Methotrexat, Untersuchung über die Ursachen einer tödlichen Überdosierung

Methotrexat, Untersuchung über die Ursachen einer tödlichen Überdosierung

Beschreibung

vor 13 Jahren
Internationale Analysen stimmen darin überein, dass medizinische
Fehler vorrangig aus Systemfehlern – aus den Organisationsmängeln
in der Gesundheitsversorgung – resultieren. Individuelle
Versäumnisse der Fachleute im Gesundheitswesen sind dagegen –
quantitativ – nur nachrangig für das Entstehen medizinischer Fehler
von Bedeutung. Zu den häufigsten unerwünschten Ereignissen im
stationären Bereich und auch zu den häufigsten vermeidbaren
Problemen gehören international Arzneimittelkomplikationen. Die
Hypothese, dass auch hierzulande, im Gegensatz zu der allgemein
akzeptierten, juristischen Betrachtungsweise der Problematik, die
medizinischen Behandlungsfehler nicht isoliert durch einzelne
Personen herbeigeführt, sondern durch die bestehenden Lücken im
Gesundheitssystem in unterschiedlichem Maße begünstigt werden,
sollte an einem kleinen Patientenkollektiv, das mit Methotrexat
behandelt wurde, geprüft werden. Von 1992 bis 2006 wurden sämtliche
im Institut für Rechtsmedizin der Universität München autopsierten
Fälle einer letal wirksamen absoluten oder relativen
MTX-Überdosierung erfasst. Unter Verwendung des modifizierten
"London-Protokols" wurden die Krankenblattunterlagen, die
umfangreichen staatsanwaltlichen Ermittlungsakten, die
Obduktionsergebnisse sowie die Ergebnisse der
chemisch-toxikologischen und histologischen Untersuchung
ausgewertet. Innerhalb von 15 Jahren wurden im Institut für
Rechtsmedizin insgesamt acht Fälle einer tödlichen
MTX-Überdosierung bearbeitet. Bei sieben von acht Patienten bestand
eine primäre chronische Polyartritis, bei einer weiteren Patientin
erfolgte die MTX-Therapie wegen eines vermuteten metastasierten
Dickdarmkarzinoms. Mit einer Ausnahme betraf die Fehlbehandlung
Frauen. Ein unmittelbarer, bzw. mittelbarer kausaler Zusammenhang
zwischen einer MTX-Überdosierung und dem Todeseintritt konnte in
allen Fällen zweifelsfrei belegt werden. In fünf Fällen betraf die
Fehlbehandlung mit MTX die Häufigkeit der Substanzverabreichung, z.
B. je 10 mg an 23 aufeinander folgenden Tagen, statt 10 mg pro
Woche. Bei einer Patientin lag bei Nichtberücksichtigung einer
erheblich eingeschränkten Nierenfunktion eine relative
Überdosierung der Substanz vor. Eine weitere Patientin starb
infolge einer mangelnden Überwachung einer per se richtig dosierten
MTX-Therapie. Bei einer 54-jährigen Frau wurde eine hochdosierte
intravenöse Verabreichung von MTX bei einem angeblichen Tumorleiden
ohne jegliche Überprüfung der Indikation und ohne eines sog.
"Leukovorin-Schutzes" durchgeführt. Bei der Aufarbeitung der Fälle
zeigte sich gerade bei Patienten mit Polyarthrits und MTX-Therapie
ein sehr ähnlicher Verlauf im Hinblick auf die diagnostischen
Maßnahmen und Interpretation der Befunde nach dem Auftreten der
ersten Symptome. Die Analyse der Fälle zeigte, dass ein
gleichzeitiges Wirksamwerden zahlreicher Faktoren wie mangelnde
Kommunikation zwischen den Leistungserbringern, unzureichende
Ausbildung des Personals, mangelhafte Patientenaufklärung u.a. zum
Behandlungsfehler geführt haben. Hiermit konnte die Hypothese eines
multifaktoriellen Geschehens beim Zustandekommen eines
Behandlungsfehlers bestätigt werden, wonach individuelle
Versäumnisse der Leistungserbringer quantitativ nur nachrangig für
das Entstehen von Fehlern in der Gesundheitsversorgung von
Bedeutung sind. Vielmehr sind Fehler als Konsequenzen und weniger
als Ursachen anzusehen. Die vorliegende Studie führte darüber
hinaus zu der Erkenntnis, dass derartige Fälle nicht pauschal,
sondern nur mit einem enormen Zeitaufwand und unter der
Berücksichtigung der Begebenheiten eines jeden Einzelfalls
untersucht werden können und dürfen.

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