Beschreibung

vor 18 Jahren
Fragestellung Ziel dieser Arbeit ist die theoretische Darstellung
eines Behandlungsstandards bei Condylomata acuminata
(virusbedingte, infektiöse Warzen im Genitalbereich) im Kindesalter
und die Überprüfung der praktischen Durchführung im klinischen
Alltag im Vergleich zur Behandlung einer „Kontrastgruppe“, nämlich
Kinder mit nicht-infektiösen Erkrankungen im Genitalbereich (Lichen
sclerosus et atrophicus genital, genitales atopisches Ekzem).
Condylomata acuminata Condylomata acuminata sind eine der
häufigsten sexuell übertragbaren Virusinfektionen, verursacht durch
das „Humane Papillom-Virus“. Die Inkubationszeit ist variabel, die
Rezidivrate sehr hoch. Somit ist es häufig kaum möglich, die
Infektionsquelle genau festzulegen (Gross et al. 2000). Bei
Erwachsenen wird primär von einer sexuellen Übertragung
ausgegangen. Bei Kindern werden sowohl ein infizierter Geburtskanal
zur Zeit der Entbindung diskutiert wie auch eine intrauterine
Infektion, Auto- und Heteroinokulation und eine sexuelle
Übertragung. Bei Kindern liegen in der medizinischen Literatur
wenige Fallberichte vor. Vorgehen Zur Behandlung wurde eine
Kooperation zwischen der Immunambulanz der Dermatologischen Klinik
und dem Institut für Kinder- und Jugendpsychiatrie, beide an der
Ludwig-Maximilians-Universität München, vereinbart. In der
Immunambulanz werden die Kinder mit Condylomata acuminata
ausführlich untersucht, die Familie aufgeklärt und die erweiterte
Familie auf Condylome untersucht. Die Therapie wird individuell
gewählt: topische Therapie oder operative Verfahren. Der Arzt
erhebt eine psychosoziale Anamnese und beurteilt das Verhalten des
Kindes. Die Sozialpädagogin wird hinzugezogen. Ferner findet
routinemäßig ein kinder- und jugendpsychiatrisches Konsil statt.
Eine mögliche Entwicklungsgefährdung der Kinder durch die
Behandlung im Genitalbereich oder durch Belastungen in anderen
Lebensbereichen kann so leichter erkannt werden. Auch die Kinder
der „Kontrastgruppe“ durchlaufen die gleichen Stationen des
Behandlungsstandards. Methodik und Überprüfung Zur
Qualitätssicherung wurden die dermatologischen Krankenakten, die
Aufzeichnungen der Sozialpädagogin in der Immunambulanz und die
Dokumentation im Institut für Kinder- und Jugendpsychiatrie
ausgewertet, um die praktische Durchführung des
Behandlungsstandards bei den Kindern mit Condylomen und in der
„Kontrastgruppe“ zu evaluieren. Fallbeispiele illustrieren
qualitativ das Vorgehen. Ergebnisse Von 1995 bis 2001 stellten sich
in der Immunambulanz 16 Kinder mit genitalen Warzen, 3 Kinder mit
Lichen sclerosus et atrophicus genital und 2 Kinder mit genitalem
atopischen Ekzem vor. Die meisten Kinder mit Condylomen stammen
nicht aus Deutschland (69%). Es stellten sich mehr Mädchen (69%)
als Jungen vor. Im Gegensatz zu den meisten Studien (Cohen et al.
1990, Fierlbeck et al. 1992, Rock et al. 1986 und Boyd 1990) sind
die Kinder vorwiegend im Grundschulalter, während in der Literatur
am häufigsten über Condylomata acuminata bei Kindern zwischen 0 und
5 Jahren berichtet wird. Alle 16 Kinder wiesen die Condylome im
Perianalbereich auf, 4 Mädchen hatten zusätzlich genitale Läsionen.
Bis auf 1 Kind begannen alle Kinder mit einer Therapie, in den
meisten Fällen Podophyllin (bei 14 Kindern), gefolgt von der
operativen Entfernung der Warzen mit dem CO2-Laser. Pro Kind waren
durchschnittlich 3 Behandlungsversuche nötig. Eine Untersuchung auf
Condylomata acuminata des familiären und sozialen Umfelds erfolgte
bei 6 Kindern vollständig, bei 2 Kindern unvollständig. Im
psychosozialen Bereich wird die Dokumentation lückenhafter. Eine
Verhaltensbeurteilung durch den Dermatologen erfolgte in der
Immunambulanz nur in 3 Fällen, die Sozialpädagogin sah 8 Kinder.
