Wie retten wir unser Schulsystem? (Melisa Erkurt)

Wie retten wir unser Schulsystem? (Melisa Erkurt)

49 Minuten

Beschreibung

vor 3 Jahren

Eine Frage noch… mit der Autorin Melisa Erkurt

„Ich will die Kinder nicht anlügen und ihnen sagen, dass sie mit
Fleiß alles erreichen können. Das stimmt nicht. Die Kinder sind
ja nicht dumm. Aber sie werden aussortiert.“ Melisa Erkurt will
nicht mehr hören, dass es Zeit braucht, bis das österreichische
Bildungssystem auf die Anforderungen von Kindern mit
Migrationshintergrund umgestellt wird. „Das lass ich mir nicht
mehr sagen. Wir haben keine Zeit mehr, nur zu reden, das machen
die Bildungsexperten seit Jahren. Ich will, dass endlich etwas
getan wird“, sagt die Autorin im Podcast-Gespräch mit Nikolaus
Jilch. 

Erkurt hat gerade ein vielbeachtetes Buch herausgebracht:
„Generation Haram. Warum Schule lernen muss, allen eine Stimme zu
geben.“ Darin geht es auch um den Einfluss des Islam auf
heimische Jugendliche mit Migrationsgeschichte. Aber vor allem
geht es darum, dass das österreichische Schulsystem diese Kinder
im Stich läßt. 

Der „Normalzustand“, den unsere Schulen voraussetzen, wird immer
seltener, sagt Erkurt, die selbst kurz als Deutschlehrerin
gearbeitet hat: „Dass jedes Kind ein eigenes Zimmer hat und
Eltern, die bei den Hausaufgaben helfen, davon können wir nicht
mehr ausgehen.“ 

Mehr als 60 Prozent der Schülerinnen und Schüler an Wiener
Volksschulen sprechen zuhause eine andere Sprache als Deutsch,
wie eine aktuelle Grafik der Agenda Austria zeigt. Erkurt hat
solche Sprachprobleme sogar in Gymnasien erlebt: „Sozial sind
diese Kinder sehr stark. Mobbing gibt es fast nicht. Aber das
Problem sind die Deutschkenntnisse. Was bringt die Matura, wenn
die Kinder nicht gut Deutsch können?“

Erkurt, die selbst als Kleinkind mit ihrer Mutter aus Bosnien
nach Österreich flüchten musste, will Mehrsprachigkeit aber nicht
als Nachteil verstehen. „Das ist eigentlich eine Ressource, aber
in der Schule wird sie nicht ausgenützt. Die Lehrerinnen und
Lehrer sind auch nicht ausgebildet, um mehrsprachige Kinder zu
unterrichten.“ Leider seien viele Kinder deshalb in beiden
Sprachen schlecht, die sie eigentlich sprechen sollten.

Man müsse die Eltern miteinbeziehen, aber nicht mit der Kürzung
der Sozialhilfe drohen. Es sollte außerdem ein zweites
verpflichtendes Kindergartenjahr eingeführt werden, so Erkurt:
„Wir können nicht die Kinder und ihren Hintergrund ändern, wir
müssen die Schule anpassen. Und zwar an den worst case. Wenn dann
die Schule funktioniert, funktioniert sie für alle. Die Schulen
müssen so attraktiv gestaltet werden, dass alle ihre Kinder dort
gerne hinschicken. Dafür braucht es auch Ganztagsschulen. Aber
nicht so, wie das jetzt gestaltet ist. Das ist nicht attraktiv.“
Werden diese Schritte nicht gesetzt, drohe eine Abwanderung in
Privatschulen.

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