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Der Philosophiepodcast von Christoph Quarch und der Akademie-3.org
Beschreibung
vor 1 Tag
In der Wildnis finde ich etwas Wertvolleres und Verwandteres als
auf den Straßen und in den Dörfern.
(Ralph Waldo Emerson: Natur, 1836)
Wer von uns kennt schon noch die Wildnis? In Zentraleuropa
jedenfalls muss man lange nach ihr suchen. Nur 0,6 Prozent der
Landfläche in Deutschland sind als Wildnis ausgewiesen. Zu
Emersons Zeiten war das noch anders. Er lebte in der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts – und er lebte in den USA, wo es bis
heute deutlich mehr Wildnis gibt als bei uns. Emerson liebte das.
Nicht nur weil er sich auf einer Europareise mit dem damals
populären Geist der Romantik angsteckt hatte, sondern weil er –
wie es in unserem Zitat aus seinem Essay „Natur“ von 1836 heißt –
in der Natur etwas ihm Verwandtes entdeckt: die Wildnis in ihm
selbst, so darf man annehmen.
Was meint er wohl damit? Die Wildnis ist gemeinhin dasjenige, was
keine Spuren menschlicher Einflussnahme zeigt – was pure,
unberührte Natur ist, ursprüngliches Leben, das nur seinen
eigenen Regeln folgt. Das darf man nun wahrlich nicht
romantisieren, denn das unberührte Leben ist auch das
nicht-domestizierte Leben. Und das kann ziemlich grausam sein. In
der Wildnis wird getötet und gelitten. Keine Frage. Aber dort
wird auch geliebt und gezeugt. Und dort herrscht oft eine
grenzenlose Schönheit. Jeder, der auch nur einen Hauch davon an
einem Bachlauf auf einer abendlichen Waldlichtung erfahren hat,
weiß, wovon ich rede.
Vielleicht ist es gerade diese Ambivalenz der Wildnis, in der
Emerson etwas ihm Verwandtes erkennt: dieses pure Leben, das sich
jeden moralischen Urteils entzieht. Und vielleicht ist es gerade
diese jenseits unserer Wertungen waltende Urlebendigkeit, die ihm
um so vieles wertvoller erscheint, als alles, was er aus den
Dörfern und Städten kennt. Dann muss es zu denken geben, dass wir
fast nur noch im urbanen und zivilisierten Raum leben und deshalb
keinen Ort mehr finden, am dem die Wildnis in uns ihren Spiegel
findet. Oder ist sie auch schon auf 0,6 Prozent unserer
Gesamtpersönlichkeit geschrumpft?
Wenn wir Emerson folgen, wäre das keine gute Nachricht. Gewiss,
mit der Wildnis in uns schwindet auch ein auch von Grausamkeit
und das ist wohl ganz gut so. Aber es schwindet auch ganz viel
ursprüngliche Lebendigkeit, verspielte Schönheit und stille
Einfachheit. Ein bisschen mehr Wildnis darf es ruhig sein. Und
zwar außen genauso wie innen.
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