Einleitung - Gelesen von Nina Kummer

Einleitung - Gelesen von Nina Kummer

Das Hörbuch der sexualisierten Gewalt
5 Minuten

Beschreibung

vor 2 Jahren
Das Hörbuch thematisiert sexualisierte Gewalt und könnte deshalb
verstörend wirken. Hör es dir an, wenn du dich bereit dazu fühlst.
Vielleicht sprichst du anschließend mit Freund*innen darüber. Im
Sommer 2021 veröffentlichte unsere Band Blond den Song mit dem
Titel „Du und Ich“. In diesem Song haben wir uns mit dem Thema
sexualisierte Gewalt auseinandergesetzt. Wir wollten dieses Thema
auch noch über andere Aktionen sichtbar machen. In Zusammenarbeit
mit dem KOSMOS Chemnitz und dem als Beratungsstelle für Betroffene
sexualisierter Gewalt im Raum Chemnitz/Erzgebirge arbeitenden
Verein Wildwasser e.V. entstand die „Hütte der sexualisierten
Gewalt“. In der im Stile eines Gartenhäuschens aufgebauten „Hütte
der sexualisierten Gewalt“ wurde eine Ausstellung präsentiert, in
der 69 anonymisierte Erfahrungsberichte von Betroffenen zu lesen
waren. Das Häuschen stand gut sichtbar an zentraler Stelle in der
Chemnitzer Innenstadt und später auf dem Reeperbahn Festival 2021.
Das Problem sexualisierter Gewalt existiert mitten in unserer
Gesellschaft. Alle sollten sich damit beschäftigen, denn es ist ein
gesamtgesellschaftliches Problem, das viel zu oft mit einem
Achselzucken akzeptiert wird, weil man ständig und überall damit
konfrontiert wird. Es gehört aber nicht zum normalen Leben, dass
man im Club an den Hintern gefasst und auf dem Nachhauseweg
verfolgt wird, einem in der Straßenbahn Kussgeräusche aufgenötigt
werden oder Autos im Vorbeifahren hupen. Es gehört nicht zum
normalen Leben, dass man selbst in Beziehungen bedrängt wird und am
Ende ein „Nein“ nicht reicht. Die Hütte ist mittlerweile abgebaut,
das Problem besteht aber weiter. Deshalb haben wir das Hörbuch der
sexualisierten Gewalt entwickelt. In den folgenden Kapiteln hörst
du diese 69 anonymisierten Erfahrungsberichte. Sie wurden von
Menschen, die uns bei diesem Projekt unterstützt haben,
eingesprochen. „Ich weiß gar nicht, ob das so richtig zum Thema
passt.“ So beginnen viele der Erfahrungsberichte, enden dann aber
mit Aussagen über offensichtliche Fällen sexualisierter Gewalt.
Betroffene misstrauen oft ihrer eigenen Wahrnehmung und suchen die
Schuld bei sich selbst. Sie fragen sich, ob sie vielleicht die
falsche Kleidung getragen haben oder zu nett gewesen sind. Wir
lernen von klein auf, wie wir uns zu verhalten haben: „Meide dunkle
Straßen.“ „Geh nicht allein raus.“ „Zieh nicht so einen kurzen Rock
an.“ Als ob unser Verhalten schuld daran ist, und nicht das der
Täter*innen. Betroffenen fällt es deshalb schwer, sich anderen
Menschen anzuvertrauen und Hilfe zu suchen. Wir müssen anfangen,
Betroffenen zu glauben. Wir müssen anfangen, unser eigenes
Verhalten und das unseres Umfeldes zu reflektieren. Wir alle kennen
Betroffene, aber keiner kennt Täter*innen. Das kann nicht stimmen.
Wenn wir den Kumpel, der Mädchen an den Hintern fasst, nicht
kritisieren; wenn wir unseren Freund, der im Club Frauen belästigt,
mit den Worten „Der ist gerade betrunken.“ verteidigen; wenn wir
Betroffenen mit den Sätzen „Jetzt hab dich doch nicht so. War
sicher nur nett gemeint.“ begegnen, immer dann sind wir Teil des
Problems. Mit Wegschauen, Weghören, mit Entschuldigungen
relativieren wir die Tatsachen. Die meisten denken bei
sexualisierter Gewalt an einen nachts aus dem Gebüsch springenden
fremden Mann. Das Problem begegnet uns aber vor allem am
helllichten Tage. Der häufigste Tatort sind die eigenen vier Wände.
Alle Einnahmen, die durch das Hörbuch generiert werden, spenden wir
an den Wildwasser e.V. Volle Solidarität mit Betroffenen von
sexualisierter Gewalt.

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