Interaktion von Emotion und Kognition als Grundlage für die Verhaltensregulation bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung

Interaktion von Emotion und Kognition als Grundlage für die Verhaltensregulation bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung

Beschreibung

vor 14 Jahren
Zu den Kernsymptomen der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS)
zählen die Störung der Impulskontrolle und die emotionale
Dysregulation, die für die sozialen und zwischenmenschlichen
Konflikte sowie für das bei Patienten mit einer Borderline-
Persönlichkeitsstörung (BPS-Patienten) fast immer vorhandene
selbstverletzende Verhalten ursächlich verantwortlich gemacht
werden. Ziel des Promotionsvorhabens war es, die Inhibitions- und
Regulationsfähigkeit für Reize unterschiedlicher Valenzen und
unterschiedlicher Arousalausprägungen als Grundlage der
Verhaltensregulation bei BPS-Patienten mittels experimenteller
Paradigmen (mit Papier und Bleistift-Methode oder am Computer) und
funktioneller Kernspintomographie (f-MRT) zu untersuchen. Aufgrund
der heterogenen Befundlage sollte zudem ein Beitrag zur Erstellung
des neuropsychologischen Leistungsprofils bei der BPS geleistet
werden. Somit stellt die vorliegende Arbeit eine umfangreiche
Untersuchung von klinischen, kognitiven und neurofunktionellen
Leistungen bei einer einzigen klinischen Stichprobe und einer
vergleichbaren Stichprobe von gesunden Probanden dar. Nachdem das
Untersuchungsmaterial (Bildersammlung) für die experimentelle
Kernspinuntersuchung nach eigens für die Studie festgelegten
Kriterien entwickelt und zusammengestellt und anhand einer gesunden
Stichprobe bewertet wurde, konnte die klinische,
neuropsychologische, experimentelle und neurofunktionelle
Untersuchung der BPS-Patienten und einer gesunden Vergleichsgruppe
durchgeführt werden. Die Inhibitions- und Regulationsfähigkeit für
neutrale und emotionale Reize wurden mittels unterschiedlicher
Inhibitionsarten (willentliche kognitive Inhibition, automatische
kognitive Inhibition und affektive Interferenzkontrolle) und
verschiedener emotionaler Regulationsmechanismen („Top-down-“ und
„Bottom-up-Regulation“) geprüft. Im Theorieteil wird ein Überblick
über das Störungsbild der BPS sowie über neuropsychologische und
neurofunktionelle Befunde bei der BPS gegeben. Des Weiteren werden
die für diese Arbeit relevanten Aspekte der Impulsivität und
Inhibition sowie der Emotion und Emotionsregulation behandelt. Im
Methodenteil Teil A wird die methodische Vorgehensweise bei der
Erstellung der neuen Bilderbatterie ausführlich erläutert. Im
Methodenteil Teil B werden alle eingesetzten standardisierten bzw.
etablierten Instrumente sowie die experimentellen Paradigmen und
das fMRT-Paradigma beschrieben. Erhoben wurden klinische Daten aus
den Selbstauskunftsfragebögen, kognitive Leistungsparameter,
Verhaltensdaten aus den experimentellen Paradigmen sowie aus dem
fMRT-Paradigma und neurofunktionelle Daten mittels funktioneller
Kernspintomographie. Die Ergebnisse werden zunächst pro Bereich und
abschließend integrativ diskutiert. Die neuropsychologischen
Ergebnisse suggerieren, dass die Leistungsunterschiede zwischen
BPS-Patienten und gesunden Probanden sowohl im verbalen als auch im
non-verbalen Gedächtnis auf Beeinträchtigungen des
Arbeitsgedächtnisses und der Planungsfähigkeit für komplexe
Informationen zurückzuführen sind. Insgesamt lassen sich die bei
den BPS-Patienten beobachteten Einbußen einem rechtshemisphärischen
fronto-temporalen Netzwerk zuordnen. Die bereits von mehreren
Autoren postulierte rechtshemisphärische fronto-temporale
Beeinträchtigung wurde ebenfalls im Rahmen der
Emotionsregulationaufgabe beobachtet, da die BPS-Patienten
bevorzugt eine linkshemiphärische Beteiligung im Vergleich zu den
gesunden Probanden zeigen. Zur kognitiven Inhibitionsfähigkeit
ergaben sich lediglich für die intentionale kognitive Inhibition
(geprüft anhand des Emotionalen Directed Forgettings) eindeutige
Ergebnisse, die die Vermutung einer erhöhten
Interferenzanfälligkeit für negativ geladene Reize bei der BPS
bestätigen. Sowohl aus der Prüfung der intentionalen kognitiven
Inhibition als auch aus den klinischen Daten geht hervor, dass bei
den BPS-Patienten die bevorzugte Vearbeitung aversiver Reize mit
einer defizitären Verarbeitung appetitiver Reize bzw. das
Zurückgreifen auf stressinduzierende Strategien mit einem Defizit
an stressreduzierenden Strategien einhergeht. Obwohl die Hypothese,
dass BPS-Patienten negativ geladene Reize im Arousal stärker
bewerten als Gesunde, nicht bestätigt werden konnte, fanden wir
eine stärkere Beteiligung der Amygdala sowohl für stark erregende
aversive als auch bereits bei leicht erregend aversiven Reizen. Die
ausgebliebene höhere Arousalbewertung trotz vorliegender limbischer
Hyperreagibilität geht mit ähnlichen Befunden aus der Literatur
einher (Herpertz et al., 1999; 2001) und bekräftigt die Vermutung
einer Dissoziation der Reaktionsebenen als Charakteristikum der BPS
(Renneberg, 2003). Im Vergleich zu den gesunden Kontrollprobanden
fiel die Arousalreduktion bei den BPS-Patienten lediglich in der
willentlichen Emotionsregulation durch Distanzierung signifikant
geringer aus. Für die automatische Regulation durch Ablenkung
zeigten sich weder bei den BPS-Patienten noch bei den Gesunden
Veränderungen in der subjektiven Wahrnehmung des Arousals. Das
neuronale Aktivierungsprofil unterschied sich zwischen den Gruppen
sowohl in der Distanzierungs- als auch in der Ablenkungsbedingung.
Mögliche Ursachen hierfür werden diskutiert. Auch in der
Gedächtnisleistung zeigten sich unterschiedliche Leistungsprofile
zwischen der Distanzierung- und Ablenkungsbedingung, die mit den
Ergebnissen aus der Arousalbewertung und der neuronalen Aktivierung
gut vereinbar sind. Die BPS-Patienten zeigten im Vergleich zu den
Gesunden in der Ablenkungsbedingung mehr Fehler für aversive
Bilder. In der Distanzierungsbedingung, und teilweise in der
Ablenkungsbedingung, zeigten die BPS-Patienten eine
Beeinträchtigung im Erinnern positiver Wörter. In der
Distanzierungsbedingung ging diese Beeinträchtigung mit einer
besseren Erinnerungsleistung von stark erregenden aversiven Bildern
einher. All diese Ergebnisse können mit der Psychopathologie der
BPS in Zusammenhang gebracht werden: Die erhöhte Interferenz für
aversive Reize führt zusammen mit einer geringeren
Verarbeitungsfähigkeit von appetitiven Reizen zu einem
physiologischen Hyperarousal, das auf Verhaltensebene aufgrund
mangelnder subjektiver Wahrnehmung und fehlenden adäquaten
Strategien nicht unterdrückt werden kann und durch das
Zurückgreifen von inadäquaten Strategien weiter verstärkt wird. Das
Hyperarousal kommt vor allem in interpersonellen bzw. sozialen
Interaktionen zum Tragen, da sie komplexe Anforderungen an das
Individuum stellen und eine ständige Analyse und Interpretation der
verbalen und non-verbalen Informationen sowie eine nahezu ständige
on-line Regulation der parallel ablaufenden emotionalen Prozesse
erfordern. Da die BPS-Patienten eine Beeinträchtigung des
Arbeitsgedächtnisses und der Fähigkeit komplexe Informationen zu
strukturieren aufweisen, ist es ihnen jedoch kaum möglich diesen
Anforderungen gerecht zu werden. Der aversive Spannungszustand
wirkt nach dem Modell von Herpertz und Saß (1997) als modulierender
Faktor auf den impulsiven Antrieb und/oder auf die Impulskontrolle
und führt somit zu einer erhöhten Impulsivität, die dazu beiträgt,
dass die fehlerhafte kognitive Analyse verstärkt wird. Dadurch
kommt es zu einem Hochschaukeln von aversiver Spannung und
fehlerhafter kognitiver Informationsverarbeitung und endet
schließlich in inadäquaten, selbstschädigenden Reaktionen sowie
interpersonnellen Konflikten. Zum Abschluss wird die Arbeit
kritisch gewürdigt und ein Blick auf die aus den diskutierten
Ergebnissen sich ergebenden weiterführenden Untersuchungen
geworfen.

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