Ich nehme die Wahl an 1 Kor 1,26-31

Ich nehme die Wahl an 1 Kor 1,26-31

4 Minuten

Beschreibung

vor 1 Jahr

In den vergangenen Tagen haben wir vor den Toren Roms eine neue
Regierung des Malteserordens gewählt. Es sollten möglichst die am
besten Geeigneten sein. Mit den unterschiedlichsten Meinungen,
wer das sei, welche Gaben es braucht und wer welche hat. Und wer
gewählt wurde, sagte laut und vernehmlich: „Ich nehme die Wahl
an!“


Wie wäre das ausgegangen, wenn wir gewählt hätten, wie Gott
gewählt hat? „Das Törichte […], das Schwache […], das Niedrige
und das Verachtete in der Welt hat Gott erwählt“, schreibt Paulus
an die Gemeinde in Korinth.


Nun geht es, wenn Gott erwählt, nicht um Wahlämter. Es geht um
Berufung. Wer seine Berufung annimmt, der merkt, dass er auch
erwählt ist. Erwähltsein bedeutet, dass ich herausgenommen werde
aus dem Allgemeinen ins Besondere, aus der
Nicht-Unterscheidbarkeit in das Unverwechselbare, aus dem
Gemeinen ins Ungemeine.


Und Gott erwählt uns nicht, um uns aus den Anderen herauszuheben,
sondern um uns zu den Anderen zu senden. Gott erwählt Menschen
nicht vor anderen, sondern für andere…


Aber warum schreibt Paulus, dass Gott ausgerechnet das Törichte,
das Schwache und das Niedrige erwählt? Stimmt, was der Philosoph
Friedrich Nietzsche den Christen unterstellt hat: „die
Bevorzugung alles Leidenden, Schlechtweggekommenen,
Degenerierten“, gegen die Nietzsche protestiert und wegen derer
er die „Moral des Christentums als Kapitalverbrechen am Leben
empfindet“?


Ich denke, es ist wichtig, dass sich Christen der Versuchung
bewusst sind, Schwachheit und Krankheit zu idealisieren. Aber es
geht bei der Erwählung Gottes nicht darum, dass Torheit
schlechthin besser wäre als Weisheit, Schwäche besser als Stärke
oder Niedrigkeit besser als Vornehmheit.


Es geht darum, dass etwas nicht stimmt mit dem, was „die Welt“
(oder der weltliche „Mainstream“) als Weisheit, Stärke und
Erhabenheit verehrt und als Torheit, Schwäche und Niedrigkeit
verachtet.


Die „Weisheit der Welt“ ist für Paulus Torheit, weil sie zwar
viel gelernt aber wenig erkannt hat, weil sie das Sichtbare,
Messbare und Begreifliche für die ganze Wirklichkeit hält, über
die hinaus es nichts Unbegreifliches geben darf.


Die „Stärke der Welt“ ist bestenfalls halbstark, Sie überschätzt
sich, meint niemanden zu brauchen und ihre traurige Großartigkeit
besteht darin, dass sie sich nicht helfen lässt.


Und die „Erhabenheit der Welt“ ist schließlich jene, die
überheblich ist, sich selbst erhebt – über andere und auf deren
Kosten – und die über sich nichts und niemanden dulden kann.


Gott erwählt das, was die Welt für töricht hält, in Wirklichkeit
aber weise ist; das, was für die Welt schwach, für Gott aber
stark ist; das, was in den Augen der Welt niedrig ist, in
Wirklichkeit aber echte Größe hat.


Ich stand in der vergangenen Woche nicht zur Wahl. Aber ich habe
gewählt. Manche von mir Gewählten haben eine Aufgabe übernommen.
Andere nicht. Aber alle haben nach der Wahl gesagt. „Ich nehme
die Wahl an.“


Doch wenn ich jetzt nach Hause fahre, dann stehe auch ich wieder
zur Wahl. Weil Gott mich erwählt. Immer wieder. Und zwar gerade
da, wo ich für ihn in der Torheit klug, in der Schwachheit stark
und in der Niedrigkeit groß bin.


Ich sage das natürlich nicht laut und feierlich. Aber leise und
dankbar sage ich es doch. Immer wieder: „Ich nehme die Wahl an.“


Fra' Georg Lengerke

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