Hätte Diplomatie den russischen Angriff auf die Ukraine verhindern können? (Leigh Turner)

Hätte Diplomatie den russischen Angriff auf die Ukraine verhindern können? (Leigh Turner)

39 Minuten

Beschreibung

vor 1 Jahr

Leigh Turner war britischer Botschafter in der Ukraine und in
Österreich und lebte auch lange in Russland. Seine Erfahrungen
als Diplomat verarbeitete er nun in einem unterhaltsamen und
lehrreichen Buch. „The Hitchhiker´s Guide to Diplomacy“ verknüpft
Einblicke in die Welt der Diplomatie mit persönlichen Erlebnissen
des Autors. Turners erste Dienststelle im Ausland war Wien, wo er
Mitte der 1980er-Jahre als Botschaftsrat arbeitete. Sein letzter
Posten als Botschafter war ebenfalls Wien, von 2016 bis 2021. Im
aktuellen Podcast der Agenda Austria erzählt Turner, wie sich
Österreich in den 30 Jahren zwischen seinen zwei Aufenthalten
verändert hat. Und er erklärt, warum die europäische Politik
gegenüber Wladimir Putin in seinen Augen völlig falsch war. 


„Ich erinnere mich an eine Diskussion mit Boris Johnson 2016 in
Wien“, berichtet Turner. „Wir haben über die Ukraine und die Krim
diskutiert. Ich habe gesagt: Der beste Weg, um zu verhindern,
dass Russland die Ukraine noch einmal angreift, wäre die
Bewaffnung der Ukraine. Das ist die einzige Sprache, die Russland
versteht. Leider ist das bis 2022 nicht geschehen. Der beste Weg,
um diesen Krieg zu verhindern, wäre eine Aufnahme der Ukraine in
die NATO gewesen, schon 2008.“ 


Solange Putin an der Macht sei, werde es auch nach dem Krieg sehr
schwierig, mit Russland einen Modus der Zusammenarbeit zu finden,
meint der Diplomat. „Wir versuchen das seit Jahrzehnten. Boris
Johnson ist 2017 als Außenminister nach Moskau gefahren, um einen
Reset der Beziehungen zu versuchen. Die Antwort darauf war die
Vergiftung von Sergei Skripal in Großbritannien.“


Persönlich erlebt hat Turner eines der größten Probleme sowohl in
Russland, als auch in der Ukraine – die Korruption. Das sei ein
Relikt aus sowjetischen Zeiten, sagt der Diplomat. „Damals war es
vielleicht mehr eine Freunderlwirtschaft als klassische
Korruption. Das abzubauen ist extrem schwierig. Es hat auch damit
zu tun, dass die Privatisierungen in beiden Ländern sehr schlecht
gelaufen sind. Das Vermögen ist in den Händen weniger Menschen
konzentriert.“ 


Ganz grundsätzlich habe er versucht, Lektionen aus der Diplomatie
zu ziehen, sagt Turner über sein Buch.  Er sei immer der
Meinung gewesen, dass man nicht alles in seinem Metier tierisch
ernst nehmen müsse. „Auf der einen Seite hat man natürlich viel
Verantwortung, vor allem als Botschafter. Auf der anderen Seite
muss man immer wieder einen Schritt zurück machen und sich
denken, ‚Mann, ist es nicht erstaunlich, dass ich hier bin? Ich
sollte es genießen.’“ 


Zur Person: Leigh Turner, 65


Der Sohn eines Universitätsprofessors und einer Lehrerin wuchs in
Nigeria, Großbritannien und Lesotho auf. Nach dem Studium begann
er Anfang der 1980er-Jahre eine Karriere im diplomatischen
Dienst, die ihn quer durch Europa führen sollte. Unter anderem
war er britischer Botschafter in der Ukraine, Generalkonsul in
der Türkei und Botschafter in Wien. Turner ist auch als
Schriftsteller tätig und verfasste unter dem Pseudonym Robert
Pimm mehrere Krimis. Im Czernin Verlag erschien vor kurzem „The
Hitchhiker´s Guide to Diplomacy“.


 


 


 


 


 


 


 


 

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