r(H)einreden – Entscheide mit dem Tetralemma – #09

r(H)einreden – Entscheide mit dem Tetralemma – #09

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Beschreibung

vor 5 Jahren

Hallo und herzlich Willkommen zur neunten Episode meines
Podcasts, willkommen beim r(H)einreden!


Vielen Dank für die tollen Rückmeldungen der letzten Wochen! Ja,
es ist Dir also aufgefallen, dass ich letzten Sonntag keine
Episolde veröffentlichen konnte. Trotzdem bist Du auch weiterhin
bei mir und dafür habe ich Dir heute eine - wie ich finde -
äußerst interessante systemische Methode mitgebracht! Schön dass
Du reinhörst!


Sicherlich hast Du in Deinem Leben auch bereits einmal ein
Dilemma erleben müssen oder dürfen. Die Qual der Wahl zwischen
zwei Optionen. Geht es dabei nur um Banalitäten, wie Kaffee oder
Tee, dann ist die Entscheidung recht schnell gefallen. Wenn es
aber um eine Dein Leben verändernde Entscheidung gehen soll, dann
kann Dein Dilemma zur persönlichen Hölle werden. Zwickmühle ist
dann ja noch eine eher harmlose Beschreibung für Deine
Erlebniswelt. Im Freundeskreis
erntet man oft Rat"Schläge",
die auch gut gemeint sind.


Das schilderte mir auch eine Klientin, die aus ihren Systemen
(Freunde und Familie) stets die beständige Lösung als Ratschlag
erhielt: "Lass alles besser so wie es ist!". Das
hatte meines Erachtens auch etwas damit zu tun, dass ihr Umfeld
keine Veränderungen bei ihr akzeptieren wollte. Denn eine
Veränderung hätte ja auch einen Abschied bedeuten können. Achte
einmal darauf, wenn Du in Deiner Beratung an solch einen Punkt
geraten solltest. Der "Egoismus" bei Freunden und
Familienangehörigen ist nicht immer negativ zu werten. Er soll
das komplette System einfach nur schützen.


Dein Klient erlebt eine Problemtrance. Wie
durch eine einglasige Brille ein Art
Monoocular sieht er nur noch das Problem vor
sich. Oder anders ausgedrückt: Er sieht nur noch das lodernde
Feuer und seine Folgen, betrachtet aber nicht die nähere
Umgebung, wo er dann einen Wasserschlauch zum Löschen finden
könnte. Angst dominiert ihn hier!


Angst wurde mir bislang auch oft in Gesprächen geschildert.
"Was wäre wenn ich nach der Entscheidung alles verlieren
würde?"  Nimm solche geäußerten Befürchtungen immer ernst!
Diese Ängste sind nicht nur Hinweise auf Gefahren. Sie können Dir
als Berater, Coach, Tainer und Therapeut vielmehr auch Hinweise
auf Potentiale Deines Klienten geben. Hinter diesen Ängsten
können Ressourcen versteckt sein! Das kann wiederum auch mit
heute hinderlichen alten Glaubenssätzen zusammenhängen.


Wie kann man nun ein Dilemma auffächern?


Ich stelle auf Grafenwerth immer zuerst die beiden Pole einander
gegenüber:


Das EINE und das ANDERE wie
schon "The Clash" 1982 gesungen haben:


"Should I stay or should I go?"


Die Bänke meiner Timeline aus Episode vier sind
hier hilfreich.
Wir stellen uns zwischen zwei Bänken auf und suchen dann die EINE
Bank für Variante 1 und später die ANDERE für Variante 2 auf -
eben eine mögliche Methode auf Grafenwerth.


Eine weitere Methode, die auch die Kraft der Beratung im Gehen
nutzen lässt, habe ich bereits einmal ausprobieren können. Ich
habe mich mit meinem Klienten erst zur Ostseite der Insel
begeben, zur Allee der großen Bäume. Hier sind wir soweit wie
möglich auf Grafenwerth ans Ufer gegangen, an den sogenannten
"Toten Arm".  Das EINE haben wir hier ausführlich besprochen
und mein Klient hatte einen dünnen Ast in fünf kleine Stücke
zerbrochen, die er bequem in seine Jackentasche stecken konnte.
Tatsächlich hatte er hier nur 5 positive Argumente - für jeweils
einen kleinen Stock einen Anker quasi. Trotz mehrfachem
Hinterfragen konnte oder wollte er mir dann kein Contra nennen,
so dass wir dann an die Westseite zu Ufer gegangen sind. Hier
kamen wir dann an den "Steinstrand", wo er kleine Steine für PRO
und CONTRA der zweiten Option in seinem Dilemma fand.


Im Nachhinein entschloss ich mich übrigens dazu kleine
Murmeln zu kaufen (im Spielwarengeschäft für
unter 2€ pro Sack). Farblich gut abgestimmt: BLAU das EINE, GELB
das ANDERE sowie GRÜN und WEISS. Für meinen Plan B eben, zu dem
ich im Falle eines Klienten greifen werde, die/der sich nicht die
Finger beschmutzen möchte. Ganz klar aber nur als
Ausnahme, da ich grundsätzlich auf die gegebenen Mittel
auf Grafenwerth zugreifen möchte!


Lass mich hier nun die dritte Variante ins Spiel
bringen. Ich wende diese dritte Möglichkeit zur heilsamen
Irritation an.


BEIDES
oftmals eine undenkbare Variante. "Wie soll denn das gehen?"
Gehen und bleiben zugleich? Auf den ersten Blick schier
unmöglich! Ich kann nicht gleichzeitig auf der einen und auf der
anderen Bank sitzen! Und erst recht kann Dein Klient nicht
zeitgleich an der West- und an der Ostseite der Insel das Ufer
aufsuchen.


Dieses scheinbare Problem kann durch die
Zeit gelöst werden. Frage Deinen Klienten was passieren
müsste, damit er es doch hinkriegen könnte - zumindest zeitweise.
Beim Wechsel vom Angestelltenverhältnis in die Selbständigkeit
hat mein prominenter Kollege, der Sozialarbeiter Thomas
Mangold,  die Lösung einer Teilzeitbeschäftigung gefunden,
um mal ein Beispiel aus der Arbeitswelt zu benennen. Man kann
also zeitweise das EINE wählen und dann zu anderen Zeiten das
ANDERE. Somit hat man die Kraft aus beiden Möglichkeiten vereint
und beide Kräfte wirken jeweils auch auf die andere Variante.
BEIDES kann also auch eine gangbare dritte Variante darstellen.


Allerdings nicht für jeden Klienten. Ein Teilzeitstudent kam mit
der Frage auf mich zu, ob er eine schwere Prüfung (entscheidend
für die Fortsetzung seines Studiums) vorziehen sollte? Oder
sollte er lieber den letzten möglichen Termin wählen? Für ihn ein
echtes Dilemma - mit Wirkung auf die Zukunft, zumal er neben dem
Studium noch beruflich tätig war.


BEIDES tat er zunächst als
"Quatsch" ab. Nach unserem Gespräch stellte er aber
fest, dass er den ersten Termin nutzen könnte und im Falle seines
"Durchfallens" den späten Temrin für die Nachprüfung. Somit gabe
es also doch die Möglichkeit für BEIDES - eben
zeitlich versetzt.


Wenn Du also bemerkst, dass Dein Klient mit dieser dritten
Variante gut beschäftigt ist und es in ihm arbeitet, dann kannst
Du es an diesem Punkt auch beim Input für die Beratungseinheit
belassen. Das genau ist es doch was wir in unserer Rolle als
systemisch arbeitende Berater wollen ... Dein Klient kommt
geistig in Bewegung - raus aus der Schockstarre der
Problemtrance! Gib ihm Raum und vielleicht auch die Stille um
darüber nachdenken zu können. Es müssen ja nicht alle denkbaren
Möglichkeiten sofort auf den Tisch.


Fragt Dein Klient nach weiteren Optionen, da er mit diesen drei
Wegen nichts anfangen kann, dann kommen wir zum interessanten
Schritt dieser Methode.


Bei mehr als drei Möglichkeiten zum Polylemma, wenn man hier
Wikipedia glauben darf. Zu viele Möglichkeiten
sind meiner Meinung nach aber auch hier nicht
zielführend, so dass ich Dir wie üblich empfehle:
bleibe bei den Top5!


Ähnlich wie bei den WERTEN, die ich in meiner Episode zwei zum
WERTERAD zur Wahl stelle, sollte es besser nur
bei einer guten Hand voll Möglichkeiten bleiben - an jedem Finger
einer Hand abzählbare Alternativen! Hier und heute dann das
Tetralemma.


