HIV (Human Immunodeficiency Virus)Typ1: Subtypenverteilung, Mehrfachinfektionen und Charakterisierung der Viruspopulationen in einer Hochrisikokohorte in Tansania

HIV (Human Immunodeficiency Virus)Typ1: Subtypenverteilung, Mehrfachinfektionen und Charakterisierung der Viruspopulationen in einer Hochrisikokohorte in Tansania

Beschreibung

vor 18 Jahren
Die hohe genetische Variabilität von HIV stellt ein großes
biologisches Hindernis für die Entwicklung erfolgreicher
Medikamente und Impfstoffe dar. Im Laufe seiner Evolution hat HIV
eine Vielzahl von Untergruppen und Subtypen entwickelt, die in
unterschiedlichen geographischen Regionen und Bevölkerungsgruppen
eigenständige Epidemien geschaffen haben, aus denen sich die
weltweite Pandemie zusammensetzt. Die hohe Evolutionsrate von HIV
wird verursacht durch seine Fähigkeit, schnell zu mutieren, zu
rekombinieren und sich mit einer sehr kurzen Generationszeit zu
replizieren. Während die kontinuierliche Akkumulation von
Punktmutationen eher zu allmählichen Veränderungen der biologischen
Eigenschaften des Virus führt, können durch
Rekombinationsereignisse zwischen verschiedenen Virusisolaten
plötzlich größere Genomabschnitte ausgetauscht und damit eventuell
fittere Varianten generiert und selektiert werden. Eine rasche
Bildung von Fluchtmutanten oder Resistenzen gegen antiretrovirale
Therapie sind die Konsequenz. Voraussetzung für die Bildung
derartiger Mosaikgenome ist zum einen die zeitgleiche Infektion
einer Zielzelle mit mehreren Virionen und zum anderen die
Koinfektion eines Individuums mit mehr als einer HIV-Variante.
Koinfektionen und Rekombinationen mit verschiedenen HIV-1 Subtypen
sind besonders wahrscheinlich in Regionen, in denen mehrere
Virusvarianten kozirkulieren, wie in Tansania, wo man die HIV-1
Subtypen A, C und D nebeneinander findet. Zur Untersuchung der
genauen Subtypenverteilung mit besonderem Fokus auf rekombinante
Formen und Mehrfachinfektionen wurde in der Region Mbeya im
Südwesten Tansanias eine Hochrisikokohorte von 600 Barfrauen
gebildet, die alle drei Monate über einen Zeitraum von vier Jahren
nachuntersucht wurden (HISIS-Studie). Die initiale HIV-1 Prävalenz
in dieser Kohorte betrug 67,8%. 75 zufällig aus dieser Studie
ausgewählte HIV-1 positive Frauen wurden in dreimonatigen
Intervallen mit dem Multiregion-Hybridisation-Assay (MHAACD) auf
ihren HIV-1 Subtyp hin getestet. Dieser sensitive und
durchsatzstarke Subtypisierungstest beruht auf dem Prinzip einer
real-time PCR mit subtypenspezifischen Hybridisierungssonden, die
an die HIV-DNA in fünf Genomregionen binden. Neben reinen Subtypen
kann der MHAACD auch rekombinante Viren und Doppelinfektionen mit
hoher Vorhersagekraft nachweisen. Die Verteilung der reinen
(nichtrekombinanten) Subtypen zu Beginn der Studie wurde dominiert
von C mit 34%, gefolgt von A mit 9% bzw. D mit nur 5%. Damit wird
der größere Einfluß der südlichen Nachbarn, in denen ebenfalls der
Subtyp C überwiegt, auf die Region Mbeya im Vergleich zu den
nördlich angrenzenden vor allem von Sutyp A und D dominierten
Staaten deutlich. 52% aller Infektionen sind entweder verursacht
durch rekombinante Viren (32%) oder Mehrfachinfektionen mit
Beteiligung von Rekombinanten (20%). Dieser Prozentsatz liegt sehr
viel höher als in der Allgemeinbevölkerung dieser Region und
