Wie geht es dem Humor, Harald Martenstein?

Wie geht es dem Humor, Harald Martenstein?

31 Minuten

Beschreibung

vor 7 Monaten

Harald Martenstein gilt als einer der populärsten Kolumnisten im
deutschen Sprachraum. Er schreibt seit vielen Jahren für die
„Zeit“, seit Kurzem auch für die „Welt am Sonntag“. Sein
Markenzeichen ist die feine Ironie, mit der er sich die
Ereignisse auf der Welt – und vor allem im deutschen Teil der
Welt – vorknöpft.  

Mit der Agenda Austria ist Harald Martenstein seit langem
freundschaftlich verbunden. Zum 10. Geburtstag kam er deshalb
nach Wien und hielt eine launige Festrede. Bei dieser Gelegenheit
entstand auch der Podcast. 


Harald Martenstein kommt politisch von weit links. In seiner
Jugend war er sogar Mitglied der DKP (Deutsche Kommunistische
Partei). Mittlerweile gilt er mit seinen Ansichten links der
Mitte als Störenfried. Was ist da passiert? „Aus meiner Jugend
kenne ich ganz viele gestandene Linke, die heute ähnlich denken
wie ich“, sagt Martenstein. „Wir post-68er waren ganz stark
antiautoritär eingestellt. Bei uns galt noch das Ideal der
Freiheit. Die Leute sollten leben dürfen, wie sie wollen. Heute
haben wir es viel stärker mit einer autoritären Linken zu tun.“
Seine einstige Sympathie für den Kommunismus lasse sich damit
aber nicht erklären, gibt Martenstein zu. Die beste Begründung
dafür: „Ich war mit 17 nicht der große politische
Durchblicker.“

Deutschland befinde sich derzeit auf einem sonderbaren Weg,
findet der Kolumnist. Einerseits werde die Stärke dieses Landes,
die industrielle Basis, von Teilen der Regierung regelrecht
bekämpft. Und gesellschaftspolitisch sei eine neue Lust am
Bespitzeln und Vernadern erkennbar. „Es gibt ungefähr 100.000
Meldestellen für sexistische, rassistische, antifeministische
Bemerkungen oder Verhaltensweisen. Das macht mich fassungslos.“
Zumal es explizit um nicht strafrechtlich relevante Vorwürfe
gehen soll. „Die Zeiten haben sich geändert, sind illiberal
geworden.“ 

Letzteres wirke sich auch auf den Humor aus, meint Martenstein.
Der einstige Late-Night-Talker Harald Schmidt habe den richtigen
Zeitpunkt erwischt, um zu gehen. Stattdessen gibt es nun Jan
Böhmermann – von dem der Kolumnist allerdings nicht viel hält:
„Das ist die Art von Humor, die ich nicht mag. Auf dem
Feldherrenhügel stehen und den Leuten sagen, was gut ist und was
böse. Das Gegenmodell zu Böhmermann ist für mich Gerhard Polt.
Böhmermann erreicht nur Gleichgesinnte. Was Polt macht, hat
Wirkung auf die Leute, die gemeint sind.  

Und warum hält der Ex-Kommunist Martenstein beim Fest der
wirtschaftsliberalen Agenda Austria eine Lobrede auf den
Kapitalismus? „Die Leute werden sagen, jetzt ist er da
angekommen, wo er hingehört.“ 

Harald Martenstein, 70 
Der gebürtige Mainzer gehört zu den populärsten Kolumnisten und
Journalisten im deutschen Sprachraum. Seine Texte wurden vielfach
ausgezeichnet – unter anderem mit dem Egon-Erwin-Kisch-Preis und
dem Henri-Nannen-Preis. Martenstein hat auch mehrere Romane
verfasst, sein bis dato jüngstes Werk („Wut“) erschien 2021.
 


 

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