Jetzt wunderst Du Dich sicherlich, da "Tetra" ja für "vier"
steht. Wieso vergleiche ich es hier mit den fünf Fingern einer
Hand? Wenn Du bis zum Ende dieser Episode dran bleibst, dann
wirst Du verstehen, was ein Tetralemma mit fünf Möglichkeiten zu
tun hat.


Zunächst aber mal zur vierten Variante:


KEINES VON BEIDEN


Frage Deinen Klienten im nächsten Schritt einfach mal was er
machen würde, wenn ihm die Entscheidung abgenommen werden würde.
Was wäre denn, wenn ihm plötzlich beide Wege verwehrt werden
würden? KEINES VON BEIDEN!


Wie würde er weiter vorgehen, wenn es keine dieser beiden
Möglichkeiten für ihn geben würde? Welche Personen könnten ihm
dann weiterhelfen? Welche Alternativen würden sich dann für ihn
auftun? Welche Dinge bräuchte Dein Klient dann ganz dringend um
weitere Schritte vornehmen zu können?


Ganz schön viele Konjunktive? Allerdings ist diese vierte
Alternative oft sehr überraschend für die Klienten! Es wird ihnen
dann oftmals klar, wie wertvoll die beiden Optionen des Dilemmas
sind - oder vielleicht eben auch nicht. Vielleicht kommt Deinem
Klienten dann die Idee, dass es sich gar nicht lohnt darüber
Zeit, Kraft oder Engergie zu verschwenden?


 


 


Hast Du Deinen Klienten durch Deine Fragetechniken und die vier
Möglichkeiten allerdings nicht in Bewegung bringen können, dann
braucht er ganz klar mehr Zeit!


Diesen Fall habe ich auch schon erlebt  -  bei meinem
eben genannten "Teilzeitstudenten". Zum Ende der Einheit wollte
er tatsächlich meine Meinung wissen. Also i.S. von:  "Was
würden Sie an meiner Stelle tun?" Und obwohl ich ihm mehrfach
erklärte und auch mehrfach darauf aufmerksam gemacht hatte, dass
die Entscheidung ganz bei ihm liegt - trotzdem entlockte er mir
eine Antwort. Er ging mit den Anregungen nach Hause und ich
fragte mich, ob das nun ein entschiedener Fehler von mir war?
Hätte ich schweigen sollen?


Im Ergebnis entschied er sich für das EINE - abweichend von
meiner Antwort. Für mich stellte die Beratung dieses Klienten
aber eine besondere Erfahrung dar, da ich von meiner
allparteilichen Einstellung abgewichen bin. Eine Erfahrung, die
mich lehrte dies nicht wieder zuzulassen!


ETWAS ANDERES als fünfte Variante kannst Du
immer dann anbieten, wenn Dein Klient alle die vorherigen vier
Möglichkeiten bearbeitet hat und dann noch immer zu keinem
Ergebnis für sich gekommen sein sollte. Das ist dann auch eher
eine Option für einen Folgetermin. Mache ihn auf den bislang
durchlebten Beratungsprozess aufmerksam. Lass Deinen Klienten für
sich ein Resümee ziehen und dann auf Basis dieser Ergebnisse ggf.
das Tetralemma erneut aufstellen.


Frage Deinen Klienten, was er mit
dem nun über sich und über das anfängliche Dilemma
erlangten Wissen anfangen kann? Gibt es von
dieser Position nun eine ganz ganz andere, eine fünfte Variante?
Eine Variante, die ihn eher zu einer anderen Fragestellung führt,
zu einer anderen Möglichkeit, die erst jetzt nach dem durchlebten
Tetralemma sich als klare Alternative auftut? Oder eben
vielleicht auch nicht?


Bestensfalls ist für Deinen Klienten die Entscheidung nun ganz
klar! Selbst wenn das Ergebnis lauten sollte: "Alles bleibt.", so
kannst Du ihm gegenäber den Satz mit guten Gewissen ergänzen:
"Alles bleibt neu!".


Ich hoffe Du kannst mit dieser Methode einmal selber eine
Fragestellung für Dich austesten. Im Stehen oder im Gehen nutzt
Du alle Deine Ressourcen! Aus der eigenen Erfahrung heraus ist es
dann immer einfacher Deinen Klienten bei seinem Tetralemma zu
begleiten.


Schreib mir gerne Deine Erfahrungen und Anregungen zum Tetralemma
im Gehen. Gerne über Twitter (@rHeinreden) oder per Mail.


Viel Freude beim Ausprobieren und vergiss nicht, mit mir kannst
Du r(H)einreden.
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