Das kinder- und jugendpsychiatrische Konsil konnte bei 10 Kindern
durchgeführt werden. Dennoch wurden Belastungen in den Familien
erkannt. In der Gruppe der Kindern mit Condylomen gab es
pflegebedürftige, behinderte Kinder in 3 Familien, Familien aus dem
Ausland mit Sprachproblemen oder traumatischen Erlebnissen in der
Vorgeschichte, Missbrauch und Alkohol in der psychosozialen
Familienanamnese und psychosomatische Erkrankungen zusätzlich zu
den anogenitalen Warzen. 6 Familien erhielten konkrete
Hilfsangebote durch die Sozialpädagogin. Die „Kontrastgruppe“ ist
nicht mit der „Condylomgruppe“ vergleichbar. Der Ausländeranteil
ist erheblich geringer und die Kinder sind durchschnittlich älter.
Die Verhaltensbeurteilung in der Immunambulanz lag in 3 Fällen vor
(und damit bei über der Hälfte der Kinder), doch fehlte die
sozialpädagogische Betreuung. Ein kinder- und jugendpsychiatrisches
Konsil kam bei 2 Familien zustande. Bei einem Mädchen aus der
„Kontrastgruppe“ mit ausgeprägten Verhaltensauffälligkeiten war ein
sexueller Missbrauch im Kleinkindalter sehr wahrscheinlich. Die
interdisziplinäre Konzeption ermöglichte eine weitere Betreuung in
der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Diskussion Über Therapieerfolge
bei Kindern mit Condylomata acuminata wird in der medizinischen
Fachliteratur meist anhand von Einzelfallbeispielen berichtet; in
unserer Stichprobe fehlt zu Therapieerfolgen größtenteils die
Dokumentation. Doch bei durchschnittlich drei Behandlungsversuchen
pro Kind und einer Rezidivrate von 20-70% (Gross et al. 2000) bei
Condylomata acuminata kann man von einer schwierigen
Behandlungssituation ausgehen. Es wurden Konzepte zum Vorgehen bei
Condylomata acuminata bei Kindern voröffentlicht (Schachner und
Hankin 1985, Gross 1992, Kohl und Petzold 1996 oder Hornor 2004).
Bei Kindern mit einer sexuell übertragbaren Erkrankung wird eine
Verhaltensbeurteilung wegen der Möglichkeite eines sexuellen
Missbrauchs schon von den behandelnden Dermatologen gefordert. Im
Gegensatz zu den vorliegenden Konzepten ist unser
Behandlungsstandard für verschiedene Erkrankungen im Genitalbereich
bei Kindern sinnvoll und wurde an zwei unterschiedlichen
Patientenstichproben im Klinikalltag verwirklicht. Es lagen nur
wenige Verhaltenseinschätzungen durch die dermatologischen Ärzte
vor. Das realistische Ziel, nämlich Sicherheit in der Beurteilung
von Kindern mit Hilfe einer Rückmeldung durch den Kinder- und
Jugendpsychiater zu gewinnen, wurde damit nicht erreicht. Die
patientengerechte Aufklärung ist oft der Schlüssel zum
Therapieerfolg. Hier kann die Dokumentation auch verbessert werden.
In Anbetracht des hohen Ausländeranteils sind deutschsprachige
Aufklärungsbroschüren, deren Zielgruppe überdies erwachsene
Patienten mit Condylomen sind, nicht immer günstig. Ein
ausführliches Aufklärungsgespräch, wenn nötig mit Hilfe eines
Dolmetschers, bleibt unerlässlich. Die Information muss wiederholt
mitgeteilt werden, und der Arzt durch kann durch Nachfragen
sicherstellen, dass die Information bei der Familie „angekommen“
ist. Insgesamt ist es gelungen, ein Konzept zu entwickeln, das im
klinischen Alltag praktikabel ist. Es gibt den Ärzten Sicherheit im
Umgang mit einer Situation, die für alle Beteiligten belastend ist.
Regelmäßige Treffen der Kooperationspartner helfen, Schwachstellen
im Ablauf zu erkennen. In der praktischen Durchführung und
Dokumentation bestehen noch Verbesserungsmöglichkeiten. Zukünftige
Dokumentation zur Aufklärung und Therapieerfolg ist nötig. Die
Verhaltensbeurteilung der Kinder durch die Dermatologie als
definiertes Ziel des Konzepts muss weiter etabliert werden. Für
weitere Gesichtspunkte zur Qualitätssicherung ist eine Befragung
von Eltern und betroffenen Kindern zur Zufriedenheit mit dem
Behandlungsstandard wünschenswert. Diese Nachfolgestudie wurde von
der Ethikkommission bewilligt.

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