Jetzt bin ich Miterbe, Röm 8,14-17 (Dreifaltigkeitssonntag)

Jetzt bin ich Miterbe, Röm 8,14-17 (Dreifaltigkeitssonntag)

5 Minuten

Beschreibung

vor 3 Wochen

Eine der Rollen, die für mich als Kind bestimmend waren, war die
des Erben. Ich bin das älteste von vier Geschwistern. Und um
Streit, Konkurrenz und ein Wetteifern um die väterliche Gunst zu
vermeiden, hatten unsere Eltern entschieden, es solle mit dem
Erben nach der Reihenfolge der Geburt gehen. Wenn der Älteste
nicht will oder kann, kommt der nächste an die Reihe. Ich weiß,
wie es sich anfühlt, ein Erbe zu sein.


Es ging dabei nicht um ein großes Vermögen, sondern um einen
kleinen Landbesitz, der nicht aufgeteilt werden konnte. Er trug
sich selbst. Wer erbte, musste einem Broterwerb auswärts
nachgehen.


Wer erbt, übernimmt das Vermögen, das Lebenswerk oder den
Nachlass eines anderen. Oft ist das Ausdruck seines Vertrauens,
seines Wohlwollens und seiner Wertschätzung. Ich war nicht
ungerne Erbe.


Allerdings gehen mit jeder Erbschaft auch Erwartungen einher.
Manche erben ja nicht nur die Güter, sondern auch die Aufgaben
und Rollen, ja gewissermaßen das Leben eines anderen. Und die
fragen sich früher oder später, was denn eigentlich aus ihrem
eigenen Leben geworden ist, das sie ohne dieses Erbe hätten leben
können.


Und schließlich kann eine Erbschaft zu schrecklichen Verwerfungen
führen. Wie viele Geschwister entzweien sich und wie viele
Familien zerbrechen im Streit um ein Erbe?


Im Brief an die Römer bezeichnet Paulus das Verhältnis der
Christen zu Gott als „Kinder“ und „Erben“. Damit meint er nicht
nur, dass wir von Gott geschaffen und gewollt sind. In diesem
Sinn ist jeder Mensch Sohn oder Tochter Gottes.


Paulus grenzt die Kindschaft von der Knechtschaft ab, die bloß
Hervorbringung und Abhängigkeit und von Furcht geprägt ist. Er
meint eine „Kindschaft“, um die die Kinder wissen, die sie
bejahen und die ihr Leben ausmacht. Eine Beziehung, die mit
Vertrauen, Bevollmächtigung und einer Erbschaft einhergeht.


Von diesem Erbe-Sein hören wir am Dreifaltigkeitssonntag. Gott
offenbart sich als ein Gott in drei Personen, als ein „Was“ und
drei „Wer“. Gott ist in sich bereits Beziehung und Liebe, sagt
die Schrift. Und zur vollkommenen Liebe gehören immer drei:
einer, der liebt, einer der geliebt wird und wiederliebt, und
einer, der mitliebt, damit keiner den anderen alleine lieben
muss.


Dieser dreifaltige Gott offenbart seine Liebe dem Menschen. Er
nimmt zu uns Beziehung auf. Aber in dieser Beziehung ist Gott
nicht einfach nur unser Gegenüber. Vielmehr will er uns in die
Beziehung der Liebe von Vater, Sohn und Heiligem Geist
einbeziehen.


Es gibt unendlich viele Weisen, diese Einbeziehung zu
beschreiben. Paulus tut das hier folgenermaßen: Alles, was wir
sind und haben, kommt vom Vater und geht zum Vater, der der
Ursprung, der Schöpfer und das Ziel von allem ist. Das offenbart
der Heilige Geist unserem Geist. Er betet mit uns und in uns und
lässt uns zum unsichtbaren, unbegreiflichen Gott „Abba – Vater“
sagen. Das können wir, weil Gott der Sohn den unendlichen Abstand
zwischen Gott und unserer Gottferne überwunden hat. In Jesus von
Nazareth wird er einer von uns, damit wir von ihm, dem Sohn,
lernen, dass wir Töchter und Söhne Gottes sind.


Wir sind Erben Gottes und „Miterben“ Christi, sagt Paulus. Mit
ihm empfangen wir alles von Gott dem Vater: uns selbst, die Welt,
das Leben mit Gott. Ja, man kann sogar sagen: Wir erben das Leben
und die Lebensform Gottes in der Welt: die Weise, wie Gott die
Menschen und die Welt sieht und liebt, wie er sich an ihr freut
und an ihr leidet, und wie er sie nach Hause bringt in das Fest
der dreifaltigen Liebe.


Ich bin dann doch nicht Erbe meines Vaters geworden, sondern
einer meiner Brüder. Es ging bei uns friedlich zu. In der Komplet
vom Donnerstag heißt es: „Auf schönem Land fiel mir mein Erbteil
zu, ja mein Erbe gefällt mir gut.“ (Ps 16,6) Früher dachte ich
dabei immer an mein Elternhaus. Heute denke ich an jenes Erbe,
das Gott uns mit Christus schenkt – uns miteinander und uns für
die Welt, nach der Gott sich sehnt und die er zur Erbin machen
will.


Fra’ Georg Lengerke

Kommentare (0)

Lade Inhalte...

Abonnenten

15
15
:
: