Klinische und molekulargenetische Charakterisierung von Patienten mit Kongenitalen Myasthenen Syndromen

Klinische und molekulargenetische Charakterisierung von Patienten mit Kongenitalen Myasthenen Syndromen

Beschreibung

vor 20 Jahren
Die kongenitalen myasthenen Syndrome (CMS) bilden klinisch und
pathogenetisch eine heterogene Gruppe von relativ seltenen
hereditären Erkrankungen des Kindesalters. Sie werden durch
unterschiedliche genetische Defekte im Bereich der neuromuskulären
Endplatte verursacht und manifestieren sich mit variabler
Symptomatik, bei der eine belastungs- und tageszeitabhängige
Muskelschwäche das herausragende Kennzeichen ist. Man unterscheidet
synaptische, prä- und postsynaptische CMS-Formen. Während der
letzten Jahre hat sich gezeigt, dass die postsynaptischen Störungen
bei weitem überwiegen, vor allem solche, bei denen die Mutationen
in den Untereinheiten des Azetylcholinrezeptor (AChR) liegen. Dabei
haben sich vor allem Mutationen im Gen, das für die Epsilon (e)
-Untereinheit des AChR kodiert, als besonders häufig erwiesen. Der
Hauptschwerpunkt dieser Arbeit lag deshalb auf der genauen
Untersuchung des Gens kodierend für die e-Untereinheit bei unseren
CMS-Patienten. Im Rahmen dieser Arbeit wurden 86 CMS-Patienten aus
71 nicht-verwandten Familien mit Hilfe eines Fragebogens rekrutiert
und anschließend molekulargenetisch untersucht. Unter den 71
CMS-Familien waren 21 Familien, die aus Deutschland stammten, und
50 Familien nicht-deutscher Abstammung. Alle Patienten zeigten
typische CMS-Symptome. Die zwölf Exons des Gens der e-Untereinheit
des AChR einschließlich der Spleiß-Donor- und
Spleiß-Akzeptor-Sequenzen sowie die Promotorregion wurden
sequenziert. Bei 40 der 86 CMS-Patienten wurden unterschiedliche
Frameshift-Mutationen entdeckt, die zu einer verminderten
Expression des AChR führen. Die Frameshift-Mutation e1267delG wurde
bei 33 Patienten aus 26 nicht-verwandten Familien entdeckt. Alle
e1267delG-Patienten stammen aus der Volksgruppe der Roma oder
kommen aus südosteuropäischen Ländern. Die Mutation e1267delG wurde
bei 58% (26/45) der CMS-Familien, die nicht-deutscher Abstammung
sind, gefunden im Vergleich zu 0% (0/26) der Familien mit deutscher
Abstammung. Bei sechs CMS-Patienten zeigten sich Spleiß-Mutationen,
deren Pathogenität aus Muskel-RNA bewiesen wurde. Bei zwei
Patienten konnten Promotormutationen nachgewiesen werden, die
ebenfalls zu einer beeinträchtigten AChR-Expression führen. Bei
sechs Patienten fanden sich Missense-Mutationen, die nicht
vorbeschrieben sind und deren pathophysiologische Konsequenzen noch
geklärt werden müssen. Bei 36 CMS-Patienten aus unserer 86
CMS-Patienten umfassenden Population konnten keine Mutationen im
Gen der e-Untereinheit des AChR gefunden werden. Mutationen anderer
Gene könnten verantwortlich sein für CMS bei diesen Patienten. Die
Mutations-suche in diesen Genen könnte, zumindest in geeigneten
Familien mit mehreren betroffenen und nicht betroffenen
Mitgliedern, mittels begrenzter Kopplungsanalyse durch Ausschluss
oder nähere Eingrenzung einzelner Genloci vereinfacht werden. Wir
finden bei Patienten mit Mutationen im e-Gen des AChR häufiger eine
Ptose, eine Ophthalmoparese, ein als generalisiertes oder als
bulbär und fazial beschriebenes Krankheitsbild, ein Dekrement,
einen gutartigen Verlauf, sowie eine Krankheits-manifestion vor
Vollendung des zweiten Lebensjahres. Krisenhafte Verschlechterungen
findet man dagegen häufiger bei CMS-Patienten, die keine Mutationen
im e-Gen haben. Mutationen im CHAT-Gen könnten dafür verantwortlich
sein. Da CMS durch verschiedene strukturelle oder funktionelle
Abnormalitäten an der Synapse bedingt sind, ist eine präzise
elektrophysiologische und/oder genetische Klassifikation der CMS
wichtig für Patienten. Genetische Beratung und pränatale Diagnostik
können nur durchgeführt werden, wenn eine exakte Diagnostik auf
molekularer Ebene verfügbar ist. Außerdem hat die exakte
Klassifizierung kongenitaler myasthener Syndrome für die
betroffenen Patienten große Bedeutung, da sich daraus
unterschiedliche Konsequenzen hinsichtlich Prognose, Vererbbarkeit
und Behandlungs-möglichkeiten ergeben. Die Analyse ursächlicher
genetischer Defekte wird die Grundlage für eine sichere und
verlässliche Einordnung von CMS bilden und möglicherweise die
bisher erforderlichen invasiven Verfahren ablösen. Darüber hinaus
sind durch die genaue Kenntnis des ursächlichen Defektes und der
patho-physiologischen Zusammenhänge in Zukunft auch neue
Therapiemöglichkeiten für CMS-Patienten zu erwarten.

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