Marc Bühlmann: «Ein Bundesrat muss Kompromisse machen», Feusi Fédéral, Ep. 75
Der Berner Politikwissenschaftler über die Bundesratswahlen, die
«Tickets» der Parteien und den nahenden Wahlkampf – und warum die
Langsamkeit des politischen Systems der Schweiz auf lange Sicht ein
Vorteil darstellt.
30 Minuten
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Beschreibung
vor 3 Jahren
«Heute geht es nach einem Rücktritt nur wenige Minuten, und schon
redet man vom Kandidatenkarusell», sagt Marc Bühlmann. «Diese
Geschwindigkeit entspricht nicht unserem politischen System.» Das
sei früher anders gewesen. Es habe auch keine «Bundesratstickets»
gegeben. Vielmehr habe sich in den Wochen vor einer Wahl langsam
herauskristallisiert, wer in Frage komme. «Dass Parteien mit
Vorschlägen kommen, das ist eher etwas Neueres.» Und trotz des
zunehmenden Tempos bleibe das System bedächtig. «Das langsame
System ist zum Glück nach wie vor sehr stark. Egal, was Parteien
oder Medien veranstalten, das System kümmert sich nicht um die
Aktualität.» Die Bundesratswahl werde vermutlich unspektakulär,
aber alles darum herum müsse spektakulär sein, für die Medien, die
Parteien und das Publikum. Als Partei möchte man zwar einen
Bundesrat, der auf Parteilinie sei, sagt Bühlmann. In der Regierung
bringe das aber nichts, weil es eine Kollegialregierung sei. «Es
muss eine Person sein, die über den eigenen Schatten springen kann
– und das weiss die Bundesversammlung relativ gut. Und trotzdem
sagen die Parteien: wir entscheiden, wer da reinkommt.» Die
Bundesversammlung sei nicht gezwungen, jemandem vom Ticket der SP
zu nehmen. Doch ein Jahr vor den Wahlen wolle niemand eine solche
Aktion durchführen. «Ich gehe davon aus, dass jemand von den
Tickets gewählt wird und die Parteien so vorausschauend sind,
jemanden aufzustellen, der wählbar ist.» Auch wenn gerade die
Pol-Parteien SP und SVP gerne einen «Hardliner» in der Regierung
hätten, der Bundesrat habe vor allem eine Verwaltungsfunktion, sagt
Bühlmann. «Es ist ein Gremium, das um Kompromisse ringen muss. Das
ist auf lange Sicht wieder ein Vorteil.» Ist das Konkordanzsystem
unter Stress, weil die Grünen und die Grünliberalen nicht im
Bundesrat sind? «Konkordanz ist wie eine Käseglocke, da sind alle
darunter, aber es stinkt gewaltig, wenn man nicht ab und zu
lüftet», findet Bühlmann. In der Realität müsse der Bundesrat auch
die Grünen und Grünliberalen berücksichtigen, selbst wenn sie nicht
in der Regierung vertreten seien. Bühlmann verteidigt die
Langsamkeit der Politik in der Schweiz. «Wenn man Veränderungen
sofort will, dann muss man die Gesellschaft ausblenden, dann gehen
wir Richtung Diktatur.» Die Alternative sei, die Gesellschaft
mitzunehmen. Das entspreche mehr der Grundidee von Demokratie.
«Gesellschaftliche Veränderungen sind aber langsam, diese
Langsamkeit, die wir in unserem System abbilden, ist ein Vorteil.»
Das System erzwinge einen dauernden Dialog zwischen Politik und
Gesellschaft. Bühlmann sagt dies sogar, wenn seine Studierenden auf
den Klimawandel verweisen.
redet man vom Kandidatenkarusell», sagt Marc Bühlmann. «Diese
Geschwindigkeit entspricht nicht unserem politischen System.» Das
sei früher anders gewesen. Es habe auch keine «Bundesratstickets»
gegeben. Vielmehr habe sich in den Wochen vor einer Wahl langsam
herauskristallisiert, wer in Frage komme. «Dass Parteien mit
Vorschlägen kommen, das ist eher etwas Neueres.» Und trotz des
zunehmenden Tempos bleibe das System bedächtig. «Das langsame
System ist zum Glück nach wie vor sehr stark. Egal, was Parteien
oder Medien veranstalten, das System kümmert sich nicht um die
Aktualität.» Die Bundesratswahl werde vermutlich unspektakulär,
aber alles darum herum müsse spektakulär sein, für die Medien, die
Parteien und das Publikum. Als Partei möchte man zwar einen
Bundesrat, der auf Parteilinie sei, sagt Bühlmann. In der Regierung
bringe das aber nichts, weil es eine Kollegialregierung sei. «Es
muss eine Person sein, die über den eigenen Schatten springen kann
– und das weiss die Bundesversammlung relativ gut. Und trotzdem
sagen die Parteien: wir entscheiden, wer da reinkommt.» Die
Bundesversammlung sei nicht gezwungen, jemandem vom Ticket der SP
zu nehmen. Doch ein Jahr vor den Wahlen wolle niemand eine solche
Aktion durchführen. «Ich gehe davon aus, dass jemand von den
Tickets gewählt wird und die Parteien so vorausschauend sind,
jemanden aufzustellen, der wählbar ist.» Auch wenn gerade die
Pol-Parteien SP und SVP gerne einen «Hardliner» in der Regierung
hätten, der Bundesrat habe vor allem eine Verwaltungsfunktion, sagt
Bühlmann. «Es ist ein Gremium, das um Kompromisse ringen muss. Das
ist auf lange Sicht wieder ein Vorteil.» Ist das Konkordanzsystem
unter Stress, weil die Grünen und die Grünliberalen nicht im
Bundesrat sind? «Konkordanz ist wie eine Käseglocke, da sind alle
darunter, aber es stinkt gewaltig, wenn man nicht ab und zu
lüftet», findet Bühlmann. In der Realität müsse der Bundesrat auch
die Grünen und Grünliberalen berücksichtigen, selbst wenn sie nicht
in der Regierung vertreten seien. Bühlmann verteidigt die
Langsamkeit der Politik in der Schweiz. «Wenn man Veränderungen
sofort will, dann muss man die Gesellschaft ausblenden, dann gehen
wir Richtung Diktatur.» Die Alternative sei, die Gesellschaft
mitzunehmen. Das entspreche mehr der Grundidee von Demokratie.
«Gesellschaftliche Veränderungen sind aber langsam, diese
Langsamkeit, die wir in unserem System abbilden, ist ein Vorteil.»
Das System erzwinge einen dauernden Dialog zwischen Politik und
Gesellschaft. Bühlmann sagt dies sogar, wenn seine Studierenden auf
den Klimawandel verweisen.
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