Podcaster
Episoden
22.12.2025
16 Minuten
Weihnachtsspecial 2025 (3-teilig)
Die längste Nacht ist vorbei.
Als das erste Licht über das Eis kriecht, hören Konrad und Sanna
das Horn. Es hallt zwischen den Eisblöcken, ein langgezogener,
tiefer Ton – das Zeichen der Hirten. Die Rettung ist da.
Männer aus Gschaid und Millsdorf haben die ganze Nacht gesucht.
Mit Fackeln und Seilen sind sie durch Schluchten gestiegen, haben
jeden Felsen abgesucht. Als sie die Spuren der Kinder im frischen
Schnee finden – ganz weit oben, dort wo die Gletscher schlafen –
wissen sie: Es ist ein Wunder, dass sie noch leben.
Der Abstieg beginnt. Langsam, vorsichtig, Schritt für Schritt.
Die Männer spannen Seile über die Spalten, prüfen jeden Tritt.
Einmal bricht der Boden unter einem der Hirten weg – nur das Seil
hält ihn, während seine Beine ins Nichts baumeln. Niemand spricht
viel. Das Eis hat sie alle eingeschüchtert.
Erst als sie die ersten Bäume erreichen, atmeten die Männer auf.
Hier ist der Boden sicher. Hier kennen sie sich aus.
Als sie Gschaid erreichen, steht das ganze Dorf auf dem Platz vor
der Kirche. Die Mutter rennt durch den Schnee, stolpert, reißt
die Kinder an sich. Der Vater steht abseits, grau vor
Erschöpfung. Als Konrad zu ihm hinübersieht, nickt er nur.
Einmal. Kurz. Aber es ist genug.
Am Abend kommen die Großeltern. Der Großvater legt Konrad die
Hand auf den Kopf – schwer, warm. „Du hast gut gemacht, Junge."
Und zur kleinen Sanna sagt er: „Tapfer sein heißt nicht, keine
Angst zu haben. Es heißt, trotzdem weiterzugehen."
In den folgenden Tagen sprechen die Leute im Dorf über nichts
anderes. Manche sagen, es sei ein Wunder gewesen. Andere sagen,
es sei das Glück der Unwissenden. Aber Konrad weiß es besser: Es
war der Kaffeextrakt der Großmutter. Und Sannas Hand in seiner.
Und die Weigerung aufzugeben.
Jahre später erzählt man sich die Geschichte noch immer – die
Kinder, die im Eis überlebt haben. Aber Konrad erzählt sie
selten. Und wenn doch, dann nicht als Heldengeschichte.
„Was habt ihr dann gemacht?", fragen die Kinder, die zuhören.
„Wir sind weitergegangen", sagt Konrad. „Wir sind einfach
weitergegangen."
Manchmal ist das alles, was man tun kann.
Late Night Grimm präsentiert: Bergkristall von Adalbert
Stifter – Episode 3 (Finale)
Eine Geschichte über Heimkehr, über das Ende der Angst und
darüber, was bleibt.
Gelesen von Jens-Henning Gläsker
Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue
Jahr!
Möge euer Weg immer sicher sein, möge das Licht euch leiten – und
möget ihr niemals im Schnee die Richtung verlieren.
Danke, dass ihr mir in diesem Jahr zugehört habt. Wir hören uns
2026 wieder – mit neuen Geschichten, neuen Märchen und neuen
Nächten.
Bleibt warm. Bleibt neugierig. Bleibt friedlich.
Euer Jens-Henning
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15.12.2025
16 Minuten
Weihnachtsspecial 2025 (3-teilig)
Konrad und Sanna sind im Schneesturm vom Weg abgekommen. Der Wind
kommt von hinten und schiebt sie vorwärts wie eine unsichtbare
Hand – höher, immer höher. Sie suchen verzweifelt nach dem Wald,
nach den Markierungen, nach irgendetwas Vertrautem.
Doch da ist nichts. Nur Weiß.
Der Boden unter ihren Füßen wird steiler. Sie stolpern über
Felsen, die aus dem Schnee ragen – kantig, eisbedeckt, fremd. Das
sind keine Felsen vom Waldweg. Das sind Felsen aus einer anderen
Welt.
Dann reißt der Schneesturm auf – und was sie sehen, nimmt ihnen
den Atem:
Gewaltige Eisblöcke, manche so groß wie Häuser, türmen sich um
sie herum. Blaues Licht schimmert aus den Tiefen des Gletschers.
Schwarze Spalten klaffen im Eis, bodenlos, kalt wie der Tod
selbst. Sie sind im Toten Gebirge angekommen – an jenem Ort, über
den die Erwachsenen nur am Feuer sprechen, mit gesenkter Stimme.
„Wir sind zu hoch gegangen", sagt Konrad tonlos. „Viel zu hoch."
Es gibt keinen Rückweg mehr. Die Nacht bricht herein. Sie finden
eine Höhle zwischen den Eisblöcken – kein warmer Unterschlupf,
nur ein windgeschützter Spalt im Fels. Hier müssen sie bleiben.
Hier müssen sie die Nacht überstehen.
Konrad erinnert sich an die Flasche der Großmutter – der
Kaffeextrakt. „Du darfst nicht einschlafen", sagt er zu Sanna.
„Hörst du? Du darfst nicht einschlafen!" Denn irgendein Instinkt
sagt ihm: Wer hier oben schläft, wacht nicht wieder auf.
Sie spielen das Zitterspiel. Finger öffnen, schließen. Zehen
bewegen. In die Hände klatschen. Nicht aufhören. Niemals
aufhören.
Und über ihnen, über dem ewigen Eis, tanzt ein Licht am Himmel –
grün und rot, fließend wie Wasser, schön und furchtbar zugleich.
Als wäre der Himmel selbst lebendig geworden.
„Was ist das?", flüstert Sanna.
„Vielleicht die Engel", sagt Konrad.
Es ist die längste Nacht ihres Lebens.
Aber als der Morgen dämmert, als das Eis sich rot färbt im ersten
Licht – da hören sie es: Ein Horn. Das Horn der Hirten. Die
Rettung ist nah.
Late Night Grimm präsentiert: Bergkristall von Adalbert
Stifter – Episode 2
Eine Geschichte über die Nacht, das Eis und den Willen zu
überleben.
Gelesen von Jens-Henning Gläsker
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09.12.2025
14 Minuten
Weihnachtsspecial 2025 (3-teilig)
In den Hochgebirgsdörfern sind die Winter streng und die
Traditionen heilig. Konrad und Sanna, Geschwister aus dem
abgelegenen Dorf Gschaid, machen sich am Heiligen Abend auf den
vertrauten Weg über den Berg nach Millsdorf, wo ihre Großeltern
leben.
Der Besuch bei der Großmutter ist warm und vertraut – es gibt
Gans, Knödel und Kekse, die nach Zimt schmecken. Doch der
Großvater bemerkt den veränderten Himmel: bleich, fast gelblich
wie altes Pergament. „Das gibt Schnee", sagt er. „Ihr solltet
nicht trödeln."
Die Kinder machen sich auf den Heimweg. In der Tasche tragen sie
das Geschenk der Großmutter und eine kleine Flasche Kaffeextrakt
– „wenn ihr müde werdet". Sie ahnen nicht, wie lebensrettend
diese Geste noch werden wird.
Auf der Anhöhe, dort wo man in beide Täler hinabsehen kann,
beginnt es zu schneien. Erst sind es nur einzelne Flocken, schön
und federleicht. Doch innerhalb von Minuten wird aus dem sanften
Schweben ein Treiben. Der Weg verschwindet. Die roten
Markierungssäulen sind nicht mehr zu finden.
Konrad, der große Bruder, versucht ruhig zu bleiben. Aber
irgendwann muss er es eingestehen: „Ich weiß es nicht, Sanna. Ich
weiß nicht, wo wir sind."
Der Wind treibt sie vorwärts – und höher, immer höher, dorthin,
wo kein Mensch sein sollte.
Late Night Grimm präsentiert: Bergkristall von Adalbert
Stifter
Eine dreiteilige Erzählung über Kinder, Kälte und die Gewalt der
Natur.
Gelesen von Jens-Henning Gläsker
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01.12.2025
10 Minuten
In dieser Folge von Late Night Grimm hörst du eine
sanfte, neu erzählte Geschichte – inspiriert
von „The Child’s Story“von Charles
Dickens.
Eine Reise durch einen Lebenswald voller Begegnungen: ein
spielendes Kind, ein lernender Junge, eine erste Liebe, eine
wachsende Familie und schließlich die ruhige Weisheit des
Alters.
Eine besinnliche Erzählung über Erinnerungen, Verbundenheit und
den friedlichen Blick auf das, was uns durchs Leben begleitet.
Gelesen von Jens-Henning Gläsker
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24.11.2025
4 Minuten
Ein kleines Hirtenbüblein tritt vor den König und beantwortet
drei scheinbar unmögliche Fragen – mit einer Ruhe und Klugheit,
wie sie nur in alten Märchen zu finden ist. Eine klare, sanfte
Geschichte der Brüder Grimm über Weisheit, Mut und überraschende
Antworten.
Gelesen von Jens-Henning Gläsker.
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Über diesen Podcast
Dieser Podcast entführt Dich in eine Welt voller Zauber und
Nostalgie, die an die geliebten Märchen Deiner Kindheit erinnert.
Jede Episode ist eine sorgfältig ausgewählte Reise in die
Vergangenheit, die nicht nur entspannt, sondern auch die Fantasie
anregt. Lass Dich von der sanften Stimme des Erzählers in einen
Zustand tiefer Entspannung und wohltuender Erinnerungen führen.
Warnung: Märchen können Gewalt/Gefahr, sensible Inhalte enthalten.
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