepflicht bei Sicherheitsvorfällen. Verstöße können mit Strafen von bis zu 1 Million US-Dollar geahndet werden. * Albanien: In einem bemerkenswerten Schritt hat das albanische Parlament die virtuelle KI-Ministerin “Diella” (albanisch für Sonne) offiziell als Teil des Regierungskabinetts bestätigt. Ihr erklärtes Ziel ist die Förderung von Transparenz und die Bekämpfung von Korruption bei öffentlichen Aufträgen. Disruption in der Entertainment-Branche Die Auswirkungen von KI sind besonders in der Kreativwirtschaft spürbar und führen zu einer tiefen Verunsicherung. * Hollywood in Schockstarre: Während Berichte über eine regelrechte “KI-Apokalypse” in Hollywood laut Experten stark übertrieben sind, befindet sich die Branche in einer Art Schockstarre. Der massive Hype um KI führt zu einer tiefen Unsicherheit, die Studios zögern lässt, klassische und teure Produktionen zu beauftragen. Gleichzeitig sorgt die erste buchbare KI-Schauspielerin “Tilly Norwood” für Aufruhr und scharfe Kritik von Stars wie Emily Blunt. * Extreme in der Musikindustrie: Die Disruption zeigt sich hier in zwei gegensätzlichen Entwicklungen: Während die vollständig KI-generierte Künstlerin Xania Monet einen Plattenvertrag über 3 Millionen Dollar erhält, muss Spotify gleichzeitig 75 Millionen KI-generierte Songs von seiner Plattform löschen, um der schieren Flut an maschinell erstellten Inhalten Herr zu werden. Neben diesen großen gesellschaftlichen Umbrüchen rücken nun auch die konkreten Auswirkungen von KI im Arbeitsalltag stärker in den wissenschaftlichen Fokus. Aus der Praxis: KI im Arbeitsalltag und das “Schmankerl des Monats” Wie verändert KI unsere tägliche Arbeit wirklich? Um diese Frage auf eine solide wissenschaftliche Basis zu stellen, führt die Universität Krems aktuell eine Online-Studie durch. Die zentralen Forschungsfragen lauten: * Welche KI-Anwendungen sind im Arbeitsalltag besonders nützlich? * Wie viel Zeit wird tatsächlich gespart? * Welche weiteren Nutzenaspekte, wie z.B. die Reduktion von Ausgaben, gibt es? Wir ermutigen unsere Zuhörerinnen und Zuhörer zur Teilnahme, um hier zu besseren Vergleichsdaten zu kommen. Den Link dazu finden Sie wie immer in den Shownotes. Das KI-Schmankerl des Monats Zum Abschluss noch ein Beispiel, das zeigt, wie weit die kommerzielle Anwendung von KI-Video bereits ist: ein Werbespot für die Wassermarke “Liquid Death”. * Der Inhalt: Das Video zeigt eine skurrile Polizeikontrolle im Schnee, die sich am Ende als aufwendig inszenierte Geburtstagsüberraschung für den Fahrer herausstellt. * Die Analyse: Das wirklich Beeindruckende daran ist, dass die gesamte Produktion – von den Schauspielern über die winterliche Szenerie bis hin zum perfekt platzierten Produkt, der Dose Wasser – zu 100 % KI-generiert ist. Der Spot demonstriert eindrucksvoll, wie sich mit verhältnismäßig geringen Produktionskosten Ergebnisse erzielen lassen, die von einer klassischen Produktion kaum noch zu unterscheiden sind. Fazit und Ausblick Wenn wir die Entwicklungen des Oktobers 2025 zusammenfassen, kristallisieren sich drei zentrale Trends heraus, die die nächste Phase der KI-Revolution prägen werden: * Der Krieg der Ökosysteme: Der Wettbewerb hat sich verlagert. Es geht nicht mehr primär um das beste Modell, sondern um die totale Kontrolle der Nutzerschnittstelle. KI-Anbieter wie OpenAI und Google bauen geschlossene Welten, die das offene, dezentrale Internet in seiner bisherigen Form existenziell bedrohen. * Die unaufhaltsame Beschleunigung: Die Fortschritte bei Video- und Robotertechnologie sowie die kommerzielle Erschließung neuer, kontroverser Märkte wie “Erotik” schreiten in einem Tempo voran, mit dem die gesellschaftliche Debatte und die regulatorische Anpassung kaum noch Schritt halten können. * Die neue globale Landkarte: Der unaufhaltsame Aufstieg Chinas, sowohl bei der KI-Software mit Modellen wie Qwen als auch bei der Hardware in der Robotik, definiert das globale technologische Kräfteverhältnis neu. Die bisherige Dominanz des Silicon Valley ist ernsthaft in Gefahr. Wir stehen an einem Wendepunkt, an dem die Entscheidungen, die heute in den Laboren und Konzernzentralen getroffen werden, die Struktur unserer digitalen und physischen Welt für Jahrzehnte prägen werden. Bleiben Sie kritisch, bleiben Sie neugierig. Wir hören uns nächsten Monat wieder. Get full access to Sindre Wimberger - KI Inspiration at sindrewimberger.substack.com/subscribe
Mehr

Über diesen Podcast

KI verstehen. Zukunft gestalten. Der monatliche KI Überblick als Podcast. sindrewimberger.substack.com

Kommentare (0)

Lade Inhalte...

Abonnenten

15
15