impliziert daher eine Korrelation zwischen dem Risikoverhalten der
Infizierten und der Wahrscheinlichkeit einer HIV-1
Mehrfachinfektion und dem Auftreten von rekombinanten Formen. Die
Mehrheit der Koinfektionen schienen nicht auf einer simultanen,
sondern einer sequentiellen (Superinfektion) Transmission
verschiedener Virusvarianten zu beruhen, was durch den Vergleich
zweier Gruppen von Barfrauen belegt wird. Erstere befanden sich in
einem mittleren Infektionsstadium der HIV-1 Infektion und wiesen
eine signifikant geringere Prävalenz an Mehrfachinfektionen (9%)
auf als die zweite Gruppe der Teilnehmerinnen, die sich zu Beginn
der Studie schon in einem Spätstadium bzw. im AIDS-Stadium befand
und mit 30% einen deutlich höheren Anteil an Mehrfachinfektionen
zeigte. Aus den durch den MHAACD detektierten Mehrfachinfektionen
wurde eine Studienteilnehmerin mit einer fortgeschrittenen HIV-1
Infektion zur detaillierten Analyse der viralen Populationen
ausgewählt. Sie entwickelte innerhalb von 12 Monaten nach Eintritt
in die Studie AIDS definierende Symptome und verstarb kurz darauf
an den Folgen der Immunschwäche. Der an fünf aufeinanderfolgenden
Zeitpunkten (0, 3, 6, 9, 12 Monate) durchgeführte MHAACD-Test
enthüllte eine AC-Doppelinfektion in der vpu-Region. Diese konnte
durch die Amplifikation, Klonierung und Sequenzierung von drei
Genomfragmenten (gag/pol, vpu/GP120, GP41/nef) bestätigt werden.
Eine detaillierte phylogenetische Sequenzanalyse der Region 2
(vpu/GP120) enthüllte eine zweite A-Variante, weshalb von einer
Dreifachinfektion der Patientin ausgegangen werden kann. Zusätzlich
wurden in allen drei untersuchten Genomregionen eine Reihe von aus
den Elternformen gebildeten rekombinanten Viren identifiziert. Die
komplexeste virale quasispecies mit mindestens acht verschiedenen
molekularen Formen wurde in der Region 2 (vpu/GP120) gefunden. Die
Anteile der verschiedenen viralen Varianten in den analysierten
Regionen fluktierten sehr stark über den Untersuchungszeitraum von
einem Jahr, weshalb eine longitudinale einer cross-sektionalen
Analyse zur zuverlässigen Detektion von Koinfektionen vorzuziehen
ist. Eine eindeutige Tendenz zu stärkerer Homogenisierung bzw.
Diversifizierung der quasispecies mit der Manifestierung von AIDS
und damit sinkendem Immundruck konnte nicht festgestellt werden.
Für die Amplifikation der drei untersuchten Genomfragmente im
Rahmen einer verschachtelten PCR wurden jeweils vier verschiedene
Primerkombinationen verwendet. Es konnte gezeigt werden, dass der
Einsatz multipler Primerpaare eine Selektion bestimmter
Virusvarianten während der PCR verringern und damit die
Wahrscheinlichkeit der Detektion einer Mehrfachinfektion im
Vergleich zu einer konventionellen PCR erhöhen kann. Eine weitere
Sensitivitätssteigerung der Methodik wäre zukünftig durch
zusätzliche Primerpaare denkbar. Die detaillierte Untersuchung der
viralen Formen spielt eine bedeutende Rolle vor allem im Hinblick
auf zukünftige Studien zur Evaluierung von HIV-Vakzinen, wie sie
unter anderem in der Region Mbeya in Tansania stattfinden werden.
Ein unvollständiges Bild der zirkulierenden HIV-Varianten kann zu
einer falschen Interpretation der Ergebnisse solcher Studien und in
der Folge zu einer falschen Einschätzung der Wirksamkeit von
Impfstoffkandidaten führen.

Kommentare (0)

Lade Inhalte...

Abonnenten

15
15
:
: