Die Interaktion von Magenentleerung und Glukosestoffwechsel bei Gesunden und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1

Die Interaktion von Magenentleerung und Glukosestoffwechsel bei Gesunden und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1

Beschreibung

vor 14 Jahren
Die Regulation der postprandialen Hyperglykämie hat eine große
Bedeutung für die Glykämiekontrolle bei Patienten mit Diabetes
mellitus. Früheren Untersuchungen entsprechend werden postprandiale
Blutzuckerexkursionen wesentlich auch durch die Geschwindigkeit der
Magenentleerung determiniert. Umgekehrt hemmt eine akute
Hyperglykämie die Magenentleerung. Ziel dieser prospektiven,
randomisierten, einfach-blinden cross-over Studie war die Bedeutung
der Magenentleerung für die postprandialen Glukoseflüsse und die
Wechselwirkung zwischen Magenentleerung und Hyperglykämie bei 14
gesunden Probanden und 15 altersentsprechenden Patienten mit Typ 1
Diabetes mellitus (T1DM). In einem ersten Ansatz wurde die
Magenentleerung bei normoglykämischen Gesunden selektiv durch den
Amylin-Agonisten Pramlintide gehemmt. In einem zweiten Teil wurde
der Effekt einer akuten Hyperglykämie auf Magenentleerung und
postprandiale Glukoseflüsse bei Amylin-defizienten Patienten mit
T1DM untersucht und mit Gesunden verglichen. In einem dritten Teil
wurde die Magenentleerung hyperglykämischer Patienten mit T1DM
durch das Amylin-Analogon Pramlintide verzögert. Die
Magenentleerung wurde mit zeitlich hochauflösender Szintigraphie
gemessen, die Glukoseflüsse wurden unter Einsatz nicht-radioaktiver
Tracer zur Markierung der oralen Glukose und des systemischen
Glukosepools kalkuliert. Die durch Pramlintide induzierte
Verzögerung der initialen Magenentleerung bei Gesunden führte zu
einer Reduktion der Erscheinerate von Glukose im Plasma und einer
deutlichen Reduktion sowohl der postprandialen
Blutzuckerexkursionen als auch der Insulinplasmakonzentrationen.
Die Reduktion der Gesamterscheinerate von Glukose war bei
gleichzeitiger Steigerung der endogenen (hepatischen)
Glukoseproduktion ausschließlich durch die reduzierte Erscheinerate
exogener Mahlzeitglukose bedingt. Zudem wurde ein größerer Teil der
oralen Glukose hepatisch sequestriert und auch peripher trotz
niedrigerem Plasmainsulin suffizienter eliminiert. Bei den
Patienten mit T1DM war die Magenentleerung unter Euglykämie (5 mM)
im Vergleich zu Gesunden gering, aber signifikant beschleunigt. Die
Magenentleerung ließ sich im Gegensatz zu Gesunden durch eine akute
Hyperglykämie (10 mM) nicht hemmen. Entsprechend war die
Erscheinerate der Mahlzeitglukose im Vergleich zu Gesunden höher,
und die akute Hyperglykämie beeinflusste bei den Diabetikern weder
die Erscheineraten der exogenen noch der endogenen Glukose. Bei
Gesunden ist die Sekretion des in der ß-Zelle mit Insulin
kolokalisierten Amylin eng an die Freisetzung von Insulin geknüpft.
Amylin ist ein humoraler inhibitorischer Regulator der
Magenentleeerung. Mechanismus ist wahrscheinlich eine reversible
vagal-cholinerge Hemmung. Unter Hyperglykämie kam es bei den
Gesunden parallel zu der Verzögerung der Magenentleerung zu einem
starken Anstieg der Plasmaamylinkonzentration. Bei den Patienten
mit T1DM war Amylin auch unter Hyperglykämie nicht nachweisbar. Die
pharmakologische Wiederherstellung einer der unter akuter
Hyperglykämie Gesunder vergleichbaren Verzögerung der
Magenentleerung bei den Patienten mit T1DM durch das
Amylin-Analogon Pramlintide führte bei identischer
Insulinsubstitution zu einer deutlichen Reduktion der
postprandialen Blutglukoseexkursionen und zu einer signifikant
niedrigeren Erscheinerate exogener Mahlzeitglukose bei
unveränderter postprandialer Suppression der hepatischen
Glukoseproduktion. Eine Magenentleerungsverzögerung führt somit
insulinunabhängig zu einer verbesserten Glukosetoleranz durch eine
reduzierte Erscheinerate der Mahlzeitglukose, eine Steigerung der
hepatischen Glukosesequestration und eine verbesserte periphere
Glukoseelimination. Die unter akuter Hyperglykämie zu beobachtende
Magenentleerungsverzögerung ist ein physiologischer
Schutzmechanismus zur Wahrung der Glukosehomöostase. Diese
Magenentleerungsverzögerung ist zumindest zum Teil durch Amylin
vermittelt. Bei Amylin- defizienten Patienten mit T1DM existiert
diese feedback- Hemmung auf die Magenentleerung nicht mehr. Wir
vermuten, dass eine gestörte Magenentleerungsregulation bei T1DM
mitverantwortlich ist für die gestörte postprandiale
Blutzuckerregulation bzw. einen relativ hohen Bedarf an exogenem
Insulin. Bei Patienten mit T1DM ohne Nachweis einer autonomen
Neuropathie ist eine medikamentöse Therapie zur bedarfsgerechten
postprandialen Verzögerung der Magenentleerung pathophysiologisch
sinnvoll. Inwiefern dies auch für Patienten mit T2DM gilt, bleibt
zu untersuchen